Publicat: 04.03.2022
Ich wache am Morgen etwas früher auf und habe Zeit die nächsten Tage ein wenig zu planen. Ich bin immer circa zwei Tage voraus. Natürlich habe ich grob überlegt, wo ich hin will, aber spontane Entscheidungen waren meistens gut und diese Freiheit lasse ich mir. Zu dieser Jahreszeit braucht man auch keine Angst haben, ein Quartier nicht zu bekommen. Ich kann mich nur an eine Begebenheit in Neufundland erinnern, als ich mal 60 km weiter fahren musste um ein neues Quartier zu suchen. Hier ist es nicht nötig.
Das Frühstück wird durch ein paar Kinder gestört, die den Frühstücksraum in einen Spielplatz umwandeln. Seit wann haben die hier keine Schule? Na vielleicht ist sie ja wegen COVID zu. Durch das Fenster sehe ich einen Arbeiter im Blaumann und mit Cowboystiefeln. Sowas gibt es bestimmt auch nur in Texas. Es scheint wieder ein sehr sonniger Tag zu werden, und die Temperaturen sind jetzt nachts auch nicht mehr so niedrig. D.h. schon vormittags wird es gut warm.
Nach dem Frühstück lasse ich mir Zeit und ordne meine Sachen ein wenig. Es ist schon erstaunlich wie schnell man mit wenig Dingen trotzdem Unordnung reinbringen kann. Das System den großen Koffer dauerhaft im Auto zu lassen und den kleinen immer umzupacken bewährt sich nur, wenn man immer rechtzeitig darüber nachdenkt, was man braucht. So bin ich aber leider nicht. Und deswegen muss das Chaos ein wenig beseitigt werden.
Ich fahre um 10:00 Uhr gemütlich los und schleiche wieder über die alte Route 66, die wieder parallel zur Interstate 40 läuft. Nach einer guten halben Stunde komme ich in Vega an. Das kleine texanische Nest ist gut hergerichtet, kein Vergleich zu Erick gestern. Wenn ich fotografiere, grüßen mich oft Leute aus den Autos die vorbeifahren. Finde ich eigentlich sehr freundlich. Und gibt es bei uns glaube ich nicht.
Nach nicht mal 15 Minuten komme ich bei Midpoint an, im noch kleineren Nest Adrian gelegen. Adrian wäre glaube ich völlig bedeutungslos gebe es diesen Punkt nicht. Hier sind es genauso 1139 Meilen nach Chicago wie ist 1139 Meilen nach Los Angeles sind. Man ist sozusagen auf der Hälfte der Strecke angekommen. Und das ist in Amerika eine Tafel wert, eine Tankstelle und ein Café. Und natürlich Souveniers. Beim Fotografieren der Tafel treffe ich zwei ältere Biker. Ich denke sie sind auf große Tour, aber sie sind nur aus Amarillo rüber gekommen. Und fahren auch wieder zurück. Da war er hin der Traum von Peter Fonda und Easy Rider. Ein Winz-Ausflug stattdessen.
Die Pie im Café wird in meinem Buch besonders gelobt. Also bestelle ich eine: Kokos Sahne Und genieße sie draußen in der Sonne. Die nette ältere Dame meint, ich soll nur bitte den Teller wiederbringen. Ich sage ihr, dass ich nicht nur das tue, sondern auch bezahle. An Tankstellen muss man ja immer vorher bezahlen. Aber hier sind sie wohl gelassen.
Die Pie ist wie alles in den USA zu groß. Aber sie ist wirklich total lecker. Also esse ich brav auf und bringe den Teller zurück und zahle. Und dann verlasse ich auch diesen skurrilen Ort, Der als einziges Merkmal hat, dass er in der Mitte liegt.
Ich wechsele jetzt wieder auf die interstate und fahre ein wenig schneller, um dann einen kleinen Abstecher zu einem State Park zu machen. Inzwischen bin ich wieder in Mexiko angekommen, und die Landschaft ist so gleich eine andere. Die Felder sind vorbei, es gibt allerhöchstens noch Rinder auf der spärlich bewachsen Fläche. Ansonsten sieht es schon wieder wie eine Wüste aus. Als ich an einer Eisenbahnbrücke ankomme und diese fotografieren will, ärgert mich wieder mein iPhone. Das dumme Ding wärmt sich im Auto immer so arg auf, dass es den Bildschirm auf Dunkel schaltet. Warum das so ist keine Ahnung, jedenfalls im Netz schreiben Sie, dass das richtig doof ist. Der Meinung bin ich aber auch. ich beschließe, es jetzt nicht mehr so lange auf dem Ständer zu lassen sondern in eine kühlere Ablage zu legen. Dank Apple CarPlay brauche ich ja den Bildschirm nicht.
Der State Park ist nichts besonderes und ich verziehe mich gleich wieder. Danach geht es wieder über Land nach Tucumcari. Die Stadt ist deswegen berühmt, weil sie ganz viele Original Route 66 Motels beherbergt. Natürlich sind sie inzwischen modernisiert, aber das Dekor ist noch ziemlich gut erhalten. Meistens haben sie ein altes Auto vor der Tür stehen. Der Stadt wurde mal nach gesagt, dass es 2000 Betten hier gibt. Das scheint wohl aber nicht zu stimmen. Jedenfalls jetzt kann ich mir das nicht mehr vorstellen.
Mein Reiseführer empfiehlt ein Bar-B-Q ganz dringend, und obwohl ich immer noch einigermaßen gesättigt durch die Pie bin, will ich mir das nicht entgehen lassen. Der kleine Joint ist eine Mischung aus Tante-Emma-Laden, Souvenirshop und Bar-B-Q-Restaurant. Ich frage in die nette alte Dame, was ich haben kann, wenn ich nicht so viel Hunger habe aber Brisket essen möchte. Sie empfiehlt mir 1/4 Pfund und eine Beilage. Ich entscheide mich für Mac and Cheese. Zusammen mit einem Cookie kostet das ganze 7,68 $. Und ist mit das beste was ich hier je gegessen habe.
Während ich esse, holen ganz schön viele Leute eine Portion zum nach Hause nehmen ab. Der Laden scheint wirklich gut zu laufen. Aber auch kein Wunder, das ist ja schon ziemlich günstig wenn ich das mit den bisherigen Preisen hier vergleiche. Wenn ich hier wohnen würde, wäre ich hier Dauerkunde. Das ist man sicher.
Den Rest der Strecke nach Santa Rosa, wo mein Motel liegt, fahre ich wieder auf der Interstate. Auf den Landstraßen hätte mich das eineinhalb Stunden mehr Zeit gekostet. Santa Rosa ist ein kleiner Ort, und hat dementsprechend nicht so viel zu bieten. Es soll einen guten Mexikaner hier geben, aber auf den habe ich insofern keine Lust, weil ich wirklich satt bin. Das Wahrzeichen des Ortes ist the Blue Hole, ein 25 m tiefes Wasserloch, mit kristallklarem Inhalt, welches oft vom Tauchern benutzt wird. Heute ist mal keiner da, und auch sonst bin ich nach 10 Minuten der einzige der hier zu Gast ist. In meinem schlauen Buch steht, dass der Parkplatz 10 Dollar kostet. Also ich habe nichts bezahlt. Kann natürlich sein, dass sich das im Sommer ändert.
Mein Hotel ist wieder von der Sorte „ich parke vor der Tür“. Das ist schon sehr praktisch. Das Zimmer ist nicht so luxuriös und ordentlich, aber sauber. Die indische Dame an der Rezeption ist überaus freundlich und wünscht mir um 17 Uhr gute Nacht. Als ihr Telefon klingelt, ist der Handyton das Glockengeläut von Big Ben. Ich lächle und sage Big Ben. Sie guckt mich völlig verdutzt an. Ich sage Big Ben in London. Sie schüttelt ratlos den Kopf. Ich gebe auf. Wen interessiert schon irgendeine Glocke in England.