Clara und Matze
Clara und Matze
vakantio.de/cum

Mamma Mia und Cape York

Gipatik: 11.11.2022

Meine ohnehin schon mit roten Adern durchzogenen Augen trockneten aus, während ich angestrengt im Strom der vorübergehenden Menschen nach dem Gesicht meiner Mama Ausschau hielt. Ab und an fragte ich mich, ob wir uns vielleicht bereits verpasst haben, Menschen können sich ja doch sehr verändern in knapp 4 Jahren. Vielleicht hatte ich nach der falschen Haarfarbe Ausschau gehalten? Die Minuten verstrichen und mir taten langsam die übermüdeten Augen weh, die ich mit aller Gewalt offen zu halten versuchte, aus Sorge Sie zu verpassen. Dann tauchte inmitten der aus dem Terminal flutenden Menschenmenge ein ebenso aufgeregt suchendes Gesicht auf, ich ruderte so wild und unkoordiniert mit den Armen um mich dass es an ein Wunder grenzt, dass Niemand dabei zu schaden gekommen ist. Wir fielen uns in die Arme und Tränen flossen, ein mitfühlender Mensch aus der Menge der ebenfalls Wartenden reichte mir ein Taschentuch und am liebsten hätten Mama und ich ihn auch gleich mit umarmt, so emotional aufgeladen waren wir durch das Wiedersehen. Da alles länger gedauert hatte als gedacht, knurrte uns nun der Magen und wir fuhren Richtung Bondi zu einem netten kleinen Cafe wo wir erstmal ein angemessenes Katerfrühstück zu uns nahmen und den gefährlich leeren Koffeinspeicher auffüllten. Anschließend machten wir mit meiner lieben Mama die Küstenwanderung, die wir zum Teil mit Jessi gemacht hatten, als sie uns mal einige Tage in Sydney besucht hatte. Damals war das Wetter deutlich badefreundlicher gewesen, doch gemessen an der Vorhersage konnten wir uns nicht beschweren. Ohnehin brauchte es einiges an Überredungskunst, meine etwas besorgte Mama überhaupt bis zu den Knien ins Wasser zu locken. Innerlich verfluchte ich sämtliche Dokumentarfilmemacher, die allen ohnehin schon ängstlichen Menschen gänzlich die Freude am Besuchen exotischer Länder mit giftigen Tieren nehmen. Naja, ich muss vielleicht einfach manchmal etwas mehr Geduld haben. Nach so viel frischer Luft und so wenig Schlaf in der vorherigen Nacht, hatten wir alle Drei ein immenses Bedürfnis nach Schlaf und so legten Mama und ich uns in unserer kleinen Miethütte ins Bett, Matze fand eine freie Stelle auf dem Boden. Unsere Vermieter wussten natürlich von dem geplanten “Austausch” -Partner gegen Mama. Nach etwa 2 Stunden gaben wir alle auf, so richtig schlafen konnten wir nicht. Mama und ich waren aufgeregt aufgrund des Wiedersehens, Matze angesichts seiner Reise nach Deutschland. Es dämmerte bereits, als er sich in den Bus zum Flughafen setzte, er hatte Mama seine Simkarte überlassen, so konnte sie etwas Geld sparen bis sie sich eine holen musste, wenn er in einer Woche wieder zu uns stoßen würde. Ich griff gerade nach meiner Tasche, weil wir nochmal eine kleine Runde rausgehen wollten, als mir auffiel, dass ich den Autoschlüssel nirgendwo sehen konnte. Hektisch fing ich an, auf meinem Handy eine Nachricht zu verfassen, als mir einfiel, dass Matze ja im Moment gar kein Internet hatte, falls es nicht zufällig irgendwo WLAN gab und das war während der Busfahrt extrem unwahrscheinlich. Sah wohl so aus, als müsste in nun den ganzen Weg zum Flughafen fahren. Noch während ich mir fluchend die Schuhe anzog, wurde ich von einer unbekannten Nummer angerufen. Bei der Person am anderen Ende der Leitung handelte sich um einen Apothekenmitarbeiter, der mich darüber informierte, dass ein stark gestresster Mathias Ermel einen Autoschlüssel für mich an der Kasse hinterlegt hatte. Ob ich es schaffen würde, den vor Ladenschluss abzuholen? Große Erleichterung breitete sich aus und am Ende mussten wir nicht einmal einen Umweg machen, die Apotheke befand sich direkt neben den schön beleuchteten Sehenswürdigkeiten, die ich während einer kleinen Stadttour mit Mama besuchen wollte. Wir schlenderten durch die geschäftige Fußgängerzone der George Street und das im Stil der Zwanziger Jahre erbaute Queen Victoria Einkaufszentrum. Anschließend ging es runter zum Circular Quay mit dem berühmten Opernhaus und dem grandiosen Blick auf die bunt angestrahlte Brücke. Ab und an schüttete es kurz, aber wir ließen uns die schöne Zeit nicht vermiesen. Zurück in der Unterkunft fielen wir völlig fertig aufs Bett und schliefen fast 9 Stunden. Nach einigen Tassen Kaffee rafting wir uns auf zu einem Spaziergang durch die Umgebung, einen Teil davon kannte ich noch aus unserem 3 monatigen Aufenthalt in Sydney, aber es war wunderschön, die altbekannten Orte wiederzusehen. Wir fanden ein bei den Einheimischen sehr beliebtes Cafe und deckten uns mit veganen Leckereien zum Frühstück ein. Danach fuhren wir in die Stadt und besuchten das Museumsviertel, wo wir in die älteste Gemäldegalerie Sydneys schauten und durch den Botanischen Garten schlenderten. Dass es so zeitig dunkel wurde, verwirrte meine noch an die deutschen langen Frühsommertage eingestellte Mama, sodass wir nicht allzu spät ins Bett gingen. Am nächsten Morgen packten wir alles ins Auto- nun hatten wir ja zumindest zusätzlich die komplette Rückbank zur Verfügung- dann fuhren wir mit dem Auto nach Newtown. Nach dem Besuch einiger Second Hand Läden fanden wir ein nettes Cafe zum Frühstücken und am frühen Nachmittag machten wir uns auf den Weg aus Sydney raus Richtung Norden. Ich hatte eine niedliche Hütte in Medowie reserviert, in der Nähe von Newcastle. Auf dem Weg hielten wir an einem hübschen kleinen Nationalpark, wo wir eine Runde entlang idyllischer Eucalyptuswälder wandern gingen und den Sonnenuntergang bewunderten. Abends kochten wir auf der Terrasse des schönen Airbnbs, schade dass wir nicht noch eine Nacht bleiben konnten. Unser nächstes Ziel war Port Macquarie, ich wollte Mama aber gern noch ein Stück der wunderschönen Regenwaldenklaven zeigen, die es in einigen Regionen des Hinterlandes von New South Wales gibt. Unterwegs ging einmal während eines recht langen Anstiegs die Motorwarnleuchte an, vermutlich war das Allradgetriebe, dass ich wegen der unbefestigten schlammigen Straße seit einer Weile an hatte, überhitzt. Da ich so gut wie keinen Empfang hatte und Matze nicht zu Rate ziehen konnte, musste ich mir selbst weiterhelfen: Ich schaltete erstmal den Motor ab, öffnete die Motorhaube und ließ das Getriebe abkühlen. Nach 5 Minuten warf ich den Motor wieder an und die Warnlampe blieb aus. Am Ziel angekommen parkten wir das Auto und machten uns, dem stetigen Nieselregen trotzend, auf den Weg zu dem Rawson Wasserfall. Unterwegs erklärte ich Mama so viel wie ich konnte über dieses interessante Ökosystem, zeigte ihr Pflanzen und Tiere die ich kannte. Auf dem Rückweg zum Auto fiel mir etwas von oben ins Auge, ich rieb und auch Mama versuchte, mit einem Taschentuch bewaffnet den Fremdkörper zu entfernen, aber mein Auge fühlte sich weiterhin sehr komisch an. Zum Glück konnte ich trotz tränendem Auge zumindest noch die halbe Stunde bis zu unserer Unterkunft fahren. Am nächsten Morgen ging es mir besser, wir tranken bei schönstem Sonnenschein einen Kaffee draußen im Garten, wo Mama einen schlafenden “Tawny Frogmouth”, eine Eulenart, in der Palme entdeckte. Guter Dinge machten wir uns zu Fuß auf ins Koalakrankenhaus, wo ich bereits mit Matze gewesen war. Es freute mich, dass einige der kranken Tiere von damals nun bereits ausgewildert worden waren. Später am Nachmittag gingen wir an den Strand, das Wetter zeigte sich von seiner besten Seite. Am nächsten Tag ging ich schließlich doch morgens zum Augenarzt, das Auge tränte und schmerzte seit der Nacht wieder und ich wollte sichergehen, dass wirklich kein Fremdkörper die Ursache dafür war. Die behandelnde Ärztin sah sich alles sehr gründlich an und diagnostizierte eine allergische Reaktion, sie verschrieb mir spezielle Augentropfen und riet mir dazu, mindestens noch 3 weitere Tage auf das Tragen von Kontaktlinsen zu verzichten. Da sie wusste, dass ich Backpackerin mit einem begrenzten Krankenkassenbudget für Spezialbehandlungen war, berechnete sie mir nur 36$, also nur etwa 20€. Toll, wie lieb und selbstlos manche Leute sind, ohne Einen überhaupt zu kennen! Bei einem kleinen Spaziergang am “Look at me now Headland” bekam Mama dann weitere Highlights der australischen Fauna zu Gesicht: Nachdem wir bereits auf dem Weg zum Parkplatz am Straßenrand einen Schnabeligel beobachtet hatten, befand sich auf der Hügelkuppe eine große Gruppe friedlich grasender Kängurus. Sie ließen sich weder von ihrem Fotografieren noch von direkt an ihnen vorbeilaufenden Menschen aus der Ruhe bringen. Als wir wenige hundert Meter einen weiteren Schnabeligel sichtbeton, war ich doch schon sehr erstaunt, Australien wollte sich meiner Mama scheinbar von seiner allerbesten Seite präsentieren. Unsere nächste Unterkunft befand sich ein ganzes Stück weiter im Norden in Uki, Byron Bay übersprungen wir deshalb. Es hätte Mama sicherlich auch gefallen, jedoch gab es so viel beschaulichere und weniger überrannte Orte im Hinterland, als dass es sich meiner Meinung nach gelohnt hätte. Als wir nach Einbruch der Dunkelheit am Airbnb ankamen, empfing uns unsere Gastgeberin Madeleine, die sehr gesprächig war und uns mit sichtbarem Stolz durch ihr schönes Haus führte. Alle Möbelstücke strahlten einen antik hochwertigen Glanz aus, die tiefe Badewanne im mit Natursteinen ausgelegten Bad wollte Mama am liebsten sofort testen. Das tollste am ganzen direkt am Hang gebauten Haus stelle für mich eindeutig die Terasse dar, die sich über die ganze Hälfte des Hauses erstreckte und von der aus man einen tollen Blick über das angrenzende Regenwaldgartenstück hatte. Am nächsten Morgen servierte Madeleine uns Kaffee und selbstgebackene Köstlichkeiten mit exotischem Obstsalat, wir genossen die Strahlen der Morgensonne und den Blick auf den Gipfel des Mount Warning, der nun allmählich aus den Nebelschwaden auftauchte. Da uns der lokale Wochenendmarkt wärmstens empfohlen wurden war, gingen wir dorthin. Man konnte spüren, wie bunt und künstlerisch veranlagt die kleine Gemeinde war, neben Kunsthandwerksständen gab es lokale Trockenfrüchte, Hausgebackenes und angenehme Livemusik. Alle wirken gut gelaunt und entspannt, Kinder rannten trotz der eher herbstlichen Temperaturen barfuß über die Wiese und in der Kaffeerösterei, die mit in das historische Postgebäude eingezogen war, stand eine lange Schlange. Madeleine sichtete uns uns stellte uns sogleich vor, der Kaffee sei der Beste in der ganzen Umgebung. Wir probieren dann natürlich und mussten ihr Recht geben, der Kaffee war himmlisch und voller Geschmack, genau wie Uki. Uns zog es nach der ganzen sozialen Interaktion erstmal in die Natur, bevor wir uns dann auf den Weg nach Murwillumbah machten, wo ein Kunstfestival stattfand. Neben vielen lokal ansässigen Künstlern mit wunderschönen Tier- und Naturmalereien war auch ein Fotograf sowie eine Livemusikerin mit dabei. Hätte ich ein Haus in Australien besessen, hätte ich sicher einige Stücke mitgenommen, so musste ich mich aufs reine Bewundern und geistiges Abspeichern beschränken. Die ganze Gegend empfand ich als durchaus lebenswert und überraschend alternativ, ich könnte hier vermutlich ganz gut leben. Abends kamen wir recht müde nachhause, machten uns was zu essen und lauschten den nächtlichen Regenwaldkonzert von der Terasse aus. Plötzlich zeigte Mama in die etwas dunkle Ecke der Terasse: “Ist das etwas eine Schlange?”, hörte ich sie mich deutlich verunsicherter Tonlage fragen. “Ne, quatsch, das ist doch bestimmt nur ein Stück Lampenkabel, was da lose runterhängt”, beeilte ich mich zu sagen, schien dann aber doch meine Handytaschenlampe dorthin. Zu meinem Erstaunen hing dort wirklich eine Schlange im Dachgebälk der Terasse, eine bräunliche Python die ich nach kurzer Recherche als “Brown Tree Snake” identifizierte. Das vermeintliche Kabel war der herunterhängende Schwanz. In dem Moment, in dem dann Leben in die Schlange einkehrte und sie sich zielstrebig in Bewegung setzte, kehrte auch Leben in meine liebe Mama ein: Sie flüchtete ins Haus. Von dort aus beobachtete sie das Geschehen mit bleichem Gesicht. Ich ging probehalber einen Schritt Richtung Schlange und wartete, doch sie hielt nicht inne, scheinbar war sie auf der Jagd auf irgendetwas, das unterm Dach lebte, vermutlich Fledermäuse oder Ratten. Auf Zehenspitzen schlich ich mich noch etwas näher in Richtung Schlange, um sie besser sehen zu können, das panische: “Nein!” meiner Mama ignorierend. Die Schlange glitt über meinem Kopf den Balken entlang, sie zeigte keinerlei Anzeichen, dass sie mein Näherkommen überhaupt wahrgenommen hatte. Schließlich verschwand sie unter der Dachschräge. Als Madeleine kam und wir von unserer Begegnung berichteten, schien sie sichtlich erfreut und erzählte ein paar Anekdoten zu diesem besonderen Übermieter. Dann legte sie ein paar Obststückchen auf die Terrasse, um einen weiteren nächtlichen Besucher, das Opossum, anzulocken. Es kam nur wenige Sekunden, nachdem sie ins Haus zurückgekehrt war, einen Baumstamm hinunter geklettert und ließ es sich schmecken. Nach so vielen Erlebnissen entspannte Mama erstmal in der Badewanne und anschließend schliefen wir lange und tief. Der geplante Ausflug am nächsten Tag gestaltete sich als etwas schwieriger als angenommen, ich hatte vorgehabt, Mama den Springbrook National Park zu zeigen, doch die Zufahrtsstraße aus unserer Richtung war nach vielen bereits gefahrenen Kilometern ohne Vorwarnung gesperrt, sodass wir einen weiten Umweg hätten fahren müssen. Wir machten also eine andere Tour, die uns zu Brummies Lookout, einem schönen Aussichtspunkt führte und auch ein wenig Herumklettern beinhaltete und fuhren am nächsten Tag nach Springbrook. Auch dort waren leider durch die starken Regenfälle der letzten Zeit einige Routen gesperrt, aber wir machten eine 4 Kilometer lange Tour und sahen uns anschließend noch die spektakulären Rainbow Falls an, an denen man durch das in die Schlucht einfallende Sonnenlicht gleich mehrere Regenbögen in verschiedenen Höhen bewundern konnte. Am Abend kamen wir bei Katja im Süden von Brisbane an, sie war sichtlich beschwingt über den deutschen Besuch und es wurde sogleich angestoßen. Ich musste mich dann noch eine Weile wach halten, um Matze gegen 2 Uhr nachts vom Flughafen abzuholen. Er war zunächst nach Sydney geflogen und hatte sich von dort einen Anschlussflug genommen, das war immer noch weitaus günstiger gewesen, als international nach Brisbane zu fliegen. Wir schliefen alle drei in Katjas Gästezimmer, Mama auf einer Campingliege, Matze und ich im Bett. Am nächsten Morgen, dem 1.6., konnten wir den Tag gemütlich angehen, Katja musste auf Arbeit. Da die Wettervorhersage sehr gut aussah, schlug ich vor den Tamborine Mountain zu besuchen, wo wir bereits vor 2 Jahren mit Sean bei den Red Cedar Falls gewesen waren. Die damals gerade so noch sacht plätschernden Kaskaden waren in diesem Jahr weitaus ansehnlicher und auch die Natur drum herum strahlte in satten Grüntönen. Mit Mama besuchte auch außerdem noch eine künstliche Glühwürmchenhöhle, die Würmer hatte man von kleinen Höhlen auf Farmgrundstücken umgesiedelt, da es nur noch wenige ihrer Art gab und ein Lehrzentrum errichtet. In die Höhle durfte man nur mit einer Führung. Da die Decke recht niedrig war, konnte man die Würmchen aus näherer Perspektive sehen als die wilden Exemplare in Tasmanien. Wir lernten, dass das Leuchten zum Anlocken kleiner Insekten durch eine chemische Reaktion im Hinterleib erzeugt wird und dass hungrigere Würmer deshalb stärker leuchten. Sie sitzen hinter selbst erzeugten klebrigen Fäden, die eine Art Vorhang bilden und in dem sich die Insekten dann auf ihrem Weg zur Lichtquelle verfangen. Die fliegenden Tiere, die man in Europa auch manchmal sehen kann, sind keine “Glühwürmchen”, sondern leuchtende Fliegen. Abends kochten wir zusammen mit Katja und tranken Wein, wir hatten gerade alles in den Geschirrspüler geräumt, als wir Katja aus der Küche “Ähhhh!” machen hörten. Anlass für ihre Ekelreaktion war eine dicke Kakerlake, die die Tapete hochkroch, Matze wollte sie gerade mit einer Dose einfangen, als das Tierchen seine Flügel ausklappte und quer durchs Zimmer sauste. Mama und Katja kreischten synchron und kletterten auf die Küchentheke, Matze und ich heulten vor Lachen. Zugegeben, wir hatten meiner Mama gesagt, dass die Kakerlaken erst in den tropischeren Teilen Australiens flugfähig waren. Nun, offensichtlich handelte es sich da um eine Falschmeldung. Am nächsten Tag zeigten wir meiner Mama die Stadt und während sie eine Runde durch die Nationalgalerie streifte, trafen uns nachmittags in der schicken Bar “Cobbler” mit Dayna und Morgan (Freunde aus Melbourne), die gerade Urlaub in Brisbane machten. Wir spielten Karten und genossen Whiskey und Wein. Anschließend tranken wir noch ein Bier in der urigen Kneipe “The Burrow” im Stadtteil West End, den man ganz gut mit der Dresdner Neustadt vergleichen kann. Weil wir ja noch ein gutes Stück bis Cairns hatten, verabschiedeten wir uns am nächsten Morgen von Katja und Brisbane und fuhren weiter an die Sunshine Coast. Am gleichnamigen Strand hatte ich ein schönes Airbnb gefunden, in dem wir eine erholsame Nacht verbrachten. Das Wetter am nächsten Morgen lud zu einer Joggingrunde am Strand ein, Mama stieß nach einer Weile dazu und ich zeigte ihr eine Flughundkolonie, die ich auf dem Weg runter zum STrand in einem kleinen Sumpf entdeckt hatte. Wie schön, dass sich so viel Natur zwischen Häusern und Straßen findet, ein weiterer Grund, warum ich diese Gegend so liebe. Wir kraxelten an der Steilküste im Noosa Nationalpark herum und sahen im Dickicht sogar eine Brown Snake.

Zufällig spielte in unserem altbekannten Tischtennispark in Coolum gerade eine Live Band im Rahmen eines lokalen Ökofestivals. Wir schautem dem Trubel zu und wippten mit, als der Abbau losging spielten wir noch eine Runde auf der zum Glück unbesetzten Platte. Am nächsten Morgen machten wir uns an die Weiterfahrt, die Sonne schien sich leider nicht blicken lassen zu wollen. Es regnete fast unentwegt, bis wir in Bundaberg ankamen, das durch seinen Rum und auch Softdrinks wie das Ginger Beer weltweit bekannt ist. Über die Stadt selbst und vor allem ihre Bewohner hört man durch Backpackerseiten im Internet und Gespräche mit Australiern meist nicht viel Gutes. Wir hatten uns deshalb nicht bisher zu einem Zwischenstop entschieden, auch weil es keine netten kostenlosen Campingplätze gab. Mit Mama wohnten wir nun in einer echt urigen Hütte, die Holzverkleidung und auch einige der Möbel wirkten wie original aus den 1860ern, vielleicht waren sie es sogar. Wir fühlten uns sofort wohl und konnten eine erholsame Nacht verbringen. Am nächsten Morgen fuhren wir raus zu den "Elliott Heads", einer kleinen Peninsula mit einer Wattlandschaft, durch die Armeen von Soldatenkraben schwärmten und es einige glasklare durch die Gezeiten entstehenden Pools gab. Der Tidenhub betrug hier über 5 Meter, im Moment herrschte Ebbe. Später besuchten wir ein Känguru- und Schildkrötenschutzgebiet, die Brutsaison war schon vorüber aber die Natur begeisterte uns. Wir bekamen einige für diese Gegend ungewöhnlich großen Kängurus zu Gesicht. Außerdem bewunderten wir die schillernden Farben der "Regenbogen-Honigfresser", die sich gegenseitig von Baum zu Baum jagten. Wir tankten neue Energie im Garten eines sehr niedlichen Cafes und fuhren dann noch in einer tropischen Wein- und Ciderkelterei vorbei. Es gab interessante Sorten wie Passionsfrucht und Ananas, die Getränke schmeckten auch nicht so süß wie das ja oft der Fall ist. Dann testeten wir die einizige Destille, die es außer der Bundaberg Rum gab, sie hieß Kalki Moon und hatte auch ein sehr überzeugendes Angebot. Am nächsten Morgen ging Matze ein weniger "Männerbummeln" bei Baumarkt und Co, Mama und ich genossen das heute deutlich nettere Wetter im Botanischen Garten. Im dortigen Teich fütterte eine Familie Enten und dadurch hatten wir das Glück, einige ungewöhnlicheren Seemitbewohner wie die über 1 Meter langen Aale und einige kleine Schildkröten zu sehen. Man merkte den Enten an, dass sie durchaus Respekt vor den glitschigen recht streitlustig wirkenden Fischen hatten. Als wir weiter nach Norden fuhren, waren Matze und ich uns einige, dass es durchaus lohnenswert gewesen war, mal nach Bundaberg zu kommen. Sicher, es gab ein paar kauzige Menschen, dass war uns bei Spaziergängen durchs Viertel nicht entgangen, aber insgesamt wirkten die Leute mit denen wir ein paar Worte gewchselt hatten, durchweg nett und offen. Auch die Natur fanden wir überraschend weitläufig und gut geschützt, was man anhand der Dichte an Obst- und Gemüsefarmen nicht erwartet hatte. Auf der Weiterfahrt machten wir eine Frühstückspause in Kepnock, was beinah ein wenig wie Boulia anmutete.

Es gab dort eine kleine Freifläche, die wie eine Miniatursalzwüste anmutete. Der rostrote Boden war mit weißen Kristallen übersäht und teilweise aufgerissen, die einzigen Pflanzen waren Salzbüsche. Später trafen wir bei Rose in Mackay ein, eine Freundin von Madeleine,

unser AirBnb Gastgeberin aus Uki. Sie hatte Interesse bekundet, uns kennenzulernen, Mama war von so viel Gastfreundschaft ein wenig verunsichert. Daran, dass die Australier oft ein bisschen unargwöhnischer und offener mit ihrer Haustür sind als die Deutschen, daran hatten Matze und ich uns schon gewöhnt. An der Tür begrüßte uns nicht nur Rose, sondern auch ihr aufgeweckter Pudel. Ich hatte angeboten, zu kochen, was Rose sehr begeisterte. Ein Teil ihrer Familie wohnte bei Brisbane, näher lebende Verwandte gab es nicht und deshalb hatte Rose nicht so oft Besuch, wie sie es anscheinend gern hätte. Wir quatschten und tranken leckeren Wein, Mamas Englisch verbesserte sich nach einigen Sätzen deutlich.

Nach einer erholsamen Nacht guckte ich mir morgens von einem Aussichtspunkt aus einen grandiosen Sonnenaufgang an und stieß dann zu den Anderen. Rose hatte bereits Kaffee gemacht, wir genossen die Sonne und den Blick aufs Meer- ihr Grundstück grenzte direkt an einer Steilküste ans Meer. Rose war Künstlerin, die neben Töpfereien und Gemälden auch sehr schöne Windspiele aus Strandgut kreierte. Wir alle fanden das Haus und Rose traumhaft und wären gern noch ein wenig geblieben, leider ließ unser Zeitplan das nicht zu. Falls wir in Australien bleiben würden, in Mackay gäbe es sicher auch Jobs für uns und in

ihrem Haus sei Platz für uns, bot sie uns an. Die Versuchung ist da für Matze und mich nicht gerade klein... Diese Nacht verbrachten wir auf dem "Funny Dunny" Campground (was übersetzt so viel wie lustiges Plumpsklo heißt), welcher nur wenige Meter vom Strand entfernt lag. Wir beschlossen, dass uns die Nachttemperaturen zu frisch waren, um Matze mit gutem Gewissen in das Extrazelt auf den Boden zu stecken und quetschten uns daher Alle zusammen ins Dachzelt. Da wir noch eine Extradecke hatten in die Matze sich einwickelte während Mama und ich in den Schlafsack schlüpften, fror Niemand. Diesmal kam Mama morgens mit zum Sonnenaufgangsspaziergang, der Strand war noch menschenleer. Dafür gab es zahlreiche Muscheln und andere angespülte Naturschätze, die wir bewundern konnten. Als wir wiederkamen, gab es Kaffee vom Campingkocher- das erste Mal das Mama den im Einsatz sah. Als nächstes hielten wir in Townsville, wo Matze und ich eine Brauerei besuchten, während Mama sich einen Kaffee organisierte, auf Bier hatte sie keine Lust. Ich glaube, der Kurzausflug allein hat ihr gut getan, sie kam guter Dinge und voll Tatendrang zurück. Wir machten uns auf, den Castle Hill zu erklimmen, dort sahen wir uns bei einem netten Gipfelerfrischungsgetränk den Sonnuntergang an. Am nächsten Tag fuhren wir entlang zahlreicher Zuckerrohrfelder weiter, besucht den Ort mit dem berüchtogten "Pub ohne Bier" und gingen durch die Typo Feuchtgebiete spazieren, wo es neben zahlreichen

Seerosen, Schildkröten und Wallabies wohl auch Krokodile gab, auf eine kürzliche Sichtung wies ein Hinweisschild hin. Im Norden von Cairns bezogen wir ein sehr großes AirBnb mit tollem Blick ins Hochland und auf das Meer. Eine Schnorcheltour hatten wir nicht gebucht, Mama wollte ohne etwas Vorbereitung nach dem ersten etwas misslungenem Versuch nicht mit dem Kopf unter Wasser. Stattdessen besuchten wir Kuranda und machten dort eine kleine Bootstour, bei der wir ein Frischwasserkrokodil zu Gesicht bekamen. Es sah so niedlich aus im Vergleich zu dem Salzwasserkrokodil beim Daintree. Eine Miniaturvariante davon, mit schmalerer Schnauze sonnte sich hier auf einem Stein neben dem Barron River. Wir waren mit dem Bus hochgefahren nach Kuranda, sodass wir nun zurück ins Tal wandern konnten. Wir hielten an der Aussichtsplattform der Barron Falls und kühlten uns in

einem Flusslauf ab. Die Wanderstrecke, von der ich erwartet hatte dass sie graduell fällt, ging zunächst auch immer wieder bergauf, bis sie dann- zum Leidwesen von Matzes muckerndem Knie- extrem steil abfiel. Wir kamen in der Dämmerung zurück zur Unterkunft, kochten und schauten einen Film. An Mamas letztem Morgen in Australien machten wir zusammen Yoga auf der Wiese im Garten, der graue Rauhaardackel unserer Gastgeber sah uns interessiert dabei zu. Wir fuhren runter an den Holloways Beach und gingen dort eine Runde spazieren, später fuhren wir noch einmal anch Cairns rein, wo wir beim Botanischen Garten picknickten und ich mit meiner Mama in eine Ausstellung ging. Wir tranken ein Abschiedsbier in der Bar eines Hostels, Mama wurde zunehmend nervös. Mit knapp 3 Stunden bis Abflug waren wir dann eher an dem sehr kleinen Flughafen, als nötig gewesen wäre, ich wartete noch bis Mama eigecheckt htte und alles geklärt war, Der Abschied fiel schwer, aber sicher nicht so sehr wie beim letzten Mal, es stand ja bereits fest dass wir Ende August nach Deutschland kommen würden. Trotzdem, als wir dann zu zweit im Auto saßen, fühlte ich mich leer und hatte zunächst keine Lust auf irgendwas, dabei hatten wir uns ja bereits geeinigt, zu einem Buschparty- Wochenende hoch in die Atherton Tablelands zu fahren. Wir gingen einkaufen und während ich fuhre, beruhigte ich mich wieder, die Melancholie schwand. Wir kamen erst nach Einbruch der Dunkelheit am Veranstaltungsort an. Wie gewöhnlich gingen wir den ersten Festivalabend erstmal langsam an, bauten auf, machten uns mit unseren unmittelbaren Nachbarn und der Umgebung vertraut ubd kochten schließlich sogar noch. Mitch, ein etwas schräger aber dafür umso netter Vogel aus einem kleinen Ort im Norden der Tablelands war allein da und hatte sich sogar sein Festivalkostüm in der Form eines Pilzes selbst gechneidert. In der Toilettenschlange lernten wir gleich noch zwei Briten kennen und nicht ein, nei gleich zwei Deutsche, die unabhängig

voneinander angereist waren. Mit ihr verstanden wir uns von Anfang an besonders gut, sie hieß Katja und war bereits seit fast 15 Jahren hier. Sie hatte sich in einen Australier verliebt und war nach 2 Jahren etwas ungeplant schwanger geworden, die Beziehung lief zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr allzu gut und so gab es bald darauf die Trennung. Nun war der Kleine bereits 11 und Katja hatte seit mehreren Jahren einen neuen australischen Partner. Am nächsten Morgen hielten wir nach ihrem temporären Wohnort Ausschau, trotz guter Beschreibung wurden wir zunächst nicht fündig. Vorher hatten wir bereits eine sehr schöne Runde Yoga mitgemacht und fühlten uns bereit zum Zappeln. Es gab auch ein tolles Kunstzelt mit sehr farbenfrohen und teilweise verstörenden Gemälden lokaler Künstler. Gegen Nachmittag machten wir gerade eine Pause am Rande der Tanzfläche, als

wir Katja sichteten. Sie stellte uns ihren Freund Aiden und dessen Truppe vor, sie hatten eine ganz spezielle Vorrichtung, um kühle Getränke bei der Tanzfläche zu haben und dorthin zu transportieren: eine motorisierte Kühlbox (Esky). Den hatte Aiden selbst gebaut, damit war er natürlich ein absoluter Hingucker. Katja tellte uns dann noch einen weiteren Deutschen vor: Andre, der bereits 20 seiner über 40 Lebensjahre in Australien verbracht hatte und den irgendwie Alle zu kennen schienen. Das lag sicher auch daran, dass er sehr häufig bei den lokalen Events half, sowohl beim Organisieren als auch vor Ort. Er gehört zu den Menschen,

die man sofort als weise und als einen Fels in der Brandung für alle "Ertrinkenden" erkennt. Wir verstanden uns auf Anhieb gut und tanzten noch eine ganze Weile, mal in der Nähe von Katja, mal bei Andre. Am nächsten Morgen tranken wir Kaffee mit unserem Zeltnachbar Mitch und hatten sehr tiefgründige Gespräche. Später tanzten wir wieder mit Katja, ich durfte den Esky zur Tanzfläche fahren. Natürlich feierten mich Alle und ein paar Leute wollten auch gleich mit aufspringen, ist echt nicht gebaut dafür aber für ein paar abenteuerliche Meter klappte es. Am frühen Nachmittag packten wir alles zusammen, tauschten Kontaktdaten mit Katja und Andre aus und machten los, Mitch hatte uns von natürlichen Quellen in einem kleinen Ort in der Gegend erzählt, in denen man sich aalen konnte. Wir wollten das gern austesten und waren echt erstaunt, wie heiß das Wasser zum Teil unterirdisch aus dem Boden hochkam. In einigen der ausgebuddelten Pools konnte man sich beim besten Willen nicht hineinlegen, wir fanden aber das für uns passende Areal. Nach so viel Faulenzen fiel es mir wirklich schwer, mich wieder ins Auto zu setzen, aber Matze hatte einen freien Ort zum Campen gefunden und es gab eine Querfeldeinroute dorthin, die etwas Entfernung sparte. Einige Stellen hätten nicht nasser sein dürfen, sonst wären wir stecken geblieben. Als es dann dämmerte, rannten zahlreiche Wallabies herum und ich fühlte mich unendlich erleichtert, als wir endlich im kleinen Ort... ankamen, wo wir unser Nachtlager aufschlagen konnten. Leider wachte ich am nächsten Morgen nicht erholt, sondern mit fies dicken roten Beulen an Armen und Beinen auf. Vielleicht eine allergische Reaktion auf das Wasser? Ich

veruchte, ruhig zu bleiben, laut Google schien es so, als habe ich tatsächlich keinen spontan auftretenden Hautkrebs sondern eben nur eine Art Ausschlag von reizender Substanz XY. Trotzdem ich mich ziemlich gerädert fühlte, wollte ich gern eine Runde durch den

Ort drehen, es gab zahlreiche alte Mienenüberbleibsel und rostige Autos sowie ein kleines Hausmuseum. Am Nachmittag schauten wir auf dem Weg nach Norden bei der.... Distillerie vorbei, wo ich vermutlich den rauchigsten Gin probieren konnte, den es gibt. Man hatte das Gefühl, frischen Buschfeuerdunst über die Geschmacksknospen zu inhalieren. Gegen 18 Uhr kamen wir bei Mitch in Julatten, er hatte uns zu sich eingeladen. Wir bauten unser Zelt im Garten auf und kochten Abendessen, dann saßen wir noch eine Weile ums Lagerfeuer. Außer Mitch war nur sein etwas tollpatschiger Labrador da, die Eltern waren ein paar Tage verreist. Am nächsten Morgen tranken wir auf der Terrasse Kaffee, der Nebel um die angrenzenden Hügel lichtete sich nur langsam. Matze und ich brachen zu einer kleinen Wanderung zu einem Wasserfall auf, die Mitch uns vorgeschlagen hatte, er selbst hatte schon eine Verabredung. Später brachen wir auf zu unserer Tour nach Cape York, die Schulferien begannen gerade erst und wir hofften, noch genügend dorthin

fahrenden Urlaubern 1 bis 2 Tage Vorraus zu sein. Wir passierten Laura, was der Anfang vom Ende der Zivilisation auf der Peninsula ist und wo jedes Jahr ein tolles Aboriginal-Tanzfest stattfindet, wie es zu Zeiten vor der Besiedlung durch die Europäer bereits schon zelebriert wurde. Es war auf einmal ziemlich warm im T Shirt. Dass Mitch uns noch an dem Nachmittag anrief und meinte, er habe sich Corona zugezogen, gab uns schon etwas zu denken, allerdings würden wir die nächsten Tage ohnehin im Busch verbringen und so weniger ein Risiko sein als wenn wir nach Cairns zurückkehren. Außerdem hatten sich die Regeln gelockert, wir mussten nicht automatisch in Quarantäne. Am Nachmittag passierten wir einen Pub mit Campingplatz, früher gab es an dem Ort eine Rinderfarm. Ein Emu spazierte über den Parkplatz und guckte uns nur kurz prüfend an, dann merkte es dass wir keine heimlichen Wildtierfütterer waren und verlor schlagartig das Interesse. Die seit Laura zu Großteilen unbefestigte Straße fuhr sich mal ganz ok, mal wurde man so sehr auf dem Sitz auf und ab geschleudert, dass ich sowohl die Stoßdämpfer unserer Gertrude als auch meine schon vorbelastete Wirbelsäule zutiefst bemitleidete. Wir übernachteten bei Coen am Flussufer, es gab hier auch keine Krokodile, also sprangen wir sofort ins kühle Nass. Kaum zu glauben, dass wir vor wenigen Tagen in Cairns sogar tagsüber immer mal gefröstelt hatten, hier fühlte es sich plötzlich an wie Sommer. Am kommenden Tag setzten wir unsere Reise gen Norden fort, liefen eine Runde entlang termitengezeichneter Eucalypten und massiven Termitenbauten. Unser nächster Übernachtungsort fühlte sich sehr idyllisch und abgelegen an, leider fing es nachts an zu regnen und hörte fast den gesamten nächsten Tag nicht auf. Wir fuhren trotzdem runter zum Strand, der von bedenklich windschiefen Palmen voller Kokosnüsse gesäumt war. Wir fanden einige in guter Größe zum Mitnehmen. Was mich störte, war der viele angespülte Plastikmüll am Strand, hier gab es so viel Natur und so viele Tiere. Auch in der zweiten Nacht regnete es weiter, wir waren froh unser Vordach zu haben, welches trotz einiger kleiner Löcher noch gut durchhielt. Als wir Bramwell Junction erreichten, den Ort an dem sich der Weg in die etwas normalautofreundliche Strecke und den kürzeren aber sehr abenteuerlichen Old Telegraph Track teilt. Eigentlich hatten uns bereits einige Leute, mit denen wir unterwegs ins Gespräch gekommen waren, von ebendiesem Track abgeraten, doch gerade Matze war natürlich neugierig. Wir einigten uns darauf, erstmal einzufahren und gegebenenfalls über eine der Seitenwege auf die Angsthasenroute auszuweichen. Gesagt getan, wir überwanden die ersten schrägen und holprigen Stücke mit tiefen Furchen im Boden gut und ich spürte schon große Euphorie, dann standen wir vor dem Problem der ersten Flussquerung. Es ging eine rutschige Böschung hinunter und einen nicht weniger steilen Pfad auf der anderen Seite wieder hinaus. Mich packten Zweifel, ich hielt mich jedoch gut fest und ließ Matze machen, zumindest gab es vor uns noch andere Menschen, die uns im Notfall aus dem Schlamm ziehen könnten. Zugegeben hatte ich insgeheim gehofft, dass es dann besser oder zumindest nicht gleich noch schlimmer werden würde, aber die Querungen forderten Menschen und Autos immer und immer mehr. Ich muss sagen, dass uns bis zum ersten Übernachtungsort nur einmal Jemand das letzte Stück den Hang hochziehen musste, begeistert mich heute noch. Unser Auto hat an dem Tag Kunststücke vollführt, die man ihm mit seinen 2,8 Tonnen nun wirklich nicht zutrauen würde. Nach dem Aufbau unseres Nachtlagers unterhielten wir uns mit unseren Nachbarn, einer Truppe Australier in ihren Zwanzigern, von denen einige die Strecke schon zum zweiten Mal fuhren. Sie machten uns Mut, dass unsere alte Lady es schaffen konnte. Als wir am nächsten Tag mit ihnen weiterfuhren musste ich bemerken, dass zumindest zwei der Kerle noch wesentlich wagemutiger mit ihren Autos waren, als Matze mit unserem. Das schlimmste Stück der ehemaligen Telegraphmastenstrecke stand uns noch bevor: Der berüchtigte “Gunshot”, wo die Seitenwände des Flussbettes so steil und tief waren, dass sich dort immer wieder Leute mit ihren Autos überschlagen. Neben dem schlimmsten Fall in der Mitte gab es nach rechts hin eine Strecke, die weniger gefährlich aussah, man musste allerdings einen recht tiefen Teil des Flusses passieren. Ohne Schnorchel, der den Motor vorm Ertrinken bewahren konnte, war uns das zu heikel. Wir nahmen also die dritte und letzte Option, die Route links herum. Sie war auch recht steil und am Fuß des Abhangs begann eine Matschlandschaft, die allzu einladend zum Feststecken aussah. Die beiden Wahnsinnigen aus unserer Gruppe wagten die schlimmste der drei Optionen, interessiert beobachtet von zahlreichen Schaulustigen, die auf der anderen Seite des Flussbettes campten. Ich habe selten so viele Allradfanatiker auf einem Haufen gesehen. Wir schafften es runter zum Fluss, mussten dann aber noch eine Weile warten, um uns am Erklimmen des Hanges versuchen zu können, weil dort Jemand mit seinem Campinganhänger an einem toten Baum hängen geblieben war. Jodie sah sich das schlammige Stück rechts an, komplett matschig und zerfahren, nahm dann eine Schaufel und begann, die “Fahrbahn” zu begradigen. Ein Auto aus unserer Truppe hatte sich dann hochgekämpft, wir waren an der Reihe. Ich stand unten und filmte, Matze ließ sich von Jodie dirigieren. Der rechte Reifen würde bei kleinsten Fehlern in eine recht tiefe Matschmulde gleiten und damit der linke vermutlich abheben. Ich hatte Matze noch zugerufen, er solle das Fenster hochkurbeln, doch er war zu fokussiert. An der besonders kritischen Stelle lenkte er dann leider ein wenig zu viel hin und her, er schien Jodies Navigationshinweisen nicht so ganz zu trauen. Plötzlich sackte das Auto mit dem Reifen rechts ein und das Auto mitsamt Fahrer kippte und blieb dann im 45 Grad Winkel in einem skuril wirkenden Balanceakt hängen. Alle Zuschauer “oohten” laut, Matze streckte im Affekt den Arm aus dem Fenster, ich ließ vor Schreck die Kamera mit dem immer noch laufenden Video sinken. Ich stellte mich auf Schlimmes ein, doch schon hatten Jodie und zwei andere Jungs das Auto angeschubst und es fiel scheinbar federleicht zurück auf seine vier Räder. Matze setzte ein Stück zurück und natürlich gab er sich nicht geschlagen, sondern setzte zu einem neuen Versuch an. Diesmal schaffte er ein ganzes Stück des Hanges, dann drehten die Reifen durch und Gertrude wurde die letzten paar Meter von der Winde eines anderen Autos hochgezogen. Wir trennten uns von Jodies Truppe, die hier noch zwei Nächte Campen und sich das Scheitern und Gelingen der anderen Allradverrückten ansehen wollten. Für meinen Geschmack war es zu viel Lärm und zu viele Abgase, Matze sah das ähnlich obwohl er vermutlich schon gern noch ein wenig zugeschaut hätte. Wir fanden einen Platz zum Campen in einer kleinen Nische, die Bäume schützten uns vor dem Staub der breiten Umgehungsstraße, die hier wieder auf den Track traf. Wir beschlossen, von unserem Auto aus bis zu den Fruitbat Falls zu laufen, es war nicht weit und die Luft kühlte sich auch langsam ab. Da man nicht bei den Wasserfällen campen durfte, waren fast alle anderen Menschen schon weggefahren, um sich auf die Suche nach einem Platz zum Schlafen zu begeben. Das Wasser sah fantastisch grün-türkis aus und die rötlich durchschimmernden Sandsteinplatten waren kein bisschen glatt, sodass man die nicht allzu hohen Fälle sogar problemlos hochklettern konnte. Entlang der Uferböschung wuchsen Venusfliegenfallen, ich hatte noch nie welche außerhalb von Gewächshäusern gesehen und war absolut fasziniert. Am nächsten Tag setzten wir mit der abenteuerlich wirkenden Fähre über den Jardine Fluss. Es war die einzige Möglichkeit, auf den nördlichsten Zipfel der Peninsula zu kommen, ohne einen allradfähigen Laster zu besitzen, mit dem man durch den über 1,5 Meter tiefen Fluss fahren könnte. Wir hatten Glück und fanden den sehr hübschen Strand bei Mutee Heads, wo man auch campen durfte, fast verlassen vor. Die Angler, die ihr Picknick genossen, machten sich bald auf die Heimfahrt und dann besetzten wir den netten windgeschützten Fleck zwischen einigen Bäumen und blieben auch die einzigen Camper. Immer wieder hörte man das Mahlen von Pferdegebissen aus dem Unterholz, es gab einige auf der Peninsula, weil sie, abgelöst vom Einzug der Autos, freigelassen worden waren und keinen Grund sahen, durch den krokodilverseuchten Fluss nach Süden zu ziehen. Die meisten waren scheu, doch eines ließ sich sogar von mir streicheln. Die Temperaturen hielten sich hartnäckig über der 30 Grad Marke und wir kühlten uns in einigen durch die Flut entstandenen Pools ab, schwimmen im Meer wäre ein mit recht hoher Wahrscheinlichkeit tödliches Vergnügen gewesen. Als wir zwei Tage später am nördlichsten Punkt des australischen Festlandes standen, von wo aus es nur 150 Kilometer Luftlinie bis zu einer bereits zu Papua-Neuguinea gehörenden Insel sind. Bis vor 10.000 Jahren bestand noch eine Landverbindung zwischen beiden Kontinenten. Das erklärt auch, warum das Meer an den meisten Stellen nur 50-80 Meter tief ist. Vom Hügel am Kap hat man eine wahnsinnig tolle Aussicht auf die türkisblaue Bucht Richtung Westen, mit etwas Glück kann man Haie durchs Wasser streifen sehen, so klar und flach ist es. Bis vor einigen Jahren gab es in Laufweite zu diesem Ort eine 1986 erbaute Hotelanlage mit eigenem Pool, Bar und verschiedenen Bungalows. 1992 wurde es an die lokale Aboriginalbehörde verkauft, 2002 erfolgte eine Schließung zwecks geplanten Umbaus, der jedoch nie stattfand. Die Anlage wurde sich selbst überlassen und wirkte nun ein wenig gespenstisch, übersät von Ranken, Spinnennetzen und zerbröselnden Bauteilen. Zurück auf dem Weg nach Süden trafen wir Jodie und seine Truppe wieder, sie waren bis zur Fähre auf dem Old Telegraph Track gefahren und hatten in Nolans Brook eines der Autos ertränkt, ein anderes wies nun auch einige größere Mängel auf. Oh je, gut dass wir uns abgeseilt hatten. Nach einer Nacht in Weipa, der größten Stadt der ganzen Region mit dem einzigen größeren Supermarkt, verließen wir Cape York. Unterwegs trafen wir Dan, einen Australier der mit seiner Familie in einem großen Isuzu Truck unterwegs war. Wir verbrachten einen netten Abend am Lagerfeuer neben einem krokodilfrei wirkenden Flussufer. Weil unser Benzintank irgendwo ein Leck hatte und Matze mal wieder etwas Zeit und Liebe in unsere Gertrude investieren musste, blieben wir ein paar Tage in Cooktown. Über eine Backpackerseite hatte ich Kontakt mit der Schweizerin Rene aufgenommen, die dort mit ihren 3 Pferden und 2 Hunden wohnte. Sie hatte zwar kein Schlafzimmer für uns, aber dafür konnten wir unser Dachzelt bei ihr aufspannen und uns entspannen, sie verlangte keine Gegenleistung. Gern teilte sie ihren Lieblingssekt mit uns und lud mich auf eine Reittour ein. Dass sie mir ihre sehr temperamentvolle Araberstute Rosie anvertraute, freute mich sehr, auch wenn ich einmal wirklich gut zu tun hatte, im Sattel zu bleiben. Rosie beschloss spontan, die Kühe, die sie bereits mehrere Male bei Ausritten gesehen hatte, seien doch sehr suspekt. Rene war eine gute Seele mit viel Temperament und einigen Macken, zu denen einige Verschwörungstheorien zählten. So ziemlich alle der verarbeiteten Lebensmittel, die wir dabei hatten, erklärte sie für krebserregend aufgrund einiger chemischer Inhaltsstoffe. Sie betreute Leute mit psychischen Problemen und nahm Gerald, einen sehr schüchternen Aboriginaljugendlichen, zu einigen unserer Aktivitäten mit. Wir besuchten eine der etwas einfacheren Absteigen und duellierten uns beim Billard mit den örtlichen Schnapsdrosseln, tanzten bei einem Konzert eines lokalen Musikerduos und lernten viele von Renes Freunden kennen. Außerdem bestaunten wir die gigantischen Zackenbarsche, im Englischen Groper genannt, die von einem Mitarbeiter eines lokalen Fischrestaurants einmal in der Woche per Hand gefüttert werden. Sie werden bis zu 1,7 Metern lang und können phänomenale 70 Jahre alt werden. Zurück in Cairns durften wir bei Andre übernachten, dem Deutschen, den wir auf der Buschparty vor einigen Wochen kennengelernt hatten. Er wohnte in einem wunderschönen zweistöckigen Haus direkt an Machans Beach und weil er gerade keinen Mitbewohner hatte, konnten wir ein Schlafzimmer im Obergeschoss beziehen. Abends scharten sich zahlreiche seiner Freunde um den großen Esstisch und es gab ein tolles Buffet. Nach so vielen sozialen Aktivitäten verbrachte ich den nächsten Morgen entspannt und ruhig: Mit einem guten Buch und frisch gemahlenem Kaffee auf der an unser Zimmer angrenzenden Terrasse in der Hängematte. Nachmittags beschäftigte ich mich dann mit Andres Garten, der etwas Liebe gut gebrauchen konnte. Mit Hacke und Rechen bewaffnet stürzte ich mich auf Unkraut und Laub, verbrannte vieles davon. Matze reparierte notdürftig Andres leckenden Radiator, damit dieser es wenigstens zur Party in Kuranda, bei der er mitwirkte, und wieder zurück schaffte. Weil Andre dann wegfuhr, konnten wir zu Katja umziehen, die ihn uns vorgestellt hatte und am Nachbarstrand wohnte. Wir lernten ihren 11 jährigen Sohn Finnley kennen, ein sehr lieber aber etwas schüchterner Junge. Wir brachten ihm eines unserer Lieblingskartenspiele bei und ich hätte noch tagelang mit dem Kater Cookie gemütlich auf dem Sofa sitzen können, aber es war nun Zeit für uns, mal die Heimat zu besuchen. Wir hatten bereits über eine Facebookgruppe Kontakt zu einer Deutschen aufgenommen, die unser Auto bei sich unterstellen konnte- Katja würde demnächst mit ihrer Familie umziehen und da wäre unser Auto doch eine recht große Zusatzlast, auch weil es dann auf der Straße stehen würde. Nach einem Kennenlernen mit Sarah hatten wir ein gutes Gefühl, dass wir ihr trauen konnten. Wir hatten unsere Gertrude bereits in der Waschanlage auf Hochglanz poliert und bei Katja abgegeben, als ich eine Mail von unserer Airline, Jetstar, bekam. Der Flug wurde storniert, man habe uns kostenfrei- oha wie großzügig- auf den nächsten Flug 24 Stunden später umgebucht. Ich war mit den Nerven am Ende, unser Anschlussflug ab Denpasar ging 16 Stunden nach unserer eigentlich geplanten Ankunft und so wäre eine Verspätung absolut kein Problem gewesen, mit so einer Aktion hatte ich jedoch nicht gerechnet. Nach einigen erfolglosen Kontaktversuchen zu Jetstar musste ich dann in den sauren Apfel beißen und unseren Anschlussflug erneut buchen, solange der noch nicht gestartet war, bekam ich zumindest einen Teil des Geldes verrechnet. An die 200 Dollar hatten wir nun trotzdem eingebüßt. Bei jeder europäischen Airline hätten wir Ansprüche geltend machen können, von Jetstar bekamen wir nur einen Essensgutschein für 30 Dollar pro Kopf und ein Hotelzimmer für 80. Letzteres konnten wir nicht einmal einlösen, da durch irgendeine Veranstaltung sämtliche Hotels und sogar Campingplätze ausgebucht waren. Recht gedrückt kehrten wir also nach einem indischen Essen zu Katja und Co zurück. Den ganzen nächsten Tag saß ich wie auf glühenden Kohlen, immer damit rechnend, noch so eine desaströse Mail zu bekommen. Erst als wir unser Gepäck eingecheckt hatten und unser Flugstatus immer noch unverändert war, entspannte ich mich allmählich.

Tubag

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