Gepubliseer: 05.04.2019
Tag 183
Der Sitz meines Vordermannes ist mal wieder zurückgeklappt. Somit fühl ich mich automatisch wie auf dem Flug von Auckland nach Buenos Aires.
Ich befinde mich jedoch aktuell ganz woanders, nämlich etwa 9400 Meter über dem Pazifik. Westlich von mir kann man, wenn man das Schiebefenster öffnet, am Ende der Dunkelheit die Lichter einiger brasilianischer Küstenstädte erhaschen. Seit etwa vier Stunden fliegen wir nun und seit ungefähr zwei Stunden ist es Dunkel. 21:12 argentinische Zeit teilt mein Handy mir mit. Wie spät es an dem Ort ist, an dem wir uns gerade befinden weiß ich nicht, vielleicht noch eine oder zwei Stunden später. Für diese Info sind die Displays der Lufthansa auch zu veraltet. Das Flugzeug auf diesem Display wendet sich ab von Südamerika, es zeigt gen Heimat.
Wir sitzen im Flug nach Deutschland.
8:03. Das ist die restliche Flugzeit, die wir in dieser Boeing 747 verbringen, bis wir in Frankfurt sind. Der Airbus 380 hat uns besser gefallen, der war noch viel größer. Das klingt schon so, als wären wir beschäftigte Vielflieger. Aber irgendwie sind wir das ja auch. Es ist der siebte Flug unserer Reise.
10057 Meter sind wir hoch, sehe ich gerade. 2:27 Uhr ist es in Deutschland. Mit etwa 13 Stunden ist der Flug ab Buenos Aires der längste direkte Flug, der Deutschland erreicht oder von Deutschland ausgeht. Das hat uns eine Lufthansa Flugbegleiterin erzählt, die wir zufällig vor ein paar Tagen in einem Restaurant in Buenos Aires kennengelernt haben. Sie meinte, sie würde sogar mit uns zusammen nach Frankfurt fliegen, aber wir haben sie leider noch nicht gesehen. Natürlich hat sie uns auch noch ein paar Tipps gegeben, wie zum Beispiel den Hinweis, dass im Flugpreis immer auch direkt „All you can eat & drink“ enthalten ist, sodass man jederzeit während des Fluges zur Boardküche gehen kann und sich Getränke uns Snacks holen kann. Das wussten wir gar nicht und ist für uns natürlich von nicht allzu geringer Bedeutung. Außerdem kann man nach Zahnbürste und Zahnpasta fragen und noch viele andere nützliche Dinge. Mithalten mit den Maschinen von Air New Zealand kann die Lufthansa trotzdem nicht. Ich weiß nicht, ob ich das schon einmal erwähnt habe, aber dort konnte man über sein Display uneingeschränkt alle möglichen Getränke, Snacks und Schlafutensilien bestellen, die einem dann auch wenig später auf einem Tablett zum Sitz gebracht wurden.
Es ist schon komisch, dieser Blogeintrag hier ist der dritte auf dieser Reise, den ich im Flugzeug schreibe und natürlich waren all diese großen Flüge sehr besonders. Aber das hier ist der Rückflug. „Morgen sind wir zuhause.“ Dieser Satz, den ich aufgrund seiner Signifikanz, in Anführungszeichen setze, mag erst einmal für alle, die diesen lesen mehr als normal vorkommen. Wir fliegen die Nacht über durch, sind dann morgen wieder in Deutschland und die Reise ist dann eben vorbei. Aber so einfach ist das nicht. Zumindest nicht für uns. Denn wenn wir den Satz aussprechen, können wir es einfach nicht fassen. Morgen. Zuhause. Das passt nicht. Normalerweise wacht man auf und dann ist man in irgendeiner Unterkunft in Argentinien oder auch im Auto in Neuseeland und muss erstmal dafür sorgen was zum Frühstücken zu organisieren. Und dann guckt man was der Tag bringt. Aber morgen ist das einfach nicht mehr so. Ich glaube ich verrenne mich gerade in meinen Versuchen die Perspektive, die wir momentan auf die Dinge haben zu veranschaulichen, das versteht man wahrscheinlich nur, wenn man es selbst einmal erlebt.
Gestern war zumindest der letzte Tag in Argentinien und auf unserer Reise. Wir wollten abends eigentlich versuchen das ganze so ein bisschen Revue passieren zu lassen, aber es ging nicht. Weil wir das eben nicht realisieren konnten und uns so einfach gefühlt haben, wie an einem ganz normalen Abend. Uns geht es vielleicht momentan so, um mal einen Vergleich zu versuchen, wie kleinen Kindern, die einfach so durch ihr Leben laufen und gewisse Tage einfach herunterleben. So sitzen wir auch gerade im Flugzeug. Als wäre das hier irgend ein ganz gewöhnlicher Flug. So erging es uns auch gestern. Wir wollten mit einem Bier auf den letzten Abend anstoßen, aber das Bier schmeckte wie immer und der Abend fühlte sich an, wie jeder andere.
Und wir beide merkten, dass wir das vielleicht erst später verstehen und einordnen können. Noch ist das alles nicht greifbar. Und trotzdem heißt das nicht, dass wir nicht wissen, was ab morgen wieder auf uns zukommt und dass wir uns nicht freuen. Das tun wir allemal.
Auf den verpixelten, aus dem 19. Jahrhundert stammendem Display vor mir sieht man nun um das kleine Flugzeug herum nur noch blau. Wir sind jetzt wirklich auf dem offenen Meer, über dem weiten Atlantik. Francfort, wie es dort heißt, ist in absehbarer Nähe. Ich denke nicht, dass ich heute Nacht schlafen kann. Ich bin in Gedanken vermutlich ganz woanders. Werde abermals versuchen zu kapieren, wo ich morgen bin. Morgen. Wie das klingt.