Tag 8: Yad Vashem

प्रकाशित: 08.04.2018

Heute ist unser letzter Tag in Jerusalem und auf der Tagesordnung steht der Besuch von Yad Vashem. Dies ist die internationale Holocaust Gedenkstätte, welche auf dem Berg Herzl gelegen ist. Zu erreichen ist dieses leicht mit der Straßenbahn. Diese nutzten auch wir an diesem morgen und so waren wir recht schnell an unserem Zielort. Das weitläufige insgesamt 18 Hektar große Gelände erstreckt sich über den gesamten Berg. Am bekanntesten ist hierbei sicherlich das Museum, welches den Verlauf und die Geschehnisse während des Holocausts dokumentiert, aber Yad Vashem ist eigetnlich eine staatliche Institution, die sich darum kümmert das Gedenken an den Holocaust zu wahren, die Namen der Ermordeten zu sammeln und wissenschaftlich die nationalsozialistischen Gräueltaten zu dokumentieren. Darüber hinaus werden hier die Veranstaltungen für den alljährlichen israelischen Holocaust Gedenktag geplant und koordiniert.

Auf dem Gelände befinden sich neben dem Museum ein Forschungsinstitut, eine internationale Schule für Fortbildungen zum Thema Holocaust und ein weitläufiger Skulpturengarten. Darüber hinaus gibt es viele verschiedene Gedenkstätten. Im „Yad Vashem Verlag“ werden regelmäßig verschiedene Forschungsergebnisse und Dokumentationen publiziert. Diese staatliche Einrichtung wurde schon bei der Gründung des Staates Israel geplant und recht zeitnah im Jahre 1953 gegründet. Die Aufgaben und der Zweck von Yad Vashem sind hierbei sogar staatlich geregelt. Der Name „Yad Vashem“ stammt aus der Bibel und bedeutet so viel wie „Denkmal und Name“. Es soll jeder Person ein Denkmal erbaut werden, an dem ihr Name ewig währt. Es ist also kein großes Geheimnis, dass hier so viele Dinge zu sehen sind, dass man hier locker die komplette Reise hätte verbringen können.

Unser straffer Reiseplan ist da etwas enger getaktet und so ergab sich für uns eher ein einzelner Tag. Da am Abend der Shabbat beginnen würde verkleinerte sich unser Zeitfenster noch mal, da das Museum an diesem Tag schon um 14:00 Uhr schließt.

Wir konzentrieren uns also nur auf das „Museum zur Geschichte des Holocaust“, welches das Kernstück dieser großen Einrichtung ist. Das Museumsgebäude ist wirklich beeindruckend. Der israelische Architekt Mosche Safdie entwickelte die Pläne für diesen einzigartigen Komplex. Dieser ist konzipiert wie ein großer Keil der sich durch den Berg bohrt. Anfangs ist dieser sehr standhaft und breit. Hier am Beginn der Ausstellung ist ein Film zu sehen über das jüdische Leben in Europa vor 1933. Man sieht Familien die essen und trinken, orthodoxe Juden auf den Straßen, Theaterstücke und Märkte. Wendet man sich von dem Film ab und geht ein paar Meter weiter, kommt man zu einer großen Wand, auf der viele tote Männer auf einem Haufen liegen, sie haben Klamotten an. Die Stimme des Audioguides erzählt dir, dass diese Männer in einem Arbeitslager untergebracht waren und kurz vor der Befreiung durch die rote Armee erschossen wurden. Man kam nicht mehr dazu die aufgehäuften Leichen zu verbrennen. Vor den Fotos dieser Männer sind verschiedene Gegenstände in einer Vitrine zu sehen. Es sind verschiedene Fotos, Uhren, Ringe und ähnliches. All diese Gegenstände wurden in den Taschen dieser Personen gefunden. Sie sind das letzte was diese Personen noch besessen haben, das Einzige was ihnen noch von ihrem früheren Leben an Erinnerung geblieben war. Dieser Kontrast, des früheren jüdischen Lebens in Europa und der fast kompletten Auslöschung dieser Menschen, dieses starke herunter brechen auf ein paar wenige Fragmente, zeigt unglaublich eindrücklich worum es hier eigentlich geht. Das jüdische Leben sollte komplett ausgelöscht werden und bis auf ein paar wenige Bruchstücke, bis auf diese metaphorischen Gegenstände in den Taschen hat dies auch geklappt.

Wir waren noch keine zehn Minuten in diesem Museum und ich war mental bereits völlig durch den Wind. Die Geschehnisse des zweiten Weltkrieges werden hier aus der Sicht der jüdischen Bevölkerung dargestellt und immer wieder mit den Berichten von Zeitzeugen verdeutlicht. Überall sind Menschen zu sehen die davon erzählen wie es ist sämtliche Verwandte in der Shoa zu verlieren, unter Leichenbergen zu liegen und erst nach gefühlten Stunden zu merken dass man fälschlicherweise doch nicht tot ist, oder wie es sich anfühlt in einem der Ghettos auf engstem Raum mit hundert tausenden anderen Menschen zusammen gepfercht zu sein. Von diesen Berichten gibt es unzählige, es sind so viele dass es für uns nicht annähernd möglich war sie alle zu hören und zu verarbeiten.

Das Museum ist komplett voll, überall sind Menschen. Unzählige Reisegruppen schlängeln sich durch die großen Gänge, vorbei an dem kalten Waschbeton, aus dem dieses Gebäude erbaut wurde. Es ist laut und stickig, ich versuche immer wieder ruhige Orte zu finden und mich mit einzelnen Themen intensiver auseinander zu setzen. Je weiter sich die Geschichte vollzieht, umso mehr die jüdische Bevölkerung in Europa unterdrückt und ermordet wird, desto enger und beklemmender wird das Dreieck, welches sich durch das Museum zieht. Es verdeutlicht wie die jüdische Geschichte schwindet. Die Zuschauermassen, gepaart mit der riesigen Fülle an Geschehnissen die hier dargestellt werden beschreiben ein Ohnmachtsgefühl, dass für mich oft mit der Shoa verbunden ist: Egal wie intensiv man versucht sich mit dem Thema außeinander zu setzen, egal wie viel man liest oder sieht, es bleibt unbegreiflich und nicht fassbar was dort geschehen ist.Ich erschrecke mich immer wieder, von wie vielen der hier dargestellten Ereignissen ich noch nie etwas gehört habe. Ich versuche mir viele Dinge zu merken, doch auch diese „neuen Themen“ sind am Ende zu viel um sie sich zu merken.

Gegen Ende der Ausstellung husche ich eher vorbei an den Vitrinen und nehme nicht mehr wirklich neues auf. Die Geschichte der Juden in Europa wird nach dem Ende des Krieges weitererzählt. Die „Displaced Persons- Camps“ werden gezeigt und auch die Auswanderung nach „Eretz-Israel“ wird dargestellt. Das Museum endet mit der Gründung des Staates Isreal. Kurz nach diesem Raum führt der Weg in die „Halle der Namen“. Am Anfang des Museums lagen Din A4 Zettel aus, auf denen man Personen eintragen konnte, die während der Shoa ermordet wurden. Diese Zettel werden hier gesammelt. Man betritt diese kreisrunde Halle über einen schwebenden Rundgang. Die Regale an den Wänden beginnen deutlich darunter und ragen viele Meter in die Höhe. Sie sind gefüllt mit tausenden Büchern im Din A4 Format. Nur an einem Ende der Halle sind noch ein paar Regalbretter leer. Bis heute sind nur etwa vier der sechs Millionen Namen der Juden bekannt, die im Holocaust ermordet wurden. Die Halle ist nach oben geöffnet, tageslicht flutet den Raum. In einer zylinderförmigen Decke sind über 600 verschiedene Holocaust Opfer zu sehen. Ich wandere verloren in dem Raum umher und beginne die Personen zu beobachten die hier gerade zusammen stehen. Einige tragen Kippa. Mir stockt der Atem bei dem Gedanken daran, dass wahrscheinlich jeder von ihnen Angehörige hatte, die in einem dieser Bücher stehen.

Etwas wackelig auf den Beinen trage ich mich aus der großen Halle zurück in den Keil des Museums. Dieser verbreitert sich an dieser Stelle wieder und beginnt sich zu öffnen. Ich gucke noch einmal zurück und kann weit hinten immer noch die Videoinstallation vom Anfang sehen. Auf der Seite auf der ich nun stehe steigt das Dreieck nun leicht an und öffnet sich. Es endet auf einem Balkon der einen wunderbaren Ausblick auf die Berge in der Umgebung Jerusalems ermöglicht. Hier geht die Geschichte weiter.

Für den Skulpturengarten bleibt nur noch sehr wenig Zeit. Kurz schlendere ich noch ein wenig umher und bleibe an dem ein oder anderen Denkmal stehen, ohne mich allzu intensiv mit ihnen zu beschäftigen. Zurück in der Stadt kaufen wir die letzten Lebensmittel für unser Shabbatessen ein. Auf dem Markt schließen viele Stände schon und wir müssen uns beeilen rechtzeitig fertig zu werden. Am Abend sitzen wir lange zusammen und essen die wunderbarsten Speisen. Es gibt selbstgemachtes Shakshuka, Humus, viel Brot, Erdbeeren, Weinblätter, Salat, Oliven und vieles mehr. Es ist reichlich für alle da. Nach dem Essen reden wir lange über unsere Eindrücke vom Tag, bevor wir uns nach und nach in unsere Betten verziehen.

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