kuonanouk
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24.01.2022

Heute Morgen ist es früh. Um sechs Uhr geht mein Wecker. Nachdem ich diese Nacht schon dreimal das Gefühl gehabt hatte, ich müsse aufstehen, verwirrt mich das Klingeln in einem immensen Ausmass. Toast, Passionsfrucht, Mango und natürlich Kaffee. So fängt der Tag gar nicht mal schlecht an.

Um 07:08 fahren wir vom Schulgelände. Mit Schrecken und Bewunderung zugleich schaue ich durch schlafverquollene Augen in die Klassenzimmer, in denen die Schüler*innen schon seit zwei Stunden am Arbeiten sind. Wie ein echter Ugander lenkt Philipp das Auto über die stellenweise mehr als nur leicht unwegsamen Strassen. Ohne Hupe wäre man aufgeschmissen, denn Kinder, BodaBodas (Motorräder) und Vieh aller Art säumen den Strassenrand. Die Menschen starren in das Auto als hätten sie, wie sehr treffend formuliert wurde «einen Geist gesehen». Der Ruf «Muzungu» verfolgt uns auf unserem Weg und die Tatsache, dass ein solcher noch hinter dem Steuer sitzt, macht die Aufregung komplett. Als wir das Haus mit den Vögeln neben dem Mobiltelefon Schild gefunden haben biegen wir von einer breiten, mit Schlaglöchern garnierten Strasse auf eine ebensolche, mit halber Breite ein. Auf halbem Weg gabeln wir noch eine Lehrerin auf, die auch in Hill View arbeitet und ihr Kleinkind auf dem Rücken trägt. Wortlos steigt sie ein und wechselt kein Wort mit uns, bis wir an der Schule angekommen sind.

Die Lehrpersonen sind leicht verwirrt, denn keiner weiss so richtig, wer nun was unterrichten soll. Regina hatte zwar die Stundenpläne verteilt, jedoch soll man anmerken, dass dies am Sonntag geschehen war und wir nun am Montag kurz vor acht auf der Matte standen und uns einige Klassen unter den Nagel zu reissen versuchten.

Schliesslich konnten wir anfangen mit der Sportstunde in P1, 2 und 3. Wir hatten die Bälle für Street Racket mitgenommen und die altbekannte Freude von Kind und Ball fing an zu sprudeln. Die Sache war chaotisch, laut und wild. Kommunikation ist gerade mit den etwas Jüngeren manchmal etwas schwierig, doch geistesgegenwärtig griff sich die Kassenlehrperson einen Stock und zeichnete in den Sand, was ich wollte.

Darauffolgend machen wir in etwa die gleiche «Balleinführung» mit P4, 5, 6/7. Auch hier die gleiche Motivation. Bälle üben eine stille Faszination aus, die mich immer wieder aufs Neue inspiriert. Unglaublich schnell nehmen die Schüler*innen Verhaltensmuster auf und verstehen, was verlangt wird. Beim ersten Einfordern der Aufmerksamkeit lege ich meine Hände auf den Kopf und rufe. Schon bei der dritten Erklärung reicht das blosse Verschränken und die Schüler*innen verstummen und ermahnen sich sogar gegenseitig.

Nachfolgend soll eine Doppelstunde Englisch P5, gefolgt von einer Doppelstunde Englisch P4 erfolgen. So sehen dann alle Wochentage der nächsten drei Wochen aus. Sport, Sport, Englisch, Englisch, Englisch, Englisch.

Die Schüler*innen schreiben vorbehaltslos alles auf, was ich ihnen vorkaue. Zusammenhänge sehen sie entweder kaum oder können sie nicht ausdrücken. Kreativität lässt sich kaum entdecken. Eigene Aufgaben überlegen, Besprechungen in Paaren, nichts will richtig funktionieren.

Schon um halb elf bin ich erschöpft. Es folgen noch zwei Stunden, in denen ich das Gefühl habe, die ganze Energie bringen zu müssen, um die Schüler*innen voranzutreiben. In P4 sind drei neue Schüler*innen, welche die gesamte Klassendynamik aus dem Lot gebracht haben. Am Freitag war noch Motivation und Freude zu verspüren, jetzt liegen die Kinder halb auf der Bank und melden sich kaum mehr zu Wort. Auch nach ermahnen zu geradem Sitzen und Mitarbeit ist es schwierig.

Nach diesem Unterricht gehen wir mit Regina auf die Beerdigung. Eine andere Lehrerin der Schule begleitet uns. Auf der Rückbank ist es eng, der Wind ist staubig und heiss. Wir fahren über eine Strasse, die meinen Definitionsbereich für schlechte Strasse um einiges erweitert. Das Auto macht einige Geräusche, die ich als ungesund einstufen würde. Schon bald säumen Fahrzeuge den Strassenrand doch fahren wir weiter, bis wir auf ein Kirchengelände gelangen, dass aussieht, als würde gerade eine Messe stattfinden. Menschen stehen Schlange für Essen, eine Vielzahl Festzelte ist errichtet, alle tragen festliche Kleidung. Trotz dem Auflauf sind wir im Moment unserer Ankunft Hauptattraktion «Muzungu!» Wie ein Lauffeuer macht es die Runde und bald schallt es aus aller Munde. Die Aufregung ist gross, als wir über das Feld in eine Stuhlreihe an vorderster Front geführt werden. Ein paar Kinder schleichen sich an, stellen sich vor uns und knipsen seelenruhig Fotos. Auf dem Platz befinden sich schätzungsweise mehr als tausend Menschen. In der Mitte des Platzes steht der Sarg unter einem Zelt daneben knien sechs Frauen. Daneben vier Männer in schwarzen Anzügen (Sargträger?). Es wird gesungen, gebetet und geredet. Wir stehen auf, wenn alle aufstehen, setzen uns, wenn sich alle setzen, doch verstehen tun wir kaum etwas. Es folgen Familienmitglieder und Freunde, die Abschied nehmen vom Verstorbenen. Dann geht setzt sich der Trauerzug in Bewegung und der Sarg wird zum Grab geleitet.

Wir werden eingeladen für unser (zweites) Mittagessen in der Kirche. Die Menge hat sich ausgedünnt und von all den Menschen in der kleinen Kirche geht eine Autoritätsaura aus. In einem kurzen Gespräch mit dem Minister für Bildung, in dem ich seinen Lehrplan lobe, gebe ich ihm meine Nummer, denn er gelobt, uns beim Unterrichten besuchen zu kommen… Das Essen ist fein, aber heiss und mir läuft in der so schon heissen Kirche der Schweiss.

Nachdem viele Gespräche mit vielen wichtigen Leuten geschehen sind, wir uns mit dem Pfarrer auf Deutsch unterhalten haben und uns der Sohn des Verstorbenen die Hand gereicht hat, machen wir uns auf den Heimweg.

Одговор

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