Publicados: 09.11.2019
Freitag, 8. November
6:30 am. Endlich Wochenende! Ich stehe heute freiwillig früh auf und gehe seit meiner Verletzung zum ersten mal wieder joggen. Freitag früh ist eine sehr angenehme Zeit dafür, da um diese Uhrzeit und am Feiertag nicht viel auf den Straßen los ist. Es fühlt sich wirklich gut an, mal wieder Energie freizulassen. Nach einem kurzen Frühstück mache ich mich dann auf den Weg zur Zitadelle. Zum ersten Mal, seitdem ich in Amman bin.
Der Zitadellenhügel im Zentrum Ammans ist einer der sieben Hügel, auf denen Amman erbaut wurde, und auf dem noch die Ruinen einer ehemaligen Zitadelle zu sehen sind. Er ist neben dem römischen Theater die Touristenattraktion Nummer 1 in Amman und ich hatte es bisher noch gar nicht geschafft dort hinzugehen. Heute am Freitag ist also der perfekte Tag dafür. Bei strahlendem Sonnenschein besteige ich den Berg und komme zusammen mit zahlreichen Touristenbussen am Eingang an, wo ich mit meinem Jordan Pass das Gelände einmal umsonst betreten darf. Zum Glück ist die Fläche ziemlich groß, sodass sich die Menschenströme ganz gut verlaufen, und ich mir relativ in Ruhe alles anschauen kann.
Ich genieße die Aussicht auf das römische Theater, döse dort ein wenig in der Sonne und laufe dann einmal kreuz und quer über das Gelände, auf dem überall verteilt kleinere und größere Ruinen der Zitadelle liegen und stehen. Man kann hier wirklich sehr gut seinen Tag verbringen. Ich erkunde alle Ecken und finde dann das Loch im Zaun: meine Kommiliton*innen, die schon hier waren, hatten mir schon gesagt, dass sie das Gelände nicht durch den offiziellen Eingang, sondern von der hinteren Seite betreten haben. Gut zu wissen für alle weiteren Male, an denen ich hierherkommen möchte.
Ich beschließe, mich für die nächsten Stunden wieder zur MMAG Stiftung zu setzen. Auf der Terrasse weht ein angenehmer Wind, ich lasse mir die Sonne ins Gesicht scheinen und bekomme wieder Tee gebracht, außerdem ein Falafal-Sandwich, das noch von irgendwo übrig war. Die Leute hier sind wirklich unglaublich nett.
Ich verbringen den ganzen Nachmittag dort, bis sich die Sonne über Amman anfängt zu senken, und die Häuser in ein schönes, rötliches Licht färbt. Mit Blick auf die Zitadelle beschließe ich spontan, mir von dort den Sonnenuntergang anzuschauen und mache mich wieder mit Sack und Pack auf den Weg nach oben. Zum Glück habe ich mir den Weg zum Loch im Zaun gemerkt. Ein Mann, der an mir vorbeigeht, merkt direkt, was ich vorhabe, und hilft mir mit einer Räuberleiter, auf die kleine Mauer zu steigen, von wo aus ich dann problemlos das Gelände der Zitadelle betreten kann. Und der für heute zweite Fußmarsch dorthin hat sich definitiv gelohnt. Die untergehende Sonne verbreitet oben ein magisches Licht, und ich beobachte auf einer Ruine sitzend die Taubenschwärme, die immer wieder ihre Runden im roten Licht drehen, bis die Sonne über Ammans Skyline verschwunden ist. Ich bin mir sicher, dass ich hier nicht zum letzten Mal war.
Es ist erst 5 Uhr – die Sonne geht hier seit der Zeitumstellung schon ziemlich früh unter. Ich beschließe, mich noch ein wenig ins Manara zu setzen, der mehrstöckige bookshop in Weibdeh, der sich perfekt zum entspannten Lernen anbietet. Ich treffe dort unter anderem Gina, aus meinem Kurs, mit ihrem Freund Anas. Er kommt aus Palästina, schreibt gerade seine Masterarbeit, und schnackt mit mir ein wenig auf arabisch. „Misch fahim“, sagt er immer, wenn ich ihm auf englisch antworte, was bedeutet „Ich verstehe nicht“. Und er hat schon Recht – man lernt eine Sprache nur, wenn man spricht und ausprobiert.
Gegen 8 Uhr mache ich mich auf den Heimweg und gehe heute Abend mit Lea aus. Ibrahim, Mubarak und Kaboush kommen noch vorbei und wir gehen zusammen auf eine Afro-Party. Ich habe es wirklich vermisst, zu tanzen.