Von arrangierten Ehen und "love marriages"

יצא לאור: 10.01.2018

Hätte ich niemals erwartet, dass arrangierte Ehen noch so verbreitet sind in Indien. Ich hatte gedacht, dass die Ehen höchstens noch auf dem Land von den Eltern initiiert und arrangiert werden und dass es in den Städten heutzutage schon anders vorgeht.

Doch da hat Indien mich mal wieder überrascht. Gerade vor ein paar Wochen ist eine Bekannte von mir als Single zur Hochzeit ihres Bruders in ihre Heimat Delhi gefahren - und kam verlobt wieder zurück. Sie kannte ihren Bald-Ehemann zum Zeitpunkt der Verlobung gerade 11 Tage. Ihre Eltern und seine Eltern hatten sich schon abgesprochen und als sie in Delhi war, war schon alles geregelt und sie durfte die andere Familie und ihren Zukünftigen kennenlernen.

Aber wie läuft sowas ab? Erstmal erstellen die Eltern eine Art Lebenslauf, in dem z.B. Geburtsdatum und die genaue Uhrzeit der Geburt angegeben ist, damit die Sterne bestimmt werden können (diese müssen nämlich zusammenpassen). Außerdem enthalten ist die Kaste und die Religionszugehörigkeit. Dann gibt es sogenannte "Matrimonial websites" - das ist sowas wie Tinder für Eltern (googelt es, ist echt interessant), wo Eltern im Internet jemanden für ihr Kind suchen können. Verbreitet (und traditionell) ist aber auch, dass die Eltern sich in ihrem Bekanntenkreis umhören - wer kennt jemanden aus derselben Kaste, der im heiratsfähigen Alter noch single ist, etc.

Als meine Bekannte dann in Delhi war, ist sie zu einem Gespräch mit der Mutter und der Schwester des Mannes gegangen - eine Art Bewerbungsgespräch. Sie haben über ein paar grundlegende Dinge geredet, bevor sie dann schließlich den Jungen kennenlernen durfte. Die beiden durften Zeit allein verbringen und alles bereden. Schließlich haben die beiden sich füreinander entschieden bzw. haben ihren Eltern zugestimmt und dann wurde auch schon direkt die Verlobung geplant (die wie gesagt 11 Tage später stattfand).

Ich muss echt sagen, dass ich anfangs etwas geschockt war. Aber - und das ist das Wichtigste - sie ist wirklich glücklich mit der ganzen Situation und freut sich auf die Hochzeit. Ich will hier auch gar kein falsches Bild darstellen - das ist nun mal, wie es in Indien passiert. Man muss jedoch auch unterscheiden, dass arrangierte Ehen KEINE Zwangshochzeiten sind! Man kann auch "nein" zum Vorschlag der Eltern sagen.

Seit dieser Geschichte habe ich mit vielen Indern darüber gesprochen und sie haben bestätigt, dass ein recht hoher Anteil an Hochzeiten tatsächlich arrangiert ist. Jemand sprach von 80 % - aber ich weiß nicht, wie valide der Prozentsatz ist. Eine andere Freundin von mir meinte mal, dass sie selbst es auch am besten finden würde, wenn ihre Eltern ihr jemanden suchen, weil es alles viel einfacher macht. Man muss in dieser Kultur so viele Dinge beachten, die der oder die Zukünftige erfüllen muss (Kastenzugehörigkeit z.B.), um in der jeweilig anderen Familie akzeptiert zu werden. Und die Familie ist bekanntermaßen eines der wichtigsten Konstrukte im Leben der Inder und hat eine große Macht.

Wie gesagt - Hauptsache ist, dass alle glücklich sind!

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