Der Weg von Amsterdam nach Dover

ئېلان قىلىندى: 26.06.2019

Meine Mädels haben mich nun verlassen. Wie werde ich ohne sie zurechtkommen? Nach noch nicht einmal 2 Wochen bin ich in eine gewisse Abhängigkeit geschlittert, die mir gar nicht bewusst wurde. Das leckere Essen, dass Almut und Anette immer bereiteten, die saubere Pantry und die fleißigen Hände an und unter Deck. Ich brauchte so gut wie nie an die Pinne, sie wurde mir immer weggerissen. Auch die Gespräche werde ich vermissen - über Gott und die Welt, über Paarbeziehungen usw.. Aber jetzt ist es vorbei. Morgen kommt Holger und der 2. Abschnitt nach England steht bevor.

Holger kam am 23. Juni mit der Bahn nach Amsterdam. Nach einem Bummel durch Amsterdam und diversen Coffeshops  und Bar haben wir es tatsächlich geschafft um 8 Uhr abzulegen und durch den Nordseekanal zur Nordseeschleuse zu fahren. In der Nordsee wurden die Segel gesetzt und wir segelten teils mit und ohne Motor nach Scheveningen - die Holländer sagen dazu Chjeevenigggen. Die letzten Tage waren alle schwülwarm und der Heutige setzte dem Allem die Krone auf. Über 30 ° C!!! und dann in dem Hafen von Schneverdingen, der auf allen 4 Seiten mit Hochhäusern umrahmt ist und kein Lufthauch die Wärmeglocke zum schwingen bringt. Trotzdem wartete noch Arbeit auf uns. Wir mussten unbedingt noch Flüssigkeit besorgen - und damit meine ich nicht schnödes Wasser aus der Leitung. Jetzt kam meine Sackkarre zum Einsatz, die schon seit Jahren auf ihren 1. Einsatz wartet. Voller Stolz erzählte ich Holger, wie nützlich doch eine Sackkarre sei - ebenso wie unser Bordfahrrad. So zockelten wir den mit der Sackkarre zum Jumbo Supermarkt. Vom Boot aus war der Jumbo keine 200 m weit weg. Vom Steg jedoch mehrere tausend Meter, da das gesamte Hafenbecken  umrundet werden musste, und das war groß. Dem Himmel sei Dank lagen auf unserem Weg zum Supermarkt diverse Bars, die uns vor dem Verdursten bewahrten. Entsprechend unserem Zustand stand uns beim Einkaufen eher nach Alkohol der Sinn. Wir beluden also sehr fachmännisch die Sackkarre mit verschiedenen Lagen von Bier und Wein. Ganz oben kamen die wenigen Nahrungsmittel, die uns vor dem Verhungern bewahren sollte. Wir dachten jedoch eher an das eisgekühlte Bier aus der Kühlbox der Taishan. Der Transport mit der Sackkarre stellte sich jedoch als nicht so einfach dar, wie angenommen. So haben doch die Holländer, die ein Fahrrad schon in den Kinderwagen gelegt bekommen, damit sie dort besser strampeln, hier den Fahrradweg komplett vergessen!!! Das heißt, man musste eine 50 m hohe Treppe überwinden, um auf das Niveau der Stege zu kommen - ich korrigiere, es waren 2 dieser Treppen. Es war verdammt schwer und der Schweiß spritzte auf die Treppenstufen. 

Irgendwie schafften wir es dann doch bis zum Steg unter bierlüsternen gierigen Blicken der Menschenaffen, die Boot an Boot gereiht,  sich nichts anderes Wünschten um an unsere Vorräte zu kommen. Unsere Drohgebärden verhinderten schlimmeres. Wir verstauten die Vorräte und belohnten uns mit dem wenigen restlichen Bier, das der Plünderung der Kühlbox entgangen war. Diese innere Abkühlung musste eine äußere Abkühlung folgen. 

Die einzige Abkühlung wäre das Hafenbecken - oder der Wasserschlauch. Ich entschied mich dann doch für den Wasserschlauch, da dieser frei von Fäkalien ist. Wir überstanden dann irgendwie die Nacht - es war auch abends eine Megahitze. 

Von Scheveningen sind wir am nächsten Tag bis Stellendam, in der Maasmüngung motort. Unterwegs reckten einige neugierige Seehunde ihre Hälse nach unserem Boot. Die Sonne schien, aber der Wind schlief. Nach 10 Stunden in der Sonne kamen wir endlich zur Schleuse, die einen Buiten- und Binnendeichshafen hat. Wir passierten die Schleuse und wähnten uns im Yachthafen Stellendam. Waren wir aber nicht. Nach einem Abgleich mit dem Hafenfoto von unserem Werbehafenführer entdeckten wir keine Gemeinsamkeiten und kamen zusammen zu dem Entschluss, dass dies auf keinen Fall der Yachthafen sein kann. Was machten wir also? Wir machten das, was Menschen mit Lemmingen gemeinsam haben. Sie laufen hinter den anderen hinterher. Also folgten wir den vor uns fahrenden Segelyachten. Und richtig, von Ferne konnten wir schon die Masten zahlreicher Segelboote erkennen. 

Wir hatten zig freie Boxen zur Auswahl. Am nächsten Morgen sollte es nach Blankenberge, 3 nm von Zeebrüggen entfernt. Das Wetter war jetzt ein ganz anderes. Es waren nur 17 ° Celsius und es war doch recht guter Wind. Nach dem passieren der Schleuse hatte uns die Nordsee wieder. Es wehte ein guter 5 er aus NE. Mit 1. Reff im Groß und der Genua machte die alte Taishan gute 7 Knoten, mit der Strömung um fast 1 Knoten mehr. Der Kurs änderte sich nach der Maasmündung auf einen achterlichen Vormwindkurs.und damit auch Holgers Gesichtsfarbe. Die Wellen waren mittlerweile 2 m hoch und kamen von Achtern. Die SY schaukelte von rechts nach links, von vorn nach hinten. Und dann kamen zwei riesige Frachter von backbord und wollten meinen Kurs kreuzen. Ich wartete bis zum Moment des letzten Augenblickes und hielt dann auf das Heck des 1. Frachters an. Damit stellte sich die Genua back. Ich entschied mich augenblicklich den Genua einzurollen und letzten 4 nm  unter Motor zu fahren. Das Einrollen der Genua erforderte alle meine Kräfte - aber ich bekam das wildflatternde Tuch aufgerollt. Ich startete den Motor und steuerte die Hafeneinfahrt an. Zwei Engländer hinter mir kehrten wieder um - wahrscheinlich hat das Inselvolk mehr Respekt vor Grundseen als die unbedarften Kontinentaleuropäer. Jedenfalls stellte sich die Grundsee nicht ein. Wir fuhren also in den Hafen und machten dort fest. Wir waren nun von 10 Uhr bis 16 Uhr unterwegs, aber doch ziemlich kaputt. Um unsere Energien zu aktivieren verspeisten wir den letzten Haschcake und fühlten uns gleich viel beschwingter. Nach unserem Spaziergang durch die Gemeinde teilten wir beide die Ansicht, dass es wohl doch sehr sichtbare Unterschiede zwischen benachbarten Ländern gibt. Blankenberg ist ein großes Seebad - nicht so sauber wie eine holländische Stadt aber doch interessant.

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