प्रकाशित: 17.12.2021
17.12.2021: Der Artikel erscheint reichlich spät. Mir ist die erste fertige Version leider flöten gegangen, deswegen erst jetzt, dafür mit umso mehr Inhalt. Viel Spaß 😊
Es ist Mitte Oktober. Um mich dröhnt und tost es. DieLuft, sonst so oft klar und ruhig, ein Gegengewicht zu dem Stress des Alltags,vibriert förmlich mit Energie und inszeniert in meinem Kopf ein unwirkliches Orchester an Geräuschen. Ich richte meinen Blick gegen den grauen Mittagshimmel. Die Wolken, schwer beladen, geben ihre Fracht nur allzu gerne preis. Der Hagel versieht unsere ungeschützten Gesichter mit tausenden Stichen und ich schütze es mit meinen Armen. Ein Ziehen an meinem Körper, gefolgt von einem ruckartigen Stoß bringt mich aus dem Gleichgewicht und der Impuls drängt mich 3 Meter zurück. Wieder auf sicheren Füßen blicke ich hinter mich. Die Masse der Wolken kann nicht verhindern, dass durch einen Spalt in der Wolkendecke Sonnenlicht dringt. In der grauen von Regen und Hagel durchsetzten Landschaft bildet sich ein Regenbogen, welcher förmlich inmitten der Bucht von Hoddevika aufsetzt. Euphorisch wende ich mich wieder vom Strand ab, um das Hereinbrechen der nächsten Welle zu erwarten. Zwei Bergketten fassen das Meer vor mir in Form eines Hufeisens ein und bilden die Grenzen meines Sichtfelds. Die von der Szene vermittelte Unwirklichkeit und Schönheit wird von einem weiteren Stoß unterbrochen. Anstatt vom Meer auf den Strand zuzurollen, bewegte sich die einmeterfünfzig hohe Front parallel zum Strand. Diese unerwartete Wellenrichtung erfasste mich achtlos und trug mich diesmal auch unter die Wasseroberfläche. Die Antwort auf die Frage wie eine Wellenfront eine solch unerklärliche Richtung einschlagen kann musste warten bis ich mich wieder an der Wasseroberfläche befand.
Warum befand ich mich in einer kleinen Bucht mit dem Namen Hoddevika? Nun, dieses Semester erlaubten es die Coronaregelungen wieder, dass offizielle Studentenorganisationen Reisen organisieren durften. Als ich mir den Plan Anfang dieses Semesters durchlas, war ich sehr erfreut zu sehen, dass, wie auch in Semestern vor der Corona-Zeit, wieder ein Surftrip auf Hoddevika geplant war. Zur exakten Minute des Ticketverkaufsstarts stand ich also bereit und sicherte mir meinen ersten Surfkurs. Für 200 Euro waren Mietwagen, Unterkunft und Kurs doch recht erschwinglich und die 4 Tage inklusive Roadtrip sollten genug Abwechslung bieten, um das Geld mehr als wettzumachen. Und so fuhr ich mit 3 weiteren Studentinnen am 14.10 Richtung Süden und der Westküste entgegen. Etwa 8 andere Autos mit Teilnehmern waren ebenfalls auf unterschiedlichen Strecken in diese Richtung unterwegs.
Die Halbinsel empfing uns mit regnerischem Wetter, was während unserer Zeit dort nur selten unterbrochen werden sollte. Unser „Surfcamp“ bestand aus zwei großen Häusern in denen sich mehrere 2-4 Personen Zimmer befanden. Da ich mit meinen Mitfahrern leider zu spät kam musste ich „notgedrungen“ das einzige Einzelzimmer mit einem Doppelbett nehmen. Viel Platz, um sich von den Tagesaktivitäten zu erholen. Die erste Surfstunde am nächsten Tag war 14:30, so dass ich den Morgen nutzte, um die Gegend zu erkunden und mir die lokale Flora genauer anzuschauen. Hoddevika sollte ein Paradies für diverse Pilzarten sein und der Herbstregen bringt das ein oder andere Käppchen zum Vorschein. Nach der Sammeltour ging es zu dem Surfunterricht, zu dem ich prompt zu spät kam. Ein großgewachsener Portugiese begrüßte mich nichtsdestotrotz herzlich und gab mir die Einweisung in den Neoprenanzug. Joãn war ein 40-jähriger Surfdude wie aus dem Bilderbuch. In der grauen regnerischen Landschaft stach er mit seinem heiteren und sonnigen Charakter doch gut heraus. Auch die Theorie und Trockenübungen waren schnell geklärt und wir konnten uns in die Wellen begeben. Zunächst noch mit einem Schubser, ließen wir uns vom Schaum der gebrochenen Wellen schieben und machten Versuche mit den gelernten Bewegungen auf die Beine zu kommen. Nach kurzer Zeit durften wir uns in Eigenregie die Wellen wählen und am Ende des Tages schafften es fast alle sich im Stand auf dem Boards zu halten. Kurz vor der Dunkelheit (die meisten Teilnehmer hatten den Heimweg schon angetreten) deponierte ich mein Board am Strand, um mich noch etwas in die Wellen zu werfen. Nach einem darauffolgenden Tacoabend war der anstehende Schlaf wohlverdient.
Der nächste Tag kam mit einer zeitigen Surfstunde und drastisch veränderten Wellenverhältnissen. Durch die hohe Flut lag die Wasserlinie 50 Meter tiefer im Landinneren. Der Wind war etwas stärker und die Wellen und die Wellen höher. Kommt dann einmal eine Wellenpause zieht sich das Wasser unter einem wieder ins Meer zurück. Den einen Augenblick noch hüfthoch, zerrt der kräftige Sog so das Wasser bis auf knöchelhöhe wieder in das Nordmeer, bevor die nächste Wellenfront wieder Nachschub an den Strand liefert. Durch die zeitweilig starke Strömung vom Strand kollidierten Wasserströme aus unterschiedlichen Richtungen, wobei die fabelhaften Wellenfronten entstanden, die sich parallel zum Strand bewegten. Ein wahres Naturschauspiel. Unter der Wasseroberfläche zunehmend Sandlöcher ausgespült. Den einen Moment noch bis zum Bauchnabel im Wasser, konnte man beim nächsten Schritt schon halstief im Wasser stehen. Durch die erschwerten Bedingungen lässt sich erahnen, dass ich an diesem Tag auch nicht ganz ungeschoren davongekommen bin. Auf einer gebrochenen Welle dem Strand entgegenschwebend, machte ich mich für den Abstieg bereit. Zu spät bemerkte ich die zweite Welle, welche meiner direkt nachgelagert war und mir einen erneuten Schub mitgab, der mich unkontrolliert absteigen ließ. Durch den unebenen Untergrund knickte ich um und zerrte mir wohl etwas. Noch ein paar Wellen konnte ich trotzdem nehmen. Die gedrückte Laune, fiel Joãn mit seinem Gespür natürlich sofort auf. Es sei wichtig sich nicht in die Negativspirale im Kopf ziehen zu lassen und das Vertrauen in das gelehrte und das Muskelgedächtnis zu bewahren. Wie Recht er dabei hat. So endete der Tag und trotz kleinem „Andenken“ hat es sich voll gelohnt. Auf der 10-stündigen Rückfahrt nach Trondheim nahmen wir die Küstenroute. Die Landschaft bot uns an diesem Tag fast alle Wetterphänomene, die man zu Gesicht bekommen kann. Regen, Hagel, Schnee, imposante Wolkenformationen und ein dutzend Regenbögen. Am Abend hatten wir uns dann trotzdem die Ruhe von der langen Fahrt verdient. Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ich auf einem Surfbrett unterwegs bin…
In Trondheim blieben ganze 3 Tage, um meine Uniangelegenheiten zu klären, bevor die nächste Reise anstand. Da viele meiner Freunde dieses Semester noch nicht die malerischen Lofoteninseln entdecken durften, hatten wir zusammen einen Trip organisiert und ich ließ mir die Chance die Inseln ein drittes Mal zu entdecken natürlich nicht nehmen. So ging es am 21.10 mittags mit einer Propellermaschine gen Norden. Der Fakt, dass das Flugzeug von zwei Rotoren, anstatt von Turbinen angetrieben wurde, tat der Beschleunigung keinen Abbruch und nach 80 Minuten landeten wir in Evenes. Etwas nördlich der Inseln gelegen, mieteten wir dort zwei Autos, um die 5-stündige Reise auf die Spitze der Inseln im Süden anzutreten. Ein drittes Auto wurde freundlicherweise von der Familie meines norwegischen Mitbewohners zur Verfügung gestellt, welcher uns ebenfalls begleitete. Unsere Unterkünfte lagen auf der vorletzten Insel Flakstadøya. Eines der gemieteten Häuser konnte ich bereits während meiner Osterreise austesten und so folgte man meiner Empfehlung zu dieser Unterkunft. Die zweite lag 50 Meter entfernt an der Straße und besaß einen Steg, an dem sich neben einer Minisauna ebenfalls auch noch ein beheizter Hot Tub befand. Diesen nutzten wir während unsere Zeit dort ausgiebig, um nach den Tagen zu entspannen. Das Wetter war die meiste Zeit etwas regnerisch und so nutzten wir den einzigen wolkenfreien Tag, um uns ein nahegelegenes Highlight anzuschauen. Mir schon bekannt, war Kvalvika Beach die gewünschte Destination. Anders als im Frühling bot sich nun eine richtige Winterlandschaft mit frischem und tiefem Schnee. Trotz des schweißtreibenden Aufstiegs an der Flanke des Berges Ryten von dem man eine klasse Aussicht auf Kvalvika hat konnten wir uns an der Spitze ein Gruppenfoto mit Oberkörper frei nicht entgehen lassen. Da wir eine internationale Truppe sind, bereitete es mir immer eine wahre Freude Vorurteile und Stereotypen der Länder zu überspitzen. Einer meiner liebsten (fragwürdigen) Kampfansagen: „Germany has never lost a war in history… or started it!!!“ (Deutschland hat noch nie einen Krieg verloren… oder angefangen!!!). Danach schieße ich natürlich den ersten Schneeball. Unserer Britin fällt dabei fast vor Schreck ihr gemilchter Schwarztee aus der Hand und die Italiener fangen an mit Pasta zurückzuschießen… So viel zu Stereotypen. Jedenfalls haben wir das gute Wetter an dem Nachmittag noch genutzt, um den malerischen Reinebringen zu besteigen. Die Stufen zu dem Gipfel wurden mittlerweile von den nepalesischen Shepas fertiggestellt. Durch den Schnee und das Eis, welche zu erwarten waren, gingen nur 6 Leute. Mich natürlich eingeschlossen. Zum Anfang noch schneefrei, ging es in Gipfelnähe am sichersten auf allen Vieren. Dennoch lohnte sich der rutschige Aufstieg und die Dämmerung tauchte Reine vor uns in eine Abendstimmung. Die Landschaft hingegen überzeugte wie immer mit zerklüfteten Bergen und tiefen Fjorden, welche sich in die kleine Insel einschneiden. So schön die Dämmerung zur Stimmung beitrug, so sehr fiel uns auf, dass der Abstieg wohl im Dunkeln nicht ganz so angenehm wäre. Und so tasteten wir uns in zunehmender Dunkelheit über die Stufen den Berg wieder hinab. Der Abstieg war diesbezüglich auch schwerer als der Aufstieg und vielmals setzte es uns auf den Hintern, am Ende kamen aber alle sicher am Fuße an. Die Sauna und den Hot Tub hatten wir uns danach verdient. Ansonsten haben wir noch einen kleinen Roadtrip durch die Umgebung gemacht, örtliche Museen besucht und einen Geburtstag gefeiert. Unsere Britin musste natürlich auf dem Roadtrip das geliehene Auto meines Mitbewohners in den Graben setzen aber da die örtliche Bevölkerung gewohnt ist Touristen aus eisiger Patsche zu helfen, fand sich bald ein Traktor, der uns wieder startklar machte. Alles in allem ein sehr schöner Miniurlaub.
Ebenfalls ergab es sich, dass ich zum ersten und vielleicht einzigen Mal das große Haus der Studentenvereinigungen besuchte. „Studenter Samfundet“ (Studenten Zusammenschluss) ist ein markantes großes, rundes und rotes Gebäude, welches in der Nähe des Nidarosdoms an der anderen Flussseite steht. Betrieben wird es ausschließlich von freiwilligen Studierenden und dort zu arbeiten ist sehr beliebt. Das gesamte Gebäude besitzt mehrere Tanzflächen und ganze Clubs, ein Restaurant, Bars und Cafes. Ebenfalls die Technik auf den Konzerten wird von Studenten bedient. An besagtem Abend war ich mit Freunden zu einem LeMaitre Konzert, einer norwegischen Band mit allerdings überaus abwechslungsreicher und energetischer Musik. Die Atmosphäre ließ wirklich nichts vermissen und es schien genauso wie ein professionell organisiertes Konzert. Den restlichen Abend verbrachte ich damit durch das Gebäude zu streunen und alle Ecken zu entdecken. Es wirkte fast wie ein Labyrinth und das Gefühl dort lässt sich wohl am besten mit „Alice im Wunderland“ beschreiben. Zu sehen was von der Studentengemeinschaft hier aufgebaut wurde, hat mich wirklich tiefe Bewunderung für alle Mitwirkenden fühlen lassen.
In der darauffolgenden Woche buchten wir mal wieder eine Cabin und leihten Skier bei dem uniinternen und ebenfalls freiwillig betriebenen Leihbetrieb „Bumerang“ aus. Da von unseren 3 Autos lediglich mein Seat die Länge zur Aufnahme der 12 (!!!) Paar Skier hatte, fuhren ich und meine 3 Passagiere wohl etwas beengt. Manchmal drückten die Skier so sehr gegen den Schalthebel, dass ich diesen regelrecht in den fünften Gang boxen musste. Auch musste ich an der Cabin festellen, dass mir zu professionellen Skilanglaufkarriere wohl noch ein paar Übungsstunden fehlen. Bei einer Bruchlandung schaffte es mein Knie doch tatsächlich durch meine Wanderhose und meine teure Wollunterhose zwei solide Löcher zu stanzen. Natürlich war auch das Knie stanzgeschädigt und musste in der Cabin erstmal versorgt werden. Lediglich meine Baumwollunterhose ärgert mich, weil diese von allem wahrscheinlich am schwersten mit dem dünnen Stoff zu flicken ist… Natürlich ist das Knie auch irgendwie wichtig aber das hat mich immerhin nicht 50 Euro gekostet ¯\_(ツ)_/¯ …
Am 18. November war es schließlich so weit. Nach 11 Monaten im Norden habe ich endlich mal wieder Gesichter aus der Heimat begrüßen dürfen. 3 meiner Freunde hatten sich mit dem Auto auf die Reise gemacht, um Norwegen und mich in Trondheim zu besuchen. Geplant waren 4 Nächte in Trondheim eine Nacht in einer Cabin eingeschlossen. Das Wetter war durchgängig herbstlich norwegisch. Mit anderen Worten, Regen satt. Also fielen die Spaziergänge durch die Stadt vorerst ins Wasser. Museen und Restaurants lassen sich zum Glücke auch bei schlechtem Wetter gut erleben und so statteten wir dem Naturwissenschaftlichen Museum der NTNU einen Besuch ab. Eine schöne Ausstellung nicht nur über Natur sondern auch über die Vergangenheit Trondheims und aktuelle ökologische Probleme. Ein Besuch im markanten „Tyholt-Tornet“ (Tyholt-Turm) durfte natürlich auch nicht fehlen. Pro Stunde dreht sich das über 50 Meter hochgelegene Turmrestaurant einmal im Kreis und bietet eine einzigartige Stadtansicht.
Abgeschlossen wurde dann mit einem Ausflug zu Flåkoia. Einer Hütte der Uni die Sommer wie Winter leicht zu erreichen ist und neben einer gut isolierten Sauna ebenfalls einen direkten Zugang zu einem See besitzt. Nachdem wir merkten, dass kein Holz in der Cabin vorhanden war, brachen einige von uns auf, um an der lokalen Tankstelle zwei Packen Feuerholz zu beschaffen und zurückzutransportieren. Das trockene Birkenholz verhalf uns dann auch schnell zu höllischen Sauna Temperaturen. Mit Musik und einem kuehlen Getraenk liess sich die Hitze jedoch gut aushalten und wir pendelten zwischen Sauna und See. In der Cabin folgte dann das Essen. Während wir es vorbereiteten, fiel uns nun ganz auf, was wir schon den ganzen Nachmittag vermutet hatten. Hier und da blickten uns unschuldige kleine Äuglein aus den Ecken an und in den Winkeln des Blickfelds nahm man immer mal Bewegungen wahr. Wir teilten uns die Hütte mit unzähligen kleinen Mäusen, die ganz dreist und furchtlose überall langkrabbelten. Beim Kochen des Curries fühlte ich mich wie im Film „Ratatouille“ mit den ganzen Mäusen, die neben den Topfen saßen und kritisch meine Kochkunst verfolgten. Fehlte nur noch, dass eine Maus auf meinen Kopf meine Bewegungen steuert. Auch beim Essen mussten wir immer wieder die Bänke freimachen. Demnach fiel die Nacht auch unruhig aus. Zweimal ist eine Maus über mich gehuscht, worauf man natürlich immer hochschreckte. Auch hörte man ihre Erkundungstouren die ganze Nacht. Am Morgen sahen wir dann die leichteren unaufgehängten Sachen unseres Gepäckes auch dementsprechend verstreut. Unsere Mitbewohner konnten es sich auch nicht nehmen lassen, die Hütte regelrecht vollzukötteln. Zur Krönung lag in jedem unsere Wanderstiefel als Geschenk jeweils ein Köttel. Nach meiner Meldung an die Cabincrew blieb Flåkoia für die kommenden zwei Wochen auch geschlossen. Die Ungezieferplage wurde demnach auch in den Griff bekommen. Sehr vorteilhaft, wenn man plant den Weihnachtsabend in ebendieser Hütte zu verbringen.
Auf drei Wochen Uniarbeit folgte der vierte und letzte größere Trip. Das Erasmus Student Network hatte eine Reise ins finnische Lappland organisiert und am 22.11 setzten wir uns um 20:00 mit 60 Studenten in den engen Reisebus und traten die 16 Stunden Fahrt an. Ich fuhr mit Claire, einer französischen Freundin aus Trondheim und durch die begrenzte Platzanzahl konnte jeder Passagier auch wirklich nur einen Sitzplatz belegen. Schlaflosigkeit vorprogrammiert. In dem kleinen finnischen Städtchen Levi angekommen, stieg neben mir eine Studentin aus. 30 Zentimeter kleiner als ich, verzog sie schmerzerfüllt das Gesicht und beschwerte sich über die unbequemen Sitze. Ich konnte angesichts dieser Beanstandung nur ein gequältes und übermüdetes Schmunzeln aufbringen. Die einheitlich in weiß gekleidete Landschaft ließ die Unannehmlichkeiten jedoch schnell vergessen. Mit -10 bis -15 Grad Celsius kam ein schönes Wintergefühl auf. Ich teilte mir ein Appartment mit 7 weiteren Leuten. Groß und gut ausgestattet hatten wir natürlich auch ganz im finnischen Stil eine Sauna im Keller, die ich jeden Abend ausgiebig ausnutzte. Der erste Tag wurde von mir und meinen Mitbewohnern dafür verwendet, den Ort zu erkunden und die finnischen Einkaufsgelegenheiten zu nutzen. Levi ist eine Stadt die als ein touristischer Ort für das nebenan gelegene Skiressort dient. So hatten wir von unserem Apartment einen direkten Blick auf den 200 Meter entfernten Abfahrtsskihang. Preislich liegen die Einkaufsmärkte etwas unter denen von Norwegen. Preise sind eventuell auch durch den Tourismus etwas intensiver als imm übrigen Finnland. Auch Alkohol ist durch die staatlichen Monopolmaerkte „Alko“ streng kontrolliert und nur geringfügig preisgünstiger als in Norwegen. Der darauffolgende erste Tag brachte die ersten organisierten Ausflüge mit sich. Im Reisebus ging es zu einem lokalen Huskyzüchter. Inmitten des verschneiten finnischen Waldes gelegen erwartete uns beim Ausstiegen die eisige -20 °C kalte Luft. Bellen und Heulen war ebenfalls bereits zu vernehmen. Die 24 Teilnehmer, die in der ersten Busgruppe mitfuhren, wurden auf jeweils 12 Hundeschlitten aufgeteilt und vor jedem Schlitten waren schon 5 Hunde vorgespannt. Die Tiere bildeten ein breites Spektrum an Emotionen ab. Von schwanzwedeln und aufgeregtem Bellen bis hin bis zum verängstigten Jaulen war alles vertreten. Zu Beginn fragte ich mich daher auch direkt, ob diese Atmosphäre die Tiere nicht zu sehr stresst und überfordert. Die Tiere so jeden Tag auf Dutzende Touristen und Artgenossen treffen zu lassen, verstimmte mich zunächst etwas. Nichtsdestotrotz waren sie sehr motiviert loszurennen. Ich durfte die erste Fahrt das Steuer übernehmen, während meine Mitfahrerin gemütlich auf dem Schlitten saß. Zum Bremsen wurde ein Metallgestell verwendet, auf welches man treten konnte. Selbst mit vollem Körpergewicht darauf zustehen hat manchmal kaum ausgereicht, um die eifrigen Tiere am Losstürmen zu hindern. Die Fahrtspur durch den finnischen Wald war gut vorbereitet, so dass das Lenken fast von allein ging. Nach der Hälfte der Strecke wurden die Fahrer gewechselt und ich durfte mich chauffieren lassen. Alle haben das Fahren auch gut hinbekommen, bis auf ein Portugiese, der sich in den Schnee gelegt hat und die Hunde mitsamt Mitfahrerin hat wegstürmen lassen. Nach der Fahrt gab es noch warme Getränke und Hintergundinfos von der Frau des Huskybesitzers. Dort merkte ich dann auch, dass die Hunde hier gut aufgehoben sind. Das kleine Team aus 5 Leuten kümmert sich wirklich gut um jeden einzelnen Husky. Der Stress, der bei einigen Hunden am Start festzustellen war, kam durch den Fakt, dass es auch im Tierreich schüchterne Tiere gibt. Das ändert jedoch nichts daran, dass auch diese Spaß an der Bewegung haben. Im Sommer haben sie dann Pause bis die Wintersaison losgeht, wo sie von 10-16 Uhr „arbeiten“. Ein Tierjob der also genug Ausgleich bietet. Alles in allem ein sehr schönes Erlebnis.
Am Nachmittag war dann Skilanglauf angesagt. Auf einem nahegelegenen Track bekamen wir die Schuhe, Stöcke und Skier und durften direkt loslegen. Viele praktizierten diesen Sport zum ersten Mal und hatten deswegen so ihre Startschwierigkeiten. Meine Übung zahlte sich so langsam aus und die schön tiefen Skispuren machten es leicht sich im Stand zu halten. Tags darauf war ein optionaler Trip an die norwegische Küste angesagt. Da dieser allerdings 60 Euro kostete und eine lange Busfahrt beinhaltete, wollte ich den Tag nutzen, um das lokale Skigebiet zu befahren. Nach dem Leihen der Ausrüstung und dem Kaufen des Skipasses konnte es losgehen. Ich fuhr mit meiner französischen Gefährtin, welche ihrerseits Anfänger war. Wir merkten allerdings schnell, dass unsere früheren Schaflausfliege in die Skilager etwas gebracht hatten und bald konnten wir sicher die flacheren Hänge hinabrauschen. Von dem Berggipfel aus hatte man eine sehr weite Aussicht über das sonst so flache Finnland. Die allumgebenden Schneekanonen schafften teilweise einen sehr dichten feinen Schneenebel, der die Sicht erschwerte aber eine abwechslungsreiche Atmosphäre gab. Am Abend schauten wir uns noch in den lokalen Shops des kleinen Städtchens um.
Der letzte volle Tag in Levi startete mit einem Ausflug in das „Northern Lights Village“ (Nordlichtddorf), wo man für läppische 500 Euro pro Nacht einen personalisierten Nordlichtalarm in der Nacht bekommt in die Unterkunft bekommt. Glasdach natürlich eingeschlossen. Dort finden sich auch ein paar Rentiere, die von den lokalen Einwohnern als Touristenattraktion genutzt werden. Bei unserer Ankunft stand schon ein sehr spezielles Exemplar neben der Feuerstelle bereit, um die liebevollen Umarmungen zu empfangen. Für seine überaus entspannte Art gewählt, war der Rentierbulle die Ruhe selbst und wir konnten in Ruhe das Tier begutachten. Ebenfalls inbegriffen war eine kurze Fahrt im Rentierschlitten. Eine andere Bekannte war vor uns dran und riet uns den ersten Schlitten zu reservieren. Während der Fahrt wurde sehr schnell klar warum. Das Rentier des Schlittens hinter uns war sehr neugierig und lief auf unserer Höhe neben unserem Schlitten oder steckte seinen Kopf zwischen uns hindurch. Wenn die Brille beschlägt, weil ein Rentier mit seinem Atem so nahe zu einem steht, dann ist das schon etwas Besonderes.
Am Abend gab es dann noch die letzte geplante Aktivität. Nachtwanderung mit Schneeschuhen und Kopflampen. Ich war noch kriegstreiberischer als sonst und mit ausgeschalteter Kopflampe tauchte ich immer wieder ins dunkle Unterholz ab, um Schneebälle auf die unbedachten Ziele regnen zu lassen. Sehr unterhaltsam in vielerlei Hinsicht. Auch in Dunkelheit und Stille unter dem Sternenhimmel zu liegen, wird eine schöne Erinnerung hinterlassen. Der nächste Tag begann zeitig mit dem Reinigen des Apartments und dem Aufbruch mit dem Reisebus gen Trondheim. Zwei Stationen waren noch zwischengeplant. Zuerst das Santa Claus Village im Süden Finnlands. Dort lebt doch tatsächlich der echte Weihnachtsmann und empfängt die strahlenden Augen der Kinder und Austauschstudenten. Um seine Wünsche loszubekommen und ein Foto mit Santa zu erhalten, muss man allerdings erstmal 10 Euro hinblättern. Karte bevorzugt. Aber der Alkohol, mit dem sich unser aller Lieblingsschwergewicht über den Sommer rettet, muss im teuren Finnland ja irgendwie bezahlt werden. Spaß beiseite, es war schon ein sehr auf Massentourismus ausgerichteter Ort mit mehreren dutzenden Shops, die alle etwa dasselbe Sortiment anbieten.
Die Stunde die wir Zeit hatten, hat also locker ausgereicht und wir fuhren zum Arktikum, einem Museum zum Leben über dem arktischen Zirkel. Auch umwelttechnische Probleme wurden angesprochen aber das der Klimawandel für die Polarregionen eine Gefahr darstellt ist ja hinreichend bekannt… Und dann ging es bequem wie in einer Zwangsjacke in 16 Stunden zurück nach Trondheim. Dort wurden wir ebenfalls überrascht. Abgefahren in regnerischem Wetter und 10 Grad Celsius, stand die Temperatur nun auf winterlichen -12 Grad Celsius.
Trondheim hatte sich auch in ein Winterkleid gehüllt. In den folgenden Tagen gab es immer wieder kleinere Schneefälle, so dass ich es kaum erwarten konnte, wieder mal eine Winterwanderung zu machen. Auch wenn ich den Sommer im April und Mai sehnlichst begrüßt habe, so war nun doch wieder das Verlangen da, die Stille der schneeummantelten Natur unter der niedrigstehenden Sonne zu erleben. Aus meiner Freundesgruppe hier in Trondheim begleiteten mich dazu ein Däne und zwei Italienerinnen. Da die Estenstadmarka bequemerweise direkt zu Fuß von unserem Studentenwohnheim zu erreichen ist, war der Weg nicht weit und ich traf mich mit den dreien kurz vor dem Start des Wanderweges. Das satte, moosige Grün des Nadelwaldes ist dem Weiß gewichen und die Luft war kalt und klar. Die Sonne schickte ihre Strahlen im flachen Winkel zu den Spitzen der Baumkronen und hüllte uns am Berggipfel in ein warm-gelbliches Orange. Der Schnee reflektierte dieses Farbenspiel und schuf einen Anblick, den man so nur im Winter finden kann. Hüfthoher Tiefschnee, Schneewehen, und Schneekämpfe rundeten alles ab. Mit einer imposanten Aussicht über Trondheim hätte man sich einen Wintertag nicht schöner wünschen können.
Nun ergibt es sich, dass sich das Semester dem Ende nähert und die ersten wieder zu verabschieden sind. Noch ein letztes Mal etwas zusammen unternehmen oder einen Trip machen. Ich hatte bei einer der ersten Kennenlernabende am Semesterstart ein paar Italiener kennengelernt und wir haben hier und da etwas unternommen. So folgte, dass ich von Ihnen auch auf eine kleine Reise nach Bergen eingeladen wurde. Diese sollte jetzt im Dezember vom 14. bis zum 17. stattfinden. Neben mir waren also noch 4 Italiener auf der Reise dabei, wovon einer der mir besonders ans Herz gewachsen ist danach wieder direkt nach Italien zurückkehrt. Und so nutzten wir die Zeit, um uns nochmal über Gott und die Welt zu unterhalten und die ehemalige Hansestadt Bergen zu begutachten. Mit den aus alter Zeit verbleibenden Hafenhäusern macht der Kai in Bergen einen altehrwürdigen Eindruck und ist auch nicht umsonst Weltkulturerbe. Zwischen diesen Kaihäusern kann man die instandgehaltene Holzarchitektur erleben und sich ausmalen wie vor einigen hundert Jahren reges Treiben der deutschen Kaufleute die Luft erfüllte. Heute werden in diesen Häusern nicht mehr Getreide, Stockfisch oder Pelze gelagert, sondern Souvenirs an den Mann und die Frau gebracht. Auch Kunstateliers und Restaurants sind Teil der Gebäude.
Bergen im weitgefassteren Spektrum ist auch eine sehr sehenswerte Stadt. Vielleicht liegt es an dem Gewöhnungseffekt aber die Gassen und Häuser sind doch etwas reizvoller als die Trondheims. Ganz dem Namen nach liegt Bergen auch umgeben von hochreichenden Massen aus Stein und Wald. Die lokalen Einwohner schwören auf die Wanderwege direkt neben der Stadt und auch wenn wir nicht die Gelegenheit hatten dies zu überprüfen, besteht daran kein Zweifel. Dem umgangssprachlichen Namen der „regenreichsten Stadt Europas“ machte Bergen auch bei unserer Aufenthaltszeit alle Ehre und Regenschirme gehören zu essentiellen Utensilien in der feuchtmilden Golfstromluft an der Westküste. Gruppendynamisch hatte ich anfangs ja meine Bedenken als einziger Nicht-Italiener dabei zu sein aber die meiste Zeit war Englisch die Standardkommunikation und wenn nicht konnte ich gleich mal ein paar italienische Wörter aufschnappen. Solange ich für mich behalte dass ich Spaghetti länger als al-dente koche, habe ich mit diesem Völkchen eine sehr harmonische Zeit.
Nun am 17.12 bin ich wieder in Trondheim und erwarte die nächsten Tage. Nach einer großen Geburtstagsfeier heute wird morgen ein weiterer Besucher aus der Heimat ankommen, der am 23.12 von noch mehr Besuch abgelöst wird. Mal sehen was sich in der Zeit so getan hat.