Publicat: 05.06.2023
„Es ist eine gefährliche Sache [...] aus deiner Tür hinauszugehen. Du betrittst die Straße, und wenn du nicht auf deine Füße aufpasst, kann man nicht wissen, wohin sie dich tragen.“ (Bilbo Beutlin)
Seit nunmehr vollen sechs Monaten und vier Tagen bin ich an diesem Ort und jetzt heißt es Abschied nehmen und in mein bisher größtes Abenteuer aufzubrechen. Aber der Reihe nach.
Die Arbeitswoche war recht entspannt. Ich habe den Großteil alleine gearbeitet, da Jenny meistens für die Workshopteilnehmer*innen gekocht oder sie zum Flughafen gefahren hat. Am Montag musste ich zu einem „Nachbarn“ fahren, um Holzspäne abzuholen. Wir haben sie kostenlos bekommen ....unter der Bedingung, dass sie selbstständig aufgeladen wird. War ein gutes Schultertraining.😅Weiterhin haben wir gelbe Plastikplatten von unten an den Fußboden befestigt. Da ich es Jenny nicht antun wollte, die engsten Stellen zu befestigten, habe ich es an einem Tag gemacht. Es hat ewig gedauert und es ist gut, dass ich keine Platzangst hatte. Ich konnte nicht einmal einen richtig tiefen Atemzug nehmen, da mein Brustkorb sonst zu stark gegen die „Decke“ gedrückt hat. Nur einmal war mir etwas mulmig, als ich meinen Kopf drehen wollte, um zu sehen, wo ich lang robben kann, dies jedoch nicht möglich war und ich etwas feststeckte. Irgendwann war ich dann aber draußen. 😁 Auch richtig geil, wenn sich unter der Folie, die auf dem Gras liegt, Steine befinden und man jedoch über die robben muss, da es keine andere Möglichkeit gibt. Sonst hat Jenny das Dach am Freitag fertiggestellt. Jetzt muss es nur noch mit der Folie und Metallplatten abgedeckt werden. Zumindest ist es schon mal wasserdicht! Am Donnerstag hatte ich das Glück, dass ich eine Elchkuh oder einen jungen Elch, ich konnte es nicht genau erkennen, auf der anderen Seite des Sees gesehen habe. Zuerst dachte ich, dass eine Kuh vom Farmer vergessen wurde. Das passiert manchmal und dann sieht man auf diesen riesigen Weiden (bin letzten an einer vorbeigefahren, die allein fast drei Kilometer lang und mindestens genau so breit war) eine einzelne Kuh alleine stehen. 😅🐮 War cool, das Tier so zu beobachten, bevor es in den Wald verschwunden ist.
Und dann kamen wir zum Freitag. Das war der erste Tag, wo ich fast vollständig mit Jenny zusammengearbeitet habe. Ich sag mal so ... die ersten Stunden am Morgen sind die schlimmsten. 😂 Dann wurde es später und später. Ich sollte mein Dachprojekt beenden, doch dann war es 16 Uhr und für mich war Feierabend. Feierabend für eine lange Zeit, denn das war mein offiziell letzter Arbeitstag.
Es klingt vielleicht ein bisschen negativ behaftet, aber ich habe mich so so unfassbar gefreut und ich war auch dermaßen erleichtert. Ich konnte es nicht fassen. Nun hatte die Arbeit hier ein Ende. Ich habe hier gefühlt bei der Errichtung einer für Jenny erbauten Kathedrale geholfen. 😂 Ich habe so gut wie fast jedes Holzstück, welches in dem von mir mit geholfenem Bereich geschnitten. Eigentlich hätte ich das mal zählen sollen. Ich habe unter diesem Link eine *hust hust* etwas ausführlichere Hausführung (15 Minuten 😅). Dort zeige ich dir einmal, wobei ich mitgeholfen habe. Leider habe ich das Handy die ganze Zeit hochkant gehalten, also ein richtiger Profi. 😅
https://www.youtube.com/watch?v=ho-eF05rTNo
Am Freitag ist dann auch noch Glenn oder Len (ich weiß es nicht ) angereist. Er ist ein Mitarbeiter von David & Jenny. Er gibt zum Beispiel Bartkauz-Workshops im Osten von Kanada, sodass David nicht hinreisen muss. Er wird hier jetzt für ca. zwei Wochen leben, da Jenny und David einen kleinen Roadtrip in den Norden von B.C. machen werden.
Am Samstag bin ich noch einmal in die Stadt gefahren und habe dabei wieder einen Schwarzbären gefühlt direkt vor unserer Haustür auf der Straße sitzen und dann wegrennen gesehen. Es ist faszinierend, wie schnell solch massive Tiere im Wald unsichtbar werden. Schlimm ist dann nur das Gefühl, dass der Bär nur ein kleines Stück in den Wald hineinrennt und dich dann beobachtet und du ihn aber nicht sehen kannst. Das ist immer etwas komisch. 😅🐻 Mit Bier, Chips und anderen Sachen, ging es wieder zurück, um die geladenen Gäste Peter und Jordan zu begrüßen. Ich habe sie zu einem Abschiedsabend eingeladen. Ich habe leider das hohe Alter vergessen, sodass sowohl das Bier als auch die Chips fast unberührt blieben und nach zwei Stunden Schluss war. Leider habe ich kein Gruppenfoto, ich hätte dir ja zu gerne mal Peter und Jordan gezeigt. 😅
Wie geht es nun weiter?
Für mich hieß es letzte Woche direkt am nächsten Tag meiner Ankunft aus Vancouver, das Auto umzubauen, um Platz zum schlafen zu haben. Denn nun heißt es Dienstagmittag losstarten zu einem Roadtrip und somit zu meinem Abenteuer im Abenteuer. Dieser Plan hat sich seit dem letzten Jahr gefestigt, denn dieses Land ist so unfassbar schön, dass ich noch mehr von dieser unglaublichen Natur sehen möchte. Der ursprüngliche Plan war es eigentlich alle Provinzen und Territorien zu befahren. Dies hieße einmal nach Osten, hoch in den Norden und wieder in den Westen. Ich sag mal so: Wenn ich einfach nur fahren würde, wäre ich in ca. 5 Tagen entweder im Norden oder wenn ich sehr schnell bin, auch im Osten. Dieses Land ist so riesig! 😂 Aber natürlich möchte ich mir vieles angucken, sodass ich mir deutlich mehr Zeit vornehmen werde. Mein Work & Holiday Visum geht bis August. Da ich mich aber absichern wollte, dass ich wirklich genug Zeit habe, habe ich mir selbst zum Geburtstag ein Geschenk gemacht. Ich habe einen sogenannten Visitor Record beantragt. Dies ist eine Art Besucherrecht, wobei deine finanzielle Lage dort ein ausschlaggebender Punkt ist. Aufgrund meines damaligen Kontostandes habe ich eine Dauer bis zum 30. November erhalten und könnte somit in der Theorie deutlich länger bleiben. Jedoch ist dies natürlich alles eine finanzielle Frage.
Weiterhin habe ich mich bewusst dazu entschlossen, alleine zu reisen, um auch einfach mal zu lernen, wie das ist, komplett ohne außenstehende Hilfe klarzukommen. Zum Beispiel bekam ich hier jeden Tag zwei warme Mahlzeiten, hatte immer einen warmen Schlafplatz und unbegrenztes WLAN. Als dies wird es für mich ab morgen erst mal nicht mehr geben. Das fehlende WLAN hat zwei Folgen.
1. Meine Blogbeiträge kommen jetzt nur noch unregelmäßig und wahrscheinlich mit wenig Bildern, da die öffentlichen WLAN – Stellen, bestimmt jetzt nicht die Besten sind. 😁
2. Ich werde meinen hart erarbeiteten Duolingo – Strike von vollen 1067 Tagen verlieren. 😭 Tatsächlich hat das Üben mit dieser App schon etwas gebracht, aber nichts ist besser, als es im echten Leben anwenden zu müssen. Aber ja, an dieser Stelle Gratulation an Ilo, du kannst nun sagen, dass du den längsten Strike hast. 😂
Worauf freue ich mich am meisten?
Die Natur. Ganz klar! Als ich nach Vancouver und wieder zurückgefahren bin, war ich schon so unfassbar begeistert von diesen Bergen. Glenn/Len hat mir gesagt, dass ich mich dann echt auf die Rocky Mountains freuen soll, denn diese Berge hier sind ein Witz gegenüber den Bergen dort. Ich habe richtig Bock, die ganzen Landschaften zu entdecken, die dieses Land so einmalig machen und natürlich habe ich auch Bock auf mögliche Wildtiere und nicht zu vergessen: Der Sternenhimmel und evtl. irgendwann Polarlichter.
Ich freue mich auch darauf, keine Hundehaare mehr um mich zu haben. In Kanada hat ja jeder gefühlt mindestens zwei Hunde. Auch an allen Orten, an denen ich gearbeitet habe, waren mindestens zwei Hunde. Trooper und Daisy verlieren echt so viele Haare, auch aktuell gerade und man hat sie überall: In den Klamotten, im Essen, im Kaffee,.... Daher freue ich mich, dass ich da mal etwas „haarfreier“ leben kann. 😂
Ich freue mich auch darauf, dass meine Hände Erholung erhalten. Da ich ohne Handschuhe arbeite, habe ich dementsprechend viele Splitter, die schon gut drinnen stecken. Auch Flip Flops sind keine guten Arbeitsschuhe. Nur so als Info, falls du deine Füße ebenfalls vor Schmerzen schützen möchtest. 😅 Aber ja, meinen Händen und Füßen muss ich unbedingt Erholung gönnen.
Habe ich Angst vor etwas?
Angst ist natürlich so eine Sache. Ich muss ganz klar sagen, dass ich den Vorteil habe, dass ich männlich bin und daher schon mal eine große Sache entfällt, denn ich hatte auch auf der Fahrt von Vancouver nach Tatla Lake eine komische Situation. Ein Truckfahrer ist mir die ganze Zeit gefolgt und als ich auf einem Parkplatz angehalten habe, damit er an mir vorbei fahren kann, ist er ebenfalls auf den Parkplatz gekommen und mir fast bis in den Kofferraum gekrochen. Ich habe dann solange gewartet, bis er losgefahren ist, aber er hat an jeder Stelle, wo es möglich war zu halten, angehalten, auf mich gewartet, um dann wieder hinter mir herzufahren, mich zu überholen und an der nächsten Stelle wieder auf mich zu warten. Das war so komisch und als Frau kann ich mir vorstellen, dass solche Situationen noch weitaus unangenehmer sind.
Aber das ist das Problem am alleine reisen. Passiert mir was, dann sieht es schlecht aus. Denn es gibt hier kaum Empfang und manchmal ist man auch vielleicht an Orten, an denen jetzt nicht so viele Menschen vorbeikommen. Sollte also nie wieder ein weiter Blogbeitrag kommen, weißt du, dass ich gerade von Kojoten, Bären oder Pumas gegessen werde. 😂
Meine größte Sorge ist eigentlich das Auto, denn wenn etwas am Auto kaputt geht, wird es teuer. Ich möchte ja so lange wie es finanziell möglich ist, herumreisen und eventuell doch meinen Plan erfolgreich umsetzen können. Daher bin ich bei meinen jetzigen Fahrten immer schon so krass nervös, irgendwas falsch zu machen. 😅 Ganz schlimm sind auch die Schlaglöcher, die man zu spät sieht und schon die gebrochene Achse vor Augen hat, während man mit einer zu hohen Geschwindigkeit darüber fährt.
Vor Wildtieren habe ich eigentlich recht wenig Angst (sage ich solange, bis was passiert 😅). Ich denke gerade die hier doch sehr Wildtier lastigen Eindrücke und David als Bären Workshopleiter haben mir genug Wissen und Eindrücke gegeben, um zu wissen, wie ich mich in gewissen Situationen zu verhalten habe. Noch dazu habe ich meine Bärenklingel, Bärenspray und Signalhorn. Wenn ich in ausgeschilderten Bärengebieten wandern gehe, kann ich zusätzlich noch meine Musikbox anmachen und laut Musik hören. Sodass ich eigentlich genug Krach machen kann, wenn ich alleine unterwegs bin. Dann heißt es nur noch zu hoffen, keine Bärenmama mit ihren Babys zu überraschen. 😁
Ein klein wenig Sorge habe ich vor der Langenweilen. Diese wird 100 % aufkommen und ich bin gespannt, wie ich damit umgehe. Denn was machen vor allem junge Leute, wenn ihnen langweilig ist? Richtig, sie verlieren sich zumeist in den weiten Tiefen von sozialen Netzwerken. Ich selbst merke auch, wie ich eigentlich in jeder freien Sekunde auf mein Handy schaue, um einfach irgendwas zu machen. Es ist jetzt nicht so, dass ich stundenlang zum Beispiel auf Instagram bin. Ich habe eigentlich immer versucht, im Durchschnitt nur 30 Minuten auf Instagram zu sein. Mittlerweile ist er bei einer Stunde. Das klingt für einige nach nichts, aber ich denke mir so ... eine Stunde, in denen ich einfach stumpf irgendwelche Kurzvideos entlang gescrollt habe, ohne dabei irgendetwas sinnvolles zu machen. Ich würde solch eine Handypause einigen meiner Schüler*innen empfehlen, vor allem wenn ich höre, wie hoch ihre durchschnittliche Zeit auf Instagram und Co ist. 😅 Ich habe einige Ideen, die ich machen könnte, wenn ich Langeweile habe. Ich werde sehen wie es läuft.
Zu guter Letzt sind es die Waldbrände, die mir Sorgen machen. Aktuell hat B.C. 84 Waldbrände (was noch verhältnismäßig wenig ist) und davon sind eine Menge außer Kontrolle und ein Bereich steht kurz vor der Evakuierung. Leider liegen diese Waldbrände auch auf meinen möglichen Routen, sodass ich immer sehr spontan sein muss. Durch das fehlende WLAN kann ich nicht einfach vorher schauen, wo welcher Waldbrand ist, daher ist Spontanität angesagt. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit, direkt in einen Waldbrand reinzufahren, sehr unwahrscheinlich. Die Polizei wird die Straßen schon großräumig absperren und weiterhin gibt es hier Schranken, die dann für die betroffenen Abschnitte geschlossen werden.
Was werde ich vermissen?
Alles, bis auf eine Sache. Ich werde alles vermissen, bis auf die Arbeit mit Jenny. Mir hat eine Freundin mal gesagt, dass ich wahrscheinlich immer so schnell genervt bin, da es jeden Tag das Gleiche ist. Das denke ich mittlerweile auch. Ich bin müde von der „Baustellen Jenny“. Es waren halt wirklich immer die gleichen Sachen und das Thema ansprechen hat in den seltenen Fällen etwas bewirkt, sodass ich doch recht froh bin, dass dies erst mal hinter mir liegt. Sonst werde ich wirklich alles vermissen. Es ist für mich der bisher schönste Platz, an dem ich leben durfte. Diese Kombination aus den Bergen, den türkisfarbenen See und den Wildtieren war für mich hier einfach das Paradies auf Erden. Erst am Montagabend hatte ich wieder am See einen Moment, wo ich einfach nur dankbar war. Der Sonnenuntergang deckte alles in ein warmes Licht ein, die Wellen schlugen gegen das Boot und über mir kreisten zwei Seeweißkopfadler den Wolken entgegen, während vor mir Enten und zwei Küstenseeschwalben entlangflogen. Es war wieder einfach Natur und Frieden pur und dies durfte ich für eine sehr lange Zeit hier genießen.
Auch ein weiterer Moment, den ich vermissen werde: Ich habe eigentlich fast immer einen Hasen vor meiner Haustür sitzen, wenn ich rauskomme oder zurückkomme und die Hasen sind überhaupt nicht schreckhaft. Sie sitzen dann halt vor meiner Kabine und fressen dort ihr Gras. Apropos fressen. Du glaubst gar nicht, wie unfassbar süß es aussieht, wenn Chipmunks Pusteblumen essen. Das ist echt so Zucker.
Werde ich zurückkommen?
Mein Plan ist generell, dass ich jeden Ort, an dem ich hier ein Mal gearbeitet habe, zu besuchen, bevor es zurückgeht. Daher komme ich definitiv hier her zurück. Der Kauf des Autos + die Versicherung waren aber ein doch sehr hoher finanzieller Aufwand, sodass meine Planung jetzt eher Step by Step geplant wird und ich nicht so wirklich langfristig gucke. 😁 Jenny kam mir dahingehend sehr entgegen. Sie sagte mir, dass ich jederzeit zurückkommen kann und eventuell auch bei verschiedenen Workshops mithelfen könnte. Somit habe ich hier immer eine finanzielle Absicherung, falls das Geld wirklich knapp wird.
Mein Plan, den ich jedoch fast täglich über Bord werfe, sieht vor, jetzt ca. 30 Tage zu reisen, um dann hier einen Abstecher zu machen und eventuell eine Woche oder so etwas Geld zu verdienen. Ich denke auch, dass das Arbeiten mit Jenny dann deutlich angenehmer werden würde, da uns eine Pause voneinander einfach guttut, denke ich.
Und damit sage ich jetzt erst mal Tschüss.
Ich habe richtig Bock auf mein Abenteuer und ich hoffe, ich kann dir viele spannende Geschichten erzählen!
Ich wünsche dir noch eine schöne Restwoche und pass auf dich auf!
Samuel