પ્રકાશિત: 24.05.2017
Meine Zeit in Buenos Aires, dann doch eineinhalb Monate, war eher eine innere Reise anstatt äußeren Ortswechseln. Drum fiel mir dieser Eintrag auch recht schwer. Eine Form zu finden und mich nochmal mit all diesen persönlichen Themen zu konfrontieren, die sich nach wie vor durch mein Leben ziehen. Der Text hat mir einige unruhige Nächte bereitet, da er einfach nicht fertig werden wollte (bzw in diesem Moment immernoch nicht will), mir viel zu lang erscheint und ach ja, überhaupt. Und trotzdem ist "sein lassen und überspringen" keine Option. Nicht nur, dass schon so viel Zeit drin steckt, ich will es auch für mich nochmal reflektiert haben. Und aufgehoben. Und mit allen teilen, die sich für mein Leben und meine Reise interessieren.
Aber es ist eben nicht einfach, so wie es für mich oft nicht einfach war. Ich wurde mit meinen Schmerzen konfrontiert, mit dem Thema, wofür Aufstehen?, wem gegenüber muss man sich für was rechtfertigen?, was bedeutet bitteschön diese Freiheit, wenn es sich gar nicht so anfühlt?
Aber erstmal von vorne:
Als ich am Donnerstag den 27.4. morgens mit dem Bus in Retiro ankam, dem riesigen Busterminal von Buenos Aires, wurde ich von Karin abgeholt. Karin ist eine Freundin von Ute, die wiederum eine gute Freundin meiner Mutter ist und bei der ich mich schon als Kind immer superwohl gefühlt habe. Als Ute von meiner Mama also erfuhr, dass ich nach Buenos Aires komme, gab sie ihr den Kontakt von Karin, der ich daraufhin schrieb. Etwas komisch ist es schon, sich bei jemandem zu melden, den man so gar nicht kennt. Im Sinne von "hey, kann ich vorbeikommen?". Aber so ergab sich das und es war ein wunderschönes Gefühl, beim Ankommen erwartet zu werden. Sich nicht orientieren und um den Weg kümmern zu müssen. Und ich war auch froh, wieder Deutsch sprechen zu können. Karins ist zwar Argentinierin, hat aber (ich glaube sogar durchweg) deutsche Vorfahren. Nach den Verständigungsschwierigkeiten mit Gloria hatte ich echt erstmal genug vom Spanischen. Sie hat gar nie richtig zugehört oder bemüht zu verstehen, was ich sagen wollte, sondern viel interpretiert und ich konnte mich mangelns Ausdrucksvielfalt nicht wehren. Außerdem war ich frustiert, dass ich nach 2 Monaten immernoch so wenig verstehe. Keine Lust mehr, dauernd nachfragen zu müssen. Daher kam mein Besuch bei Karin echt gelegen, zumal ich immernoch ziemlich krank war und starke Kopfschmerzen hatte, von den Weizensachen im Bus, denen ich mal wieder nicht wiederstehen hatte können.
Ich durfte in der leerstehenden Wohnung von Karins verstorbener Mutter unterkommen und Karin hatte auch schon Frühstück gekauft. Diesmal traute ich mit gottseidank gleich zu sagen, dass ich kein Weizenmehl vertrage und so kaufte sie mir gleich noch ein glutenfreies Brot. Sie kochte uns Mittagessen, da es schon später geworden war, und stattete mich auch so immer wieder mit Essenssachen aus. Sie hatte auch immer bisschen Angst, dass verhungere, wenn sie sich nicht kümmert ;D
Und schon wieder war ich also mit dem Thema konfrontiert, etwas anzunehmen und mit den damit einhergehenden Schuldgefühlen.
Nun hatte ich also diese schöne Wohnung für mich. Mein Schlafzimmer, rechts unten, verwandelte ich wie immer in kürzester Zeit in ein Chaos. Jedes mal frage ich mich, wie ich das hinkriege, denn so viele Sachen hab ich ja eigentlich gar nicht dabei. Aber ja.
Am ersten Abend alleine kämpfte ich mit der Angst, da mir Karin einige Horrorstories von Einbrüchen hier erzählt hatte. Kreativ sind sie, das muss man denen lassen! So ist es anscheinend schon passiert, dass jemand Wasser unter der Tür durchgeschüttet hat, damit man sie öffnet. Die Kriminalität hat durch die korrupte Regierung der letzten 10 Jahre anscheinend sehr zugenommen. Auch die Warnung, niemanden mit ins Haus reingehen zu lassen, beunruhigte mich. Bei jedem Mucks erschrak ich , eingeschüchtert von dieser großen Stadt, in der ich alles noch nicht einschätzen konnte. Alle Krimis, die ich je gesehen hatte, spielten sich in meinem Kopf ab und so übermüdet wie ich noch von der Fahrt war, redete ich mir auch noch die Panik sein, überhaupt nicht alleine sein zu können und nur vor dem Fernseher zu vergammeln, da es auch kein WLAN gab.
Am nächsten Tag kam Karin wie verabredet zum Mittagessen vorbei. Ich hatte für den Nachtisch einen Obstsalat zubereitet, worüber sie sich riesig freute und es als ganz tolle Überraschung bezeichnete. Anscheinend kann man so einfach ein bisschen was zurück geben. Mir erschien es lächerlich, wo sie doch gleich die Sachen fürs Mittagessen mitgebracht hatte, dazu noch Eier für mich für wann anders und meinte, wenn sie mir Milch etc kauft, dann kann ich mein Geld für anderes sparen. Wahnsinn, so großzügig. Mit der Zeit lernte ich langsam, es dankbar anzunehmen anstatt mich nur schlecht zu fühlen, und auf der anderen Seite entschiedener zu reagieren wenn es eine Möglichkeit gibt, etwas zurückzugeben, zum Beispiel abzuwaschen oder einen Kaffee anzubieten (natürlich von ihrem Pulver..)
Beim Kochen redeten wir ein bisschen auf Spanisch und sie war überrascht, wie gut ich es anscheinend doch schon kann. Ist wohl vor allem das Verstehen, was mich so frustriert hat.
Nach dem Essen sind wir zu einem netten Park, wo es Wlan gab, aber auch unglaublich viele Stechmücken. Karin erzählte, dass sie noch aggressiver sind als normalerweise, da es schonmal kalt war diesen Herbst und wieder warm geworden ist. Die fielen leidenschaftlich über mich her und ich verzweifelte die folgenden Tage an dem Jucken ihrer Stiche. Dieser Park wurde mein täglicher Anlaufpunkt, um mich mit dem WLAN zu verbinden und die längeren Sprachnachrichten so datenvolumenschonend zu verschicken.
Ausserdem half Karin mir noch, eine Simkarte für mein Handy zu kaufen und wir checkten die Internetcafés in der Nähe, dass ich meinen Blog weiterschreiben konnte.
Dank diesem schaffte ich in meiner Zeit dort den Beitrag über Neuquen, Uruguay und auch über Casto in Chile. Falls ihr letzteren lesen wollt, findet ihr ihn weiter unten, da die Beiträge immer zum Datum veröffentlicht werden, zu dem man sie begonnen hat.
Abends war ich wieder vor dem Fernseher und fühlte mich total schuldig und faul. Dabei trug das spanischsprachige Programm ja auch zu meinen Sprachkenntnissen bei und ich war immernoch krank und schwach. Ich war frustriert, fühlte mich ohnmächtig mit meinen Kopfschmerzen und hatte keine Lust und Kraft für meine Rückenübungen, um wenigstens mal diese Schmerzen einzudämmen. Immerhin kaufte ich mir irgendwann Ingwer gegen meine Halsschmerzen und wegen dem Schnupfen und Husten hatte ich noch von meiner Rosmarinsalbe dabei. Damit hat meine Mama mich als Kind bei Erkältungen immer eingecremt und so kam noch das Geborgenheitsgefühl mit dazu, das ich mit diesem Geruch verbinde.
So, also ich war eben erstmal froh, einen Ort zu haben, wo ich einfach nur sein durfte. Zeit zum schreiben zu haben für mein Tagebuch, mich mit mir zu beschäftigen und eben dem Blog. Sowie auch meinen Schmerzen, die ja sehr viel Platz einnehmen, was ich selber oft vergesse und dann das Gefühl habe zu versagen. All das konnte ich aber auch nicht klar kommunizieren, denn was ist das denn für ein Grund?^^ Ausserdem wollte ich ja auch nicht unhöflich sein, sagte dann zu einigen Sachen "ja, können wir machen", woraufhin aber noch mehr Angebote kamen und ich nicht mehr wusste was sagen. So war ich überfordert und hatte das Gefühl, sie mit meiner Unentschlossenheit zu nerven. Wollte ja auch nichts verpassen, aber brauchte eben auch die Zeit für mich. Mit der Zeit fanden wir uns aber ganz gut, ich konnte dem Blog etc mehr Stellenwert geben und sie verstand ja auch, dass man, wenn man ein Jahr reist nicht die ganze Zeit so ein taffes Programm haben kann, wie wenn man in zwei Wochen einen Ort erkunden will.
Und wir haben ja dann doch einige nette Ausflüge gemacht, die wir beide sehr genossen.
Zur Belohnung für das lange Laufen gab es nachher ein Eis, von dem die Ute schon geschwärmt hatte. (Es gibt Dulce de Leche Eis!!!)
Eines anderen Tages joggte ich mal noch zu demselben Park und dachte, ich hätte den perfekten Platz zum Ausruhen gefunden:
...doch als ich näher kam war dem leider nicht so
Beim Mittagessen dort hab ich dummerweise schon wieder von dem Weizenbrot gegessen. Das ist so blöd, auch wenn ich weiß, dass es mir absolut nicht gut tut, aber dieses weisse Brot hier schmeckt mir einfach so gut und wenn man dann schon Hunger hat und das mit leckerem Dip vor einem steht... Und vielleicht spielt auch noch hinzu, dass ich weiss, in den nächsten Monaten sicherlich keine Alternative zu bekommen, das setzt wohl noch mehr Begierde frei. Das glutenfreie Brot ist zwar zwischendurch mal ganz nett, aber es verdient den Namen "Brot" auch nur gerade so. Ich vermisse die ganzen tollen Sachen aus Dinkel so schrecklich, die es inzwischen in Deutschland zu kaufen gibt! Dinkel kennen die hier gar nicht. *sniff*
Auf dem Rückweg hielten wir bei einem sehr lustigen Mann an, der selbstgemalte Bilder und Postkarten verkaufte. Mit seinem Profil auf der Rückseite.
Und wenn ich schon ein Foto machte, durften die Tango Posen nicht fehlen:
Béné hatte in Chile in San Pedro de Atacama ihre Kreditkarte nach 20stündiger Busfahrt und aufgrund der Tatsache, dass hier erst das Geld und dann die Karte aus dem Automaten wieder rauskommt, im Automaten vergessen. Zum Glück kam die Neue rechtzeitig in BA in ihrem Apartment an, sodass wir am folgenden Freitag gemeinsam unseren Trip nach Uruguay planen und die Fähre reservieren konnten. Anschliessend gingen wir noch mit Carla, die am Wochenende nach Italien zurückkehrte, noch Asado essen.
Hab ich schon von Asado erzählt? Das wohl typischte Essen in Argentinien und Uruguay, verschiedene Fleisch- und Wurstsorten auf dem Grill. Später gingen Béné und ich sogar noch Tanzen (nicht so Carlas Ding) und landeten dabei auf einem verstörenden Junggesellinnenabschied. Später spielten sie dann aber noch Reggaeton Musik, wonach wir ja gesucht hatten. Nachdem wir das eine Weile genossen und uns vor genügend alten Männern geflüchtet hatten (keine Ahnung was die sich denken.. könnten unsere Väter sein und tanzen uns an als hätten wir nur auf sie gewartet...) gingen wir irgendwann. Ich übernachtete bei den beiden im Apartment, um am nächsten Tag wieder die Ubahn "nach Hause" nehmen zu können. Und am Montag den 6. Mai ging es schon los nach Uruguay, wie ihr im vorangegangenen Post nachlesen könnt ;)
Das Aufstehen am nächsten Morgen viel mir unendlich schwer. Aber kein Wunder, bei den vielen Orten und Eindrücken in so kurzer Zeit. Und dann musste ich mich auch noch echt überwinden, ins Theater loszugehen. Dabei ist es ja so eine tolle Möglichkeit, in Buenos Aires ein Stück anzuschauen (zumindest dachte ich zu diesem Zeitpunkt noch, dass es sich um so etwas wie ein Theater"stück" handeln würde). Vor zwei Jahren, bei einer meiner Regiehospitanzen, begleitete ich ein Stück von zwei argentinischen Regisseuren, Emilio und Maricel. Maricel kontaktierte ich vor meiner Ankunft in Buenos Aires. Ich hätte auch total gerne mal in Theaterproben dort reingeschaut (wobei ich wohl eh noch zu wenig verstanden hätte), aber sie sagte mir, dass sie gerade keine Proben hätte, aber so eine Art Theaterfestival in der Stadt sei. Dort könnte ich schauen, worauf ich Lust habe. Sie hätte mir auch Karten besorgt, aber das Meiste war eh gratis. So suchte ich mir (mit der Hilfe meiner lieben lieben Freundin Freija - ich war so überfordert) einige Abende heraus und ging mutig alleine hin. Bei der Performance an diesem Abend hatte Emilio sogar mitgewirkt. Nach einer gefühlten Ewigkeit im Stau, beim durchqueren der ganzen Stadt mit dem Bus, war ich dann doch rechtzeitig da und wartete noch so vor mich hin.
Als die Türen aufgingen stellte ich fest, dass es mit klassischem Theater so ziemlich gar nichts zu tun hat. Es war ein riesen Saal mit lauter verschiedenen Schauplätzen und natürlich vielen nackten Menschen. Das hatte ich schon auf den Facebook Seiten der beiden gesehen, ist aber halt trotzdem ungewohnt. Ich traf Emilio auch, der mich sogar noch kannte, aber irgendwie hatten wir uns einfach nichts zu sagen. Er war wohl auch total erschöpft von der Produktion (was ich erfahrungsgemäss sehr gut nachvollziehen kann) und ich wusste leider nichts zu dem Abend zu kommentieren. Sonst hätte ich vielleicht auch mit einem anderen Besucher ein Gespräch anfangen können, aber ich wusste nicht worüber und war irgendwie auch zu müde, um mich jetzt voll ins Kontakte-knüpfen zu stürzen. Sehr nachdenklich fuhr ich dann irgendwann wieder nach Hause, nicht so recht wissend, was ich mit dieser Erfahrung jetzt mache.
Ich lass mal noch Bilder für sich sprechen. Fotografieren war nämlich erlaubt und überall standen die Leute mit ihren Handys und Kameras.
Auf dem Weg zum Hafen zu einer weiteren Performance am nächsten Tag, traf ich auf eine Militärparade. Ich fand es ja so toll, in der Schweiz endlich einen Freund zu haben, der zum Militär muss, weil ich mir das immer gewünscht habe (mit der Wehrpflichtabschaffung in Deutschland wurde das dann etwas schwierig) und so eine Uniform hat schon ziemlich was.. Inzwischen sehe ich das ganze gottseidank etwas reflektierter und frage mich echt, ob das so toll ist, wenn Eltern begeistert Fotos von ihren Kindern schiessen (haha schiessen..) die gerade Stolz mit einer Waffe auf einem Panzer posieren, die dazu entwickelt wurden, um Menschen umzubringen...
In der Coleción de Arte Amalia liess ich mich dann auf die Warteliste für das Stück Geumhyung Jeong setzen. Für diese Performance gab es Reservationen, die alle schon weg waren, als ich mich dazu entschieden hatte. Aber wie das meistens so ist, kam ich trotzdem noch rein. Diesmal durfte man keine Fotos machen, aber so viel verschiedene Szenerien gab es auch nicht. Denn der Abend bestand hauptsächlich daraus, dass eine (natürlich nackte) Schauspielerin versuchte, so eine Puppe wie beim Rot-Kreuz-erste-Hilfe-Kurs wiederzubeleben. Zum Glück hatte ich die Beschreibung soweit verstanden, dass die, scheints ziemlich berühmte, Künstlerin Geumhyung Jeong sich auf die Beziehung zwischen Menschen und Objekten spezialisiert hat. So hatte ich was zum drüber nachdenken, da sie mit der Zeit weitere Hilfsmittel zum Wiederbelebungsversuch hinzuholte. Sind wir zu arg von Objekten abhängig, die uns am Ende doch nicht immer helfen können? Vertrauen wir mehr auf einen Computer, der sagt, wie oft man die Herzmassage noch wiederholen muss, als auf unseren eigenen Verstand? Eine englische Stimme war neben dem Pipsen das einzige, was man hörte. Und die sagte ständig, es würde nicht ausreichen. Die meiste Zeit verbrachte ich aber mit dem Gedanken daran, dass ich dringend einen Auffrischungskurs in erster Hilfe machen muss, da mein Führerschein nun doch schon ein Weilchen zurückliegt und ich im Ernstfall total überfordert wäre. Und mit der Frage, was denn Theater genau ist oder sein soll/ darf. Ist es anmassend von mir, wenn ich schlecht über diese Performance denke, weil ich nicht so viel damit anfangen kann? Weil ich den Anspruch habe, wenigstens irgendetwas mitzunehmen, wenn ich etwas anschauen gehe? Keine Ahnung ob die Anderen da immer voll die tiefen Assoziationen haben. Aber oft denkt man sich ja auch als Team bei der Entwicklung einer Performance unglaublich viel, ist dann aber so sehr in dem Thema drin, dass einem alles logisch erscheint. Nur dass es der Zuschauer dann aber manchmal nicht versteht, da ihm die 6 Wochen Probezeit fehlen.
Der Hafen vor dem Gebäude.
Deutschunterricht
Da Karin Deutschlehrerin im Göthe Institut ist, konnte ich sie einmal zu einer Unterrichtsstunde begleiten. Das war echt spannend, Sprachen lernen mal von der anderen Seite zu sehen. Am Anfang durften sie dann mit mir gleich üben, was sie an Kennenlern-Fragen gelernt haben. Gar nicht so einfach zu antworten! Also natürlich nicht wegen der Sprache, sondern wegen dem Inhalt. Wie soll ich denn jemandem komplett Fremden in einfachen Worten auf die Schnelle beschreiben, was ich beruflich machen möchte, oder was ich bis jetzt alles gemacht habe? Und wie die Stadt so ist, aus der ich komme?
Dann war ich ein bisschen enttäuscht, dass die Lehrbücher für Deutsch dort ziemlich ähnlich sind wie die, die wir für Englisch in der Schule hatten - meiner Meinung nach nicht allzu interessant und nicht mit den Themen, die man braucht, wenn man sich die ersten Male mit jemandem auf einer anderen Sprache unterhält. Ist ja gut, die Sehenswürdigkeiten von Hamburg zu kennen, Landeskunde als ein Baustein des Unterrichts. Aber ist es echt so wichtig, schon mal von der Elbphilharmonie gehört zu haben, wenn man nach Deutschland kommt? Also ich brauche hier vor allem die Wörter, um etwas von daheim zu erzählen und um Fragen zu stellen. Aber eben das ist das deutsche Schulsystem, mit dem ich ja auch sonst schon sehr am Hadern bin.
Am selben Abend war noch ein Stammtisch des Göthe Instituts, wohin mich Anita mitnahm. Sie hat Soziologie und Ethnologie studiert und arbeitet nun für ein halbes Jahr sozusagen als Freiwillige im Rahmen des Kulturweit Programms in der Sprachabteilung dort. Wir haben uns gleich super verstanden, viel über Studium und Reisen geredet und von einer anderen Kulturweit-Freiwilligen am Stammtisch bekam ich den Tipp, dass ich doch statt (wie erst geplant) nach Salta, weiter in den Norden nach Jujuy soll. Sie sollte Recht behalten, wie sich später rausstellte und auch Valeria aus Bariloche hatte mir das Dorf Purmamarca dort empfohlen. Dort hatten sie und German sich kennengelernt Hach, wie romantisch!
Beim Rauslaufen sprachen wir wieder einmal über das Thema Gefahr, da ich mich aufregte, dass von einem Argentinier am Stammtisch wieder die typische "Hhhhh du reist alleine??!? das ist aber gefährlich!!" Reaktion kam. Die andere von Kulturweit ist tatsächlich einmal bei einer Wanderung mit einer Freundin überfallen worden, gab aber auch zu, bis dahin immer sehr leichtsinnig gewesen zu sein und beide hatten teure Kameras dabei. Anita brachte mich noch zu meiner Bushaltestelle, erzählte mir von ihren Erfahrungen, als sie ein Jahr in Mexiko war, und konnte mich wieder beruhigen - ja, man muss aufpassen und es ist gut, sich das immer wieder bewusst zu machen. Aber Panik hilft gar nirgends hin.
Da mich dieses Thema sehr beschäftigte, sprach ich auch bei meinem Treffen mit Marcelo darüber. Ihn kenne ich von vor drei Jahren, als er und seine Frau in der Schweiz seinen Bruder besucht haben, welcher der Partner von der Tochter von Franziska ist, die mich für mein Theaterpraktikum in ihr Haus und dann auch gleich in ihre Familie aufnahm. Klang das logisch? :D Egal, auf jeden Fall kennen wir uns und er erinnerte sich sogar an den Schokopudding, den ich damals zum Nachtisch zum guten Raclette von Pius (Der Lebensgefährte von Franziska) gemacht hatte. (ooooh ich will mal wieder Raclette!!). Er lud mich in einem gemütlichen alten Café auf einen Submarino ein. Wir hatten lange, tolle, tiefe Gespräche, auch über mein Top - Thema zu der Zeit: Wie gefährlich ist es wirklich?? Er sagte etwas Spannendes: Es hat schon immer viel Gewalt gegen Frauen gegeben, doch erst seit kurzem wird intensiv darüber berichtet. Das ist total gut und wichtig, da es die Voraussetzung für eine Veränderung ist, aber es erweckt eben den Eindruck, dass genau jetzt ganz viel Gewalt herrschen wurde. Dabei hat früher einfach keiner drüber gesprochen. Erscheint mir plausibel, zudem leben die Medien ja auch von der Panikmache.
Und mir scheint es fast, irgendwie haben die Leute fast eine Art Gefallen daran, sich da so reinzugeben. So hat ein Verkäufer in einem Laden einmal schon eine halbe Krise bekommen, als ich mit einem 500 Peso - Schein bezahlen wollte (Wert von 30€) und deutete mir, ja niemandem zu zeigen, dass ich so "viel" Geld dabei hab, bzw so grosse Scheine. Aber viel ist es echt nicht, in Argentinien ist ja vieles noch teurer als bei uns. Und die blöden Bankautomaten, die eh schon bei jeder Abhebung 6€ berechnen, geben oft nur grosse Scheine. Die dann keiner in en Läden annimmt, weil sie nicht rausgeben können. War in Chile auch schon oft so.
Ich freute mich so, jetzt richtige Kontakte in BA zu haben, da mir Marcelo auch versprach, dass wir mal zu einer Milonga (offener Tango Tanzabend) gehen können und er mich mal zu sich und seiner Frau zum Essen einlud. Leider erwies er sich in dieser Hinsicht als sehr klischeehaft - argentinisch und sagte dann doch jedes mal wieder ab, wenn ich nachhakte, was denn jetzt mit dem ausgemachten Termin sei. Ich wollte sonst einfach nur den Ort der Milonga wissen, um alleine hinzugehen, aber auf diese Frage kam "neinnein wir gehen schon noch zusammen hin". Gingen wir nicht.
So organisierte ich mir eben selber über Couchsurfing einen Typ, der einen Ort für Milonga kannte und mit dem ich ich mich dann am Plaza Italia (um mal noch ein Sightseen - Element einzubringen) traf.
Ich fühlte mich in die Zeiten meiner Tanzstunden zurückversetzt, als wir alle in einer Reihe hinter den Lehrern die Schritte nachmachten, bevor es dann daran ging, als Paar zu tanzen. Es machte total Spass, auch wenn mir mit der Zeit der Grundschritt etwas langweilig wurde. Aber Ziel erreicht: Ich hatte in Buenos Aires einen Tango Argentino getanzt! Wir wechselten auch die Paare durch, es waren viele Austauschstudenten aus den vereinigten Staaten dabei, und einer von denen brachte mein Gehirn total aus dem Konzept: Er sprach Spanisch mit mir, aber mit so einem krassen englischen Akzent, dass ich automatisch erst auf Englisch antworten wollte, merkte, dass das irgendwie nicht passt, aber auf Spanisch funktionierte es dann auch nicht mehr. Haha.
Die Demonstration der Tanzlehrer am Anfang, wie mans richtig macht:
und das freie Tanzen danach:
Was beim Busfahren lustig ist, sind die Schlangen, die die Leute schon lange vor Ankunft des Buses bilden. Vor allem in dem Moment, in dem der Bus einige Meter vor oder hinter dieser Schlange zum stehen kommt... Ausserdem wird man als Frau von den Männern meistens vorgelassen. Das ist zwar nett, aber oft auch übertrieben und manchmal umständlicher, als wenn einfach alle schnell einsteigen. Aber aufmerksam sind sie. Als ich einmal mit FlipFlops auf einem nassen Gehweg ausgerutscht bin, war sofort einer an meiner Seite, der mich am Arm festhielt. Nur habe ich mir in Buenos Aires abgewöhnt, Männer anzulächeln oder überhaupt in die Augen zu schauen. Das tat mir sehr weh, denn gewöhnlicherweise schaue ich einfach allen Menschen, die mir begegnen in die Augen und lächle. Aber die Argentinischen Männer reagieren da irgendwie krasser darauf, als in Chile. Auch in Uruguay ging Béné und mir das Gepfeife und Geschnalze auf den Geist. Sind wir Hunde??
Ein weiterer Ausflug mit Karin führte uns zu einem Buchladen, der in altem Theater eingerichtet wurde. So eine tolle Idee. Anstatt es abzureisen, was geplant war, haben sie nun eine grosse Attraktion geschaffen.
Karin hat ein unglaublich waches Auge für Eigenheiten von Gebäuden und weiss auch viel. So war es draussen auf der Strasse lustig wie traurig, dass die letzten schönen alten, verschnörkelten Häuser mit tollen Balkonen zwischen graue Neubauten eingequetscht scheinen. Bzw sind.
In San Telmo gingen wir mal wieder Asado essen.
Das Bild von mir machte Karin für meine Mama, damit sie auch sieht, dass ich nicht verhungere ;D
Als wir durch den Mark dort schlenderten, kamen wir an einem Dulce de leche Haus vorbei. Mit Kostproben. Dulce de leche (karamellartiger Aufstrich, auch gut mit Banane oder Schokolade oder Keksen oder allem gleichzeitig kombinierbar) ist schuld, dass ich nicht mehr in meine Jeans passe!!
Eine Strasse weiter trafen wir Anita. Sie und ich waren verabredet, um noch zu einer anderen Performance von dieser Biennale zu gehen. Sie fand in La Boca statt und war ausverkauft, als wir ankamen. Wir hätten nur vorher die teure Ausstellung von Yves Klein sehen können. Aber aus der Erfahrung, dass man meistens immer noch irgendwie reinkommt, bin ich NOCHMAL hin und auf Nachdruck erfuhren wir, dass es eine Warteliste gibt, auf die man sich setzen lassen kann.
In der Zwischenzeit spazierten wir durch La Boca, wo Anita noch gar nicht war und ich konnte ihr den Stand mit den schönsten Postkarten zeigen.
Und wir genossen Kaffee, Submarino und einen Churro in der Sonne. Bzw den Churro natürlich mal wieder nicht für mich, wegen Mehl.
Als wir dann vor dem Haus auf den Beginn des Stücks warteten, wurden wir angesprochen, ob wir nicht eine Petition an den Papst unterzeichnen wollen, damit der Begriff der Hölle abgeschafft wird. In dem Moment dachten wir, es sei irgendeine Sekte, da sie entsprechend schwarz angezogen waren.Später kapierte ich, dass das wohl eine eigene Performance war, die ich mir noch anschauen wollte, denn auf dem Flyer stand der Name der Etcetera Gruppe, die auch im Programm der Biennale aufgeführt war. Tolle Idee eigentlich. Nur dass mir dies schon die ganze "Vorstellung" schien, sodass ich nicht nochmal hinging, wie ursprünglich geplant.
Im Saal drin war dann tatsächlich kein Platz mehr. Aber dank der Warteliste durften wir vom Treppenhaus aus zuschauen, was uns zwar den gesprochenen Text am Anfang und Schluss verwehrte, aber einen tollen Blick auf alles bot und es wurde eh vor allem getanzt.
Soo spannend war das auch wieder nicht, aber immerhin rund um die Kunstwerke von Yves Klein, der für die blaue Farbe bekannt ist und am Ende kam noch ein Highlight: Die Darsteller bekamen Luftballons umgebunden, fingen an Walzer zu tanzen, forderten Leute aus dem Publikum dazu auf und setzten das ganze draussen auf dem Vorplatz fort. Das war echt eine schöne Stimmung. Auch ich kam einmal dran :D
Zurück in San Telmo tranken wir noch ein Bier zusammen und ich merkte, wie ich langsam lerne, die Momente und Gespräche einfach zu geniessen. Mein Getrieben-sein und an mir Zweifeln lässt sich vielleicht Stück für Stück in Dankbarkeit für den Augenblick verwandeln.
Anita erinnerte mich daran, was ich gerade Tolles mache, da sie mich um die Freiheit des Reisen beneidet. Das war gut und wichtig für mich, denn mit all dem Chaos in meinem Kopf drin und den Schmerzen gerade vergesse ich das sehr schnell immer wieder.
Am nächsten Tag bekam ich einen Mitbewohner; Darío, ein Trainingspartner von Karins Nichte, die total erfolgreich Akrobatik macht. Er hat schon vorher für seine Show eine Weile dort gewohnt und da es genügend Zimmer gibt, haben wir uns dann die Wohnung für meine letzte Woche geteilt. Ich verpasste seine erste Ankunft, da ich dem Brot in San Telmo mal wieder nicht widerstehen konnte und ich daher mit Kopfweh im Bett blieb und nochmal eine runde schlief.
Es war schön, dass nochmal jemand da war. Fühlte sich auch sicherer an, mit einem Mann im Haus^^ So viel sahen wir uns ja eh nicht, da er den ganzen Tag probte. Nur hatten wir ein sehr unterschiedliches Wärmeempfinden. Ich fror die ganze Zeit und er öffnete erstmal sein Fenster, da ihn wohl seine Durchtrainiertheit prinzipiell wärmt. Tja, was sagt mir das..? Sportlich werden..
Überhaupt habe ich inzwischen echt verstanden, was der Begriff "Deutsche Standarts" wirklich meint. Häuser, in denen es einfach nicht zieht zum Beispiel.
Am 25. Mai war wieder ein Feiertag. Der Tag der Erklärung der Unabhängigkeit von Spanien im Jahre 1810. Karin brachte wieder Locro vorbei, und wir assen zusammen mit Darío.
Nun einmal zu meinen Schmerzen. Es ist unglaublich komisch,darüber zu schreiben, es kommt mir so jammernd und wichtigtuerisch vor. Aber sie nehmen so viel Raum ein, dass eseigentlich wirklich zu der Reiseerzählung dazu gehört. Zum Glückweist mich die Freija immer wieder darauf hin, dass es einezusätzliche Belastung ist, unter so vielen Schmerzen zu reisen. Ichvergess dass oft, dass es ja nicht normal ist, da sie mich schon meinganzes Leben lang begleiten. Ja, ich bin es gewohnt, aber das machtes nicht weniger einschränkend. Nachdem ich meine ganze Kindheitlang immer furchtbare Kopfschmerzen hatte und kein Arzt oder sonstjemand eine Lösung wusste (“immer? Kann gar nicht sein! Wann dennbesonders?” - “ja keine Ahnung, wirklich immer!”) fand inmeinem vierzehnten Lebensjahr ein Naturheilpraktiker endlich heraus,dass es daran lag, dass ich kein Weizenmehl vertrage. Und da das jafast überall drin ist, hatte ich Recht mit dem “immer”. Seit ichdas weglasse, leide ich nur noch gelegentlich darunter, und eben wennich Weizen esse. ABER dann kamen irgendwann die Rückenschmerzendazu. Seit vier Jahren mache ich jeden Morgen eine Stunde lang Übungen,nach denen es sich dann einigermassen aushalten lässt. Aber manchmalreichen die nicht mehr und es wird unerträglich. Das war in BuenosAires der Fall. Sei es vom Rucksack tragen, von der hohenLuftfeuchtigkeit oder vom Stress. Dazu kamen noch Schmerzen in denBeinen, die schon ein halbes Jahr vor meiner Abreise begonnen, sichdurch das kurzfristige Impfen verschiedener Stoffe (wie immer war icheetwas knapp) verschlimmert und in der Zeit in Buenos Aires nochmalpotenziert haben.
Ein Druck in den Oberschenkeln, der nur durch Dehnen ausgelöstesKnacksen befreit werden kann, wobei dieses Knacksen immerweniger funktioniert. Deshalb eine ständige Spannung und Schmerz.Dazu ein verkrampfter Schmerz im rechten Schienbein, der seit den Impfungen immer größere Präsenz und Penetranz entwickelt. Die Knie fühlten sichüberlastet, fast entzündet an und die Waden wie kurz vor oder nacheinem heftigen Krampf. Das ganze Bein wie verklebt, steif,unnachgiebig, nicht zum Laufen gemacht. Jedes in die Hocke gehen,jede Treppenstufe und jeder Schritt war eine unbezwingbare Qual.Natürlich geht es irgendwie, aber alles scheint so schwer. Sperreund Schmerz in den Hüften wehren sich dagegen, ein Bein zu heben.
Das zusammen mit einem total verklebten und schmerzenden Rückenmachen die Übungen noch mühseliger. Bewegung sollte ja eigentlichhelfen, ein paar mal war ich auch Joggen, aber wenn jeder Schrittgegen Widerstand erzwungen werden muss, macht das keinen Spass.
So verbrachte ich unglaublich Zeit mit noch mehr Übungen und auchdamit, meinen Widerstand gegen diese zu bekämpfen. Wenn alles somühsam ist und es keinen fixen Termin gibt, für den ich“funktionieren muss” dann fällt die Überwindung oft schwer.Oder ich liege schon auf meiner Yogamatte und habe einfach keineLust, mich weiter zu bewegen, weil es so weh tut. Dann ärgere ichmich nacher, dass ich jetzt so viel Zeit “vertrödelt” hab undviel später loskomme, z.B. Ins Internetcafé zum Blog schreiben, alsich eigentlich wollte.
Einmal war mir am Morgen total schwindlig und ich hatte dasGefühl, gleich umzukippen. Ausserdem Kopfschmerzen. Vielleicht hatteich es sogar übertrieben, als ich am Vorabend vier Stunden lang(ohne trödeln) verzweifelt versuchte, mit noch mehr Übungen dieSchmerzen einzudämmen. Da war es schön, dass Karin wieder anrief.Das Gefühl dass sich jemand sorgt, kümmert, für einen da ist.
Passend kam dann auch die Nachricht von Sen. Mathias Sen Aringhabe ich bei einer Fastenkur bei Rüdiger Dahlke in Österreichkennengelernt. Er praktiziert eine eigene Mischung aus Dorn, Preussund Atlasenergetik, hat das Senergetik genannt und mir damals sehrgeholfen. Also falls ihr mal in die Steiermark kommt und irgendwelcheProbleme habt – nix wie hin! ;)
Auf jeden Fall hab ich ihmgeschrieben und gefragt, ob er nicht einen Rat hat. Er analysierteaus der Ferne, dass meine Beschreibung nach verschobener/m Hüfte undKreuzbein und geschwollenem Ischiasnerv klingt. Und meinte es wäregut, wenn ich jemanden finde, der mir mein Kreuzbein und die Hüftegerade macht. Da wäre ich gar nicht drauf gekommen, mir Hilfe zusuchen. Im Internet fand ich dann sogar eine Frau in der Nähe, die nachDorn arbeitet und Deutsch kann. Auf meine Email kam keine Antwort undda ich mich nicht traute, rief Karin für mich bei ihr an. Als ich Karin davon erzählte, war ihre erste Reaktion “häh, du hattest dochnur Kopfweh?”. Das zeigte mir, dass ich mich die ganze Zeit mitdiesen Schmerzen geplagt, Karin aber nur von meinem Schwindelanfallerzählt hatte. Ich mag immer niemanden nerven, da sich dasProblem ja nicht ändert. Aber davon ausgehend erwecke ich dann janicht den Eindruck, dass irgendwas nicht stimmt und bleibe alleinemit meinem Kampf dagegen. Das war für diesen Moment mal geändert.Karin wusste Bescheid und griff zum Hörer. Lidia hiess die netteFrau und wir vereinbarten gleich einen Termin für den nächsten Tag.Das war auch höchste Zeit, denn ich wollte morgens vor Schmerzenschon gar nicht mehr aufstehen. Die Behandlung war super, sie spürtegenau, wo es brannte und es tat so gut, dass sich jemand meinerannimmt. Ich machte noch zwei weitere Termine bei ihr und war danachimmerhin auf mein “durchschnittliches Schmerzlevel”zurückgebracht, wofür ich unendlich dankbar war.
Das ist sie, die Gute:Auch abgesehen von den Schmerzen, war es oft nicht so einfach für mich, ganz mit mir selbst konfrontiert zu sein. Wofür stehe ich auf, wenn mich keiner und nichts dazu nötigt? Überhaupt, warum hab ich immer so Widerstände dagegen? Mit der Zeit realisierte ich, wie ich immer schon während des Aufwachens ganze Listen in meinem Kopf zusammenstellte, was ich jetzt gleich alles machen sollte und in welcher Reihenfolge. Das ist dann so einengend und erschlägt mich, dass ich dann lieber nochmal weitergeschlafen habe, anstatt mich diesem Befehlston mir selbst gegenüber auszusetzen. Theoretisch bin ich doch so frei. "Muss" gar nichts. Aber es fühlt sich nicht so an. Es ist so tief in mir drin, gestresst zu sein und das Gefühl, zu versagen. Einmal schaffte ich es, ruhig liegenzubleiben und darauf zu warten, ob denn von mir selbst ein Impuls zum Aufstehen kommt. Und tadaa, er kam tatsächlich und es war ein ganz anderes Gefühl danach. Ohne mich schon morgens total zu verurteilen.
Ein anderes Thema war das Essen. Ich hab unglaublich viel zugenommen bis jetzt, weil ich ganz viel mit Essen kompensiere. Hab ich aber von vielen Reisenden gehört. Wenn ich einsam war oder von dem Gefühl übermannt, nichts auf die Reihe zu bekommen, führte mich mein Weg in die Küche. Wie eine Sucht. Aber auch ein Trost. Irgendwann fiel mir auf, dass ich gar keinen anderen Rückzugsort habe. Essen ist eine gute Ausrede, um mich gerade nicht mit anderen Sachen zu beschäftigen, die mir mein Perfektionismus oft so schwer macht. Dabei wäre es schön, wenn z.B. das Schreiben dieser Ort werden könnte.
Und dann lass ich mich von dem Druck, den ich mir selber aufbaue, überwältigen, spüre noch viel mehr meine Rückenschmerzen und flüchte mich in Heisshungerattacken. Dabei ist der Hunger ja eigentlich ein Zeichen, dass es gerade einfach zu viel ist, bzw Zeit zum Aufhören oder für eine Pause.
LA TERQUEDAD
Anita hatte mir bei unserem Treffen den Tipp gegeben, dass gerade im Nationaltheater Cervantes ein Stück names "La Terquedad" läuft. Ich reservierte mir eine Karte und bewunderte das schöne, alte Theater, wo ich mich gleich ein Stück wie Zuhause in Bern fühlte, in dessen Stadttheater ich so viele Stunden Proben verbracht hatte.
Meine Nebensitzerin war leider auch nicht die Sympathie in Person, aber das Stück war toll. "La Terquedad" heisst "die Sturheit" und spielt 1939 in Valencia zum Ende des spanischen Bürgerkriegs. Am Anfang dachte ich erst "Ogott das wird ja viel zu kompliziert für mich, um etwas zu verstehen" aber dann ging es um noch ganz viel Anderes, wie um eine Übersetzungsmaschine in alle Sprachen, bei der jedes Wort eine Nummer hat. Und komplizierte gegenseitige Bespitzelung. Ein Russe wollte diese Maschine dann kaufen, doch als die faschistischen Entwickler erfuhren, dass er sie als kommunistische Waffe benützen will, zerstörten sie mit lautem Krach das Objekt der Begierde, in dem so viel Arbeit steckte. Dankbarerweise spielte es dreimal den gleichen Zeitausschnitt eines Abends, nur aus verschiedenen Perspektiven. Einmal im Wohnzimmer, einmal im Zimmer oben und dann noch von draussen. So hatte ich mehr Gelegenheit, die Handlung und die Zusammenhänge zu verstehen.
Lustig, wie meine Regieassistentenzeit mich beeinflusst, ein Stück gleich auch ohne künstlerische Seite wahrzunehmen: "oh, der Teppich hört da auf, also eine Drehscheibe, nachher dreht sichs, oh, aber da steht noch ein Stuhl, entweder muss inszeniert sein, dass den jemand wegräumt oder die haben ein Problem, wenn ein Techniker den falsch hingestellt hat. Das kann Ärger geben. Oh, die spielt gar nicht richtig Klavier, drum steht da ein Bild davor. Die Toneinspielung kam zu spät zu ihrer Handbewegung. Der Scheinwerfer, der eine Person verfolgt, bewegt sich zu langsam. Wenn das der Regisseur sähe. Haha bestimmt wollte bei der Szene ein Schauspieler seine witzige Idee durchsetzen."
EMPANADAS
Empanadas sind gefüllte Teigtaschen, die es auch schon in Chile an jeder Ecke zu kaufen gab und die glaub in ganz Süd- und Mittelamerika sowie in Spanien verbreitet sind. Ich darf die natürlich wieder nicht essen, fand aber in einem Supermarkt eine glutenfreie Fertigmischung dafür und so machten Karin und ich zusammen Empanadas mit Hackfleischsossen- und welche mit Zwiebel, Mais, Käse - Füllung. Den Teig machten wir auf dem Tisch mit Eiern und Wasser dazu, wie wir immer die Plätzchen an Weihnachten.
Daher kamen wir auch darauf, wie man in Argentinien so Weihnachten feiert, was natürlich ganz anders ist. Plätzchen gibt es nicht, viel weniger Deko, keine Lichterketten (macht ja auch Sinn, ist ja im Sommer, wo es lange hell ist) und der Weihnachtsbaum ist meist aus Plastik und man schmückt ihm schon am 8. Dezember, wonach er bis zum 6. Januar in der Wohnung steht. Die Geschenke gibt es zu Mitternacht, dann gibt es auch Mandeln und anderes zum Naschen und vorher je nach Familie zum Essen ein Asado, Salate, Aufschnitt, Braten, Spanferkel oder anderes.
...wo ich dieses Weihnachten wohl sein werde?
Wir machten auch ein paar aufgestellte Empanadas, wie es Karin mit ihren Patenkindern immer als Dinosaurier gemacht hat. Für die typische Form klappt man den Rand nach innen und drückt ihn über der Fingerspitze fest.
Ein andermal machte ich Spätzle mit einer glutenfreien Mehlmischung. Dadurch wurden sie zwar klebriger, aber doch gut und Karin lobte mich ganz arg :)
Zusammen mit dem Rest der Hackfleischsosse der Empanadas und einer Pilzsosse:
In der Zeit war dann mein erstes Notizheft voll, wo ich alle meine Ausgaben, Pläne, Adressen und sonstiges reinschrieb. Es war lustig nochmal zu lesen und sich zu erinnern, wie ich meine erste Weiterreise von Chile geplant hab. Noch total unsicher und nervös, keine Ahnung was kommen würde. Nun ist schon alles viel leichter und selbstverständlicher. Die Suche nach einem neuen Heft in dieser kleinen Grösse entpuppte sich als eher schwierig. Schliesslich fand Karin eines und brachte es mir direkt mit.
Dann war es Anfang Juni auch an der Zeit, zu planen, wie es weitergeht. Ich wollte mich mit Pati (eine Deutsche, die ich noch von Santiago kenne und in Castro nochmal gesehen hatte) in San Pedro de Atacama, der Wüste im Norden Chiles treffen. Davor aber noch bisschen was von Argentinien sehen.
Da mein Busticket - Kauf im Internet am Vortag nicht funktioniert hatte, gingen Karin und ich am 3. Juni zusammen zum Schalter des Busunternehmens. Aber auch dort funktionierte meine Kreditkarte nicht. Der Beamte meinte, es könnte sein, dass die Internetverbindung spinnt, da VISA immer erst über Mexiko geht, bevor die Anfrage in Europa ankommt.
Der weitere geplante Tagesausflug fiel also ins Wasser und daheim rief ich gleich bei meiner Bank an. Ein Hoch auf den Kundenservice! In Deutschland war es schon Nacht und ausserdem Pfingsten. (Das wäre sonst vollkommen an mir vorbeigegangen). Aufgrund der Feiertage konnten sie also auch vor dem kommenden Dienstag nicht das Geld von meiner Prepaid-Kreditkarte runternehmen. Daher war mir dann auch das Risiko zu gross und nach einigem Beraten beschlossen wir (Die Bankmitarbeiterin, Karin und ich) die Karte sperren zu lassen. Zum Glück hatte ich noch eine zweite Kreditkarte dabei von einem anderen Konto, bei dem zwar Gebühren beim Abheben anfallen, aber immerhin kam ich weiterhin problemlos an Geld. Nur dass ich seitdem immer recht nervös bin, wenn der Automat meine Karte nimmt.
Mit dieser buchte ich dann bei Karin daheim an ihrem Computer mein Ticket nach Córdoba, sowie von Córdoba nach Jujuy und von Jujuy nach San Pedro de Atacama.
Karin kochte ganz leckere extra knusprig gebackene Kartoffeln, wie ichs gerne hab. Auch die anderen Male, als ich bei ihr an meinem Blog schrieb, verwöhnte sie mich mit Sachen, von denen sie wusste, dass ich sie mag. Zum Nachtisch gab es Schokolade aus aus in einem Schokoladenladen, an dem wir auf dem Hinweg vorbeigelaufen sind.
Ausserdem konnte ich bei ihr meine kleine Spule wieder mit Faden auffüllen, die meine Mama mir beim Packen noch vorbereitet hat und mit der ich meine ganzen Sachen dauernd am Flicken bin. Z.B die Leggins kriegen dauernd Löcher
Apropos, meine Wäsche wusch ich in der Zeit von Hand, was eine gute Übung gegen meinen Perfektionismus war. Ich neigte dazu, alles sicherheitshalber nochmal und nochmal durchzuspülen. Mein Papa hätte wohl gesagt "sauberer wirds nicht". Und dann konnte ich es auf der Dachterasse mit tollem Blick über Buenos Aires aufhängen.
So ein schöner Abschied! Karin bedankte sich für meinen Besuch, sagte, wie gerne sie Besuch hat und dass sie sich wünscht immer wieder mal eine Mail von mir zu bekommen, wo ich gerade bin und wie es mir geht. Wie schön, noch jemand wohlwollendes als mentale Begleitung dabei zu haben. Im Taxi zu "meiner" Wohnung wurde ich ganz melancholisch. Bei wehmütiger spanischer Musik spürte ich die Traurigkeit des Abschieds und tiefe Dankbarkeit für diese schöne, wertvolle Zeit und die Verbindung.
Am 5. Juni brachte mich Darío abends noch in Richtung Zug und ich traf mich mit Jaacinthe (die Kanadierin von Uruguay) und einer Freundin von ihr. Sie war nochmal für einen Tag in Buenos Aires und so tranken wir noch in der Nähe vom Bahnhof einen Kaffee. Witzig, wie sich so Wege immer wieder kreuzen.
Für den Nachtbus nach Còrdoba hatte ich mir zum Glück dieses Mal ein grosses Vesper gemacht, um den Weizensachen im Bus besser widerstehen zu können.