Unser Reisetagebuch
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Wüstentour von FÈS nach MARRAKECH

Maxxanfame: 27.08.2018

Freitag, 24.8.2018

Nervös, aufgrund der bevorstehenden 3-tägigen geführten Tour von Fès nach Marrakech, warteten wir heute Morgen im Innenhof unseres Riads auf den Guide, der uns ganz europäisch um Schlag 8.30 Uhr mit seinem 4wheeldrive einsammelte. Abdul, ein netter 31-jähriger Afroträger, Sohn einer Nomadenfamilie in der Sahara, pflegte als Junge die Kamele der Familie, auf welchen er irgendwann Touristen reiten ließ und im wahrsten Sinne auf diesem Weg eine Anstellung als Tellerwäscher in einem Hotel ergattern konnte. Kamele züchtete er weiterhin und als er genügend hatte, tauschte er diese gegen einen kleinen alten PKW und erst diesen wiederum kürzlich gegen den schicken Toyota-Van, mit dem wir die kommenden Tage durch das Land ziehen werden. „Wie seine Familie“, betonte Abdul, „nur eben on the road“. Sein Traum übrigens wäre es, einmal in seinem Leben mit 250km/h über den deutschen Highway zu brettern. In der Realität düsten wir in der Spitze mit 110 km/h zunächst nach Al Ifran, den schicken schweizerischen Skiort, ärgerten kleine Äffchen am Straßenrand, aßen zu Mittag in einem klassischen Abzocker-Restaurant, wagten uns den für Mopetfahrer paradiesischen Pass hinauf, wurden mit einem gigantischen Ausblick über die an amerikanische Steppenlandschaft erinnernde Weite Marokkos belohnt, passierten Wüste, die sich schlagartig in dichten grünen Wald verwandelte .. und all das bei afrikanischer Musik und tiefgründigen Gesprächen mit Abdul über Land und Leute. Wir drei waren gleich richtig im Flow, sodass Abdul leider eine der gefühlt locker 25 Polizeikontrollen an diesem Tag übersah und ein 700Dhm-teures illegales Überholmanöver startete. „Aber, kein Problem“, sagt Abdul lässig, er kenne den Polizisten (so wie im Übrigen mindestens zehn Leute in jedem noch so kleinen Dörfchen Marokkos) … und so kehrte er fröhlich, weil nur schlappe 100Dhm leichter, ins Auto zurück die Fahrt ging weiter. Spätestens da stand fest: Marokkaner lieben Kreisverkehre, sie lieben Verkehrsschilder natürlich Polizeikontrollen - all das aber nur, weil eine doppelt durchgezogene Mittellinie oder ein Stoppschild nicht mehr als eine nett gemeinte Empfehlung der Regierung sind. In diesem Sinne heizten wir weiter, vorbei an einem Fluss aus Dattelpalmen und überholten Abdul´s Kollegen mit Karacho bis wir schließlich gegen Abend in Merzouga im Hotel eincheckten. Eine Abstellkammer diente zur Gepäckaufbewahrung. Dort tauschten wir unsere Rucksäcke, prall gefüllt mit teurer Technik und anderer wertvoller Stücke, vertrauensvoll gegen Nüsschen und Tee zur Stärkung für den bevorstehenden Ritt in die Sahara. Plötzlich sollte es losgehen - wir natürlich noch nicht fertig. Zuerst musste Leon noch um unser Wasser mit einem der Zimmerjungen hier kämpfen, doch schließlich erschwangen wir und 4 französisch sprechende Kanadier die gepolsterten Rücken unser Kamel-Kolonne und folgten dem Führer im Zick-Zack durch die hügelige Sandlandschaft. Kurz verlor sogar der Guide die Orientierung und ließ uns wirr bergauf und bergab - eine echte Herausforderung düne-ab im Sattel zu bleiben - umher irren. Gegen 19 Uhr erreichten wir das Camp, bezogen unser Zelt, ausgestattet mit drei gemütlichen Betten, und bestiegen eine der hohen Dünen, um, atemlos oben angekommen, den Ausblick und einen Versuch im Sandboarden zu genießen. Leon hat eine Topfigur gemacht!! Zwar verschwand die Sonne sowie unsere Vorstellung eines endlosen Sternenhimmels hinter Wolken, aber die Wüste hatte für uns eine ganz besondere Show einstudiert: Gewitter. So beobachteten wir das spektakuläre Leuchten vor uns nach dem köstlichen traditionellen Abendessen und fielen im Rhythmus der Trommelmusik unserer Guides in einen tiefen Schlaf.

Samstag, 27.8.2018

Wie jede ganz normale Nacht auch, wachte ich pünktlich um 2.30 Uhr morgens, weil die Blase drückte,auf. Die wilde weite Wüste bei Nacht machte mir Angst, also blieb mir nichts anderes übrig, als meine allerbesten Tricks auszupacken, um meinen persönlichen Beschützer zu einem nächtlichen Klogang zu überreden - leider vergeblich. Richtig aggro wurde er bei dem Vorschlag. Aber - es half nichts - ich musste nun mal … schob den dicken Vorhang zur Seite, schlich hinaus in die Nacht und sah eines der schönsten Sternenzelte, die ich je gesehen hatte. Gegen 6 Uhr holten uns die Stimmen der anderen Camper in unseren Träumen ab und nahmen uns mit hinauf auf die höchste Düne zum Sonnenaufgang um 19 Uhr(Allah sei Dank darf ich, Leon, nochmal Korrektur lesen! Judith meint mit 19 Uhr natürlich 7 Uhr. Hat wohl ihr Hirn beim Purzelbaum von der Sanddüne verloren.) Ziemlich große Anstrengung um diese Uhrzeit - aber das war es ohne Zweifel wert. Ein paar Stunden später lief unsere Kamel-Karawane wieder am Ausgangspunkt ein. Kollektiv völlig übermüdet und überglücklich durften wir eine Dusche und ein anschließendes Frühstück genießen. Dieses romantische Erlebnis ist unbezahlbar, dass Menschen (Abdul´s Familie zB.) auch heute noch ihr gesamtes Leben der Wüste widmen und dort Tag ein, Tag aus umher ziehen, schlafen, arbeiten ist und bleibt wohl trotz dieses kleinen Einblicks absolut unvorstellbar. Ein weiser Mensch hat einmal zu mir gesagt: „Menschen machen Heimat“ - so erkläre ich mir, dass Menschen sich bewusst für oder zumindest nicht gegen diese oder ähnliche Art und Weise zu leben (z.B. in den zerfallenen und dennoch dicht besiedelten Dörfern hier) entscheiden. Wie neu geboren, setzten wir unsere Tour mit Abdul, der gar nicht Abdul heißt, fort. Wir durchquerten Fossiliengrabstätten, sahen die Kanalisation aus dem 11.Jhdt und eine atemberaubende Schlucht, die den einheimischen Kindern zum Baden und Touris-Abzocken dient. Noch nicht einmal 10 Jahre junge Kerle versuchten uns selbstgebastelte Tierchen aus Schilf in die Tasche zu stecken, um kurz darauf Geld dafür zu verlangen. Ein bestimmtes: „Non, merci!“ hilft gar nichts. Ähnlich abgezockt wurden wir an einer Raststätte, wo Abdul und wir bei dem gleichen Marokkaner eine Flasche Wasser kauften - er für 5Dhm, wir für 10. Kleine Spende von uns an den netten Mann. Wir sind eben doch zu blond. Normalpreis für Kaffee seien übrigens 7Dhm (nicht 15, wie wir bisher immer zahlten), klärte Abdul uns auf. Eigentlich sollte er Touristen wie uns nicht über Normalpreise aufklären, sondern vielmehr seine Kollegen unterstützen, aber Abdul ist eben ein rebellischer Typ. Mit 31 noch unverheiratet, ist er der Schandfleck seiner Familie, das schwarze Schaf unter seinen 7 Geschwistern. Vielleicht weil er durch die Touristentouren Einblicke in die westliche Kultur bekommt, ist er regelrecht erbost über Heiratszwang in jungen Jahren und andere veraltete Bausteine seiner Kultur. Und dennoch merke ich deutlich, wie er meine Fragen in einsilbigen Antworten erstickt, während er gern mit Leon plaudert und immer wieder regelrecht das Gespräch mit ihm sucht. Er spüre deutlich es sei eine Zeit des Umbruchs, des Umdenkens in seiner Heimat Marokko, höre ich, wage es jedoch aus Sorge, ihn in seinem Redefluss zu stoppen, nicht, weiter nachzufragen. Ich bin eben eine Frau.

Bei der Ankunft im Hotel Panorama mit einem seinem Namen alle Ehre machenden Ausblick auf die mit sattgrünen Bäumen und Feldern gefüllte Schlucht inmitten staubbrauner trockener, dicht besiedelter Hügel. Kurzzeitig brach der Lagerkoller aus, was dazu führte, dass Leon seine beiden Rucksäcke einmal komplett leerte und neu einräumte. Gibt schlimmeres. Da das Wifi null funktionierte - unter null - blieb uns nichts anderes übrig als im wahrsten Sinne in den sauren Apfel zu beißen und die grüne Oase zu erkunden. Dies sollte sich als mein persönliches kulinarisches Highlight entpuppen: süße Feigen, knackige Granatäpfel, saftige Aprikosen, Datteln, Oliven, Chilis wohin das Auge reichte(die Jutta hat gesagt, das ist für Sie der Himmel und das Paradies gleichzeitig1). Wir hatten keine andere Wahl, als zu schlemmern bis die Bäuche rund und die Zungen wund waren. Als hätte das nicht schon gereicht, erwartete uns zurück im Hotel ein 3-Gängemenü, das uns auf direktem Wege in den wohlverdienten Erholungsschlaf katapultierte.

- [ ] Sonntag, 26.08.2018

Bestens gelaunt starteten wir in den letzten Tag der geführten Tour mit Abdul, der wie sich herausstellte doch Abdul heißt. Seit bald 21 Jahren frage ich mich, was das darstellen soll, was Papa immer macht, wenn gute Mukke läuft .. dank Abdul weiß ich endlich: es ist der weltbekannte „Camel-dance“. Kleines Tutorial „How to Cameldance“: Musik ganz laut, Hände flach nach vorne strecken, linken und rechten Arm abwechseln nach vorn schieben und wieder zum Körper ziehen und gleichzeitig unkontrollierte Nickbewegungen mit dem Kopf ausüben. Falls das nicht anschaulich genug war, einfach bei der nächsten Party mal zum Papa blinzeln. Ähnlich werde wohl alljährlich im Mai beim Rosefestival im Rose-Valley getanzt, wo es allerdings keine einzige Rose zu sehen gab, sondern nur noch Hagebutten. Wir sahen ein Königsschloss, das sehr unscheinbar wirkte, da die Regierung beschlossen hatte, alle Gebäude dieser Gegend in Rottönen zu halten, ebenso wie die Filmstudios, wo u.a. Gladiator und Game of Thrones gedreht wurde. Schon die Fata Morgana um 10 Uhr morgens auf der Straße kündigte brechende Hitze für den Tag an. Den größten Teil des Tages konnten wir dieser jedoch im hohen Atlas Gebirge, welches mit seinen trockenen Hügeln, Löchern und riesigen Felsbrocken (alles ungesichert!) einer Mondlandschaft ähnelte. Manche Brocken waren so groß, dass sie ganze Häuser neben sich verbergen. Hauptsächlich leben die Menschen vom Quarzabbau und der Gerberei sowie vom Obstanbau. Die Äpfel am Straßenrand kosten normalerweise zwischen 5-7 Dhm also ca 60ct pro Kilo - nur natürlich nicht für blonde Touris. So verhandelten die Männer meines Autos tapfer, bzw. drückte Abdul dem Bauern einfach ungefragt Geld in die Hand und die beiden nahmen so viele pralle Äpfel vom Stand, wie sie eben wollten. All das, während ich in 2260m Höhe schwer beschäftigt war mit dem Druck in meinen Ohren. Von dort an verließen wir die angenehmen 24 Grad plus Wind und folgten den Serpentinen bergab. Ich glaube, ich wurde plötzlich ziemlich ruhig, weil ich nicht wusste, was Kotzen auf Englisch oder Französisch heißt. Die Straße war entweder teils eingestürzt, miserabel ausgebaut oder super eng und wenn du dann, wie Abdul sagt, auf dem zuständigen Amt nur etwas Bakshish (Trinkgeld) über den Tisch schieben musst, um den Führerschein zu bekommen, kommt es eben nicht gerade selten zu Katastrophen, wie wir sie sahen: eine enge Kurve, Auto gerät ins Schleudern, der obere Teil des Autos ist wie abrasiert, die Frau tot, der Mann ringt blutverschmiert im Staub liegend noch um sein Leben. Höchstwahrscheinlich wird der Krankenwagen aufgrund der infrastrukturellen Gegebenheiten nicht rechtzeitig vor Ort eingetroffen sein. Bemerkenswert, wie häufig wir in den wenigen Tagen, die wir nun in Marokko sind, schon mit dem seidenen Faden zwischen Leben & Tod konfrontiert wurden. Die Fahrt ging natürlich weiter bis wir bei schön warmen 43 Grad im Schatten in Marrakesch eintrafen. 

Deebii (1)

Thomas
Wow!