Foilsithe: 12.03.2018
Von Antigua fuhren wir mit dem Shuttle nach Panajachel am Lago Atitlan. Auf dieser Busreise trug sich etwas bisher nie Dagewesenes zu: von den insgesamt 12 Leuten im Bus waren 4 Deutsche und 8 (!) Schweizer. Insgesamt waren wir 4 CH-Grüppchen à 2 Personen: Livia und Fabian, Chantal und Natalie, Barbara und ihr Freund (Schande über mich, ich habe tatsächlich seinen Namen vergessen….) und Jörg und ich. Es war jedenfalls eine sehr kurzweilige und geschwätzige Busreise, während der sich die Deutschen wohl recht ausgeschlossen gefühlt haben. 😊 Aber wann trifft man schon mal so viele Schweizer auf einem Haufen bzw. in einem Bus. Insbesondere da die Schweizer im Ausland normalerweise die Eigenart haben, schnell zu verschwinden, sobald sie andere Schweizer bemerken. Ganz anders als beispielsweise Amerikaner oder Kanadier, die sofort ins Gespräch kommen und stundenlang erörtern woher sie genau kommen, und ob sie jemanden kennen, der in der Nähe des anderen wohnt. Und da der Lago Atitlan und insbesondere das Städtchen Panajachel nicht soooo wahnsinning gross ist, werden wir auch noch das eine oder andere Mal wieder auf die CH-Connection treffen.
Kaum im Panajachel angekommen erfuhren wir von familiären Problemen zu Hause, so dass wir beschlossen, unsere Zeit am Lago gemütlich anzugehen, um die nötigen Telefonate machen zu können. Dies musste natürlich aufgrund des Zeitunterschieds immer frühmorgens geschehen, also VOLL unsere beliebteste Zeit. Hatte aber den Vorteil, dass wir immer zeitig auf waren. Und wenn sich ein Ort anbietet, um mit einem Bein auf der Reise und mit einem Bein zuhause zu sein, dann ist das definitiv der Lago Atitlan. Es ist ein sehr beschauliches und gemütliches Leben hier, man kann es hier wirklich sehr gut länger aushalten. Es gibt sie nicht sehr oft diese Orte, wo ich wirklich einen Stich im Herz spüre, wenn ich sie wieder verlassen muss. Aber der Lago Atitlan gehört definitiv dazu. Es fiel mir persönlich wirklich etwas schwer, von dort wieder aufzubrechen.
Panajachel ist die grösste Stadt am See, und auch eine der Touristenhochburgen. Viel zu sehen gibt es nicht, ausser der üblichen Shoppingmeile für die Touris. Die Seeregion ist sehr bekannt für Kunsthandwerk, insbesondere Textilien, so dass man natürlich überall damit überschwemmt wird. Das Schönste ist hier definitiv die Aussicht über den See und auf die 3 gegenüberliegenden Vulkane San Pedro, Toliman und Atitlan.
Wir waren insgesamt 1.5 Tage in Panajachel und schlenderten ein wenig im Städtchen und am Seeufer herum und trafen dort wieder auf Livia und Christian, die nur sehr kurz am Lago waren. Trotzdem blieb noch Zeit für ein gemeinsames Nachtessen.
Donnerstags fuhren wir nach Chichicastenango zum Markt. Jawohl, wir haben auch mehrere Anläufe gebraucht, bis wir diesen Namen aussprechen konnten. Aber die Guatemalteken haben ohnehin die Angewohnheit, alle Ortsnamen abzukürzen. Aus Guatemala City wird Guate, aus Panajachel wird Pana, und aus Chichicastenango wird schlicht Chichi. Es ist hilfreich, das vorher zu wissen, damit es nicht zu Missverständnissen kommt, es ruft nämlich kein Bootsmann je «Panajachel» um die Abfahrt anzukündigen, sondern einfach nur «Pana». Die Guatemalteken kürzen übrigens alles Mögliche ab, anstatt Por Favor heisst es schlicht: Porfa
Wir fuhren also zum Markt, der immer donnerstags und sonntags stattfindet und der als einer der grössten in Guatemala gilt. Entsprechend gibt es auch extra Hin- und Rückreise-Shuttles für die Touristen. Und wen trafen wir kaum überraschend im Shuttle: Natalie und Chantal! Und das war ein Segen, nämlich in erster Instanz für mein Portemonnaie und in zweiter für meinen Koffer, denn so blieb weniger Zeit für einen Shoppingexzess, den man auf dem Markt in Chichi definitiv haben kann. In Chichi angekommen, gingen wir erstmal mit ihnen frühstücken, schlenderten auf dem Markt herum, und genossen anschliessend bei einem Kaffee, wo wir auch noch Barbara und ihren Freund wieder trafen, die geschäftige Atmosphäre. Ein wirklich lustiger und gelungener Tag….Jörg konnte sogar noch seine Freude am Feilschen ausleben, um für Natalie eine Hängematte zu einem guten Preis zu ergattern. Und für mich bzw. unser Sofa, wenn wir es dann mal wieder irgendwo stehen haben, gab es immerhin eine wunderschöne Wolldecke.
Von Pana fuhren wir mit dem Böötchen nach Santiago Atitlan, ein kleines Dorf auf der anderen Seeseite, wo wir eine Nacht blieben. Der ganze Verkehr am See funktioniert mit den kleinen Böötchen, die von privaten Bootsmännern betrieben werden. Für die Touristen mit wenig Zeit werden extra eintägige Seerundfahrten angeboten, die 4 Stopps in den Dörfchen am See beinhalten. Natürlich kosten diese Fahrten einiges an Geld. Die findigen Bootsmänner versuchten uns natürlich auch immer wieder mit irgendwelchen abenteuerlichen Begründungen teure Privatfahrten anzudrehen. Das ist aber gar nicht nötig, denn es gibt überall die «Publicos», also öffentliche Boote, die auch die Locals nutzen, und die um einiges günstiger sind. Man muss halt je nachdem dafür am Pier etwas länger auf das nächste Publico warten und es hält dann unterwegs auch in jedem Dorf an, aber wir hatten ja Zeit.
Santiago Atitlan jedenfalls war ganz zauberhaft und wir waren sehr froh, dass wir uns entschieden hatten über Nacht zu bleiben, so konnten wir auch die Atmosphäre am Abend geniessen. Ausserdem übernachten wohl nicht sehr viele Touristen hier, wir trafen abends jedenfalls keine anderen mehr an.
Sehr speziell hier ist, dass es gleich bei den zentralen Hauptplätzen auch Sportplätze gibt, das haucht der Atmosphäre sehr viel Leben ein. Tagsüber besuchten wir das Dorfzentrum etwas weiter den Hang hinauf und sassen im Park bei der Kirche, während neben uns auf dem angrenzenden Sportplatz, mitten im Dorf, gerade eine Schulklasse Sportunterricht hatte.
Abends sassen wir im kleinen Park beim Seeufer, wo es ebenfalls einen grossen Sportplatz gab, und wo die Jugendlichen beim Fussball ihren Tag ausklingen liessen. Und so waren wir wirklich überall mittendrin statt nur dabei, und durften am authentischen Dorfleben teilhaben.
Von Santiago fuhren wir nach San Pedro, die zweite Touristenhochburg am See. Dort verbrachten wir einige Tage und hatten ein Hotel mit einer coolen Dachterrasse, wo vor einem der See und hinter einem der Vulkan San Pedro lag. Man kann es Pech nennen, wir nennen es Glück, aber es geschah immer wieder, dass wir von den Booten an einem anderen Ort als dem Hauptpier abgeladen wurden. Aber so trug es sich immer wieder zu, dass wir «versehentlich» zuerst ins eigentliche Dorf wanderten, bevor wir das Touriquartier fanden. Es ist nämlich sehr typisch, für alle Dörfer am See die wir besucht haben, dass die touristische Infrastruktur direkt am See liegt, während sich die Einheimischen weiter den Berg hinauf zurückgezogen haben. Dass es ein Glück war, immer zuerst den mühsamen Aufstieg in das Dorf hinter sich gebracht zu haben, zeigte sich uns, als wir in San Pedro die Engländer aus Hopkins Belize zufällig wieder trafen. Sie meinten nämlich, wir würden uns ja jetzt bestimmt noch ein paar Mal über den Weg laufen, schliesslich gäbe es ja hier nur diese 2 Strassen. Jörg und ich schauten uns verdutzt an und dachten: Äääähhhm, nein….es gibt genaugenommen noch ein ganzes Dorf! Dort, den Hang hinauf. Dort wo die normalen Leute leben.
Wir waren jedenfalls sehr froh, dass wir uns die Mühe gemacht hatten, die eigentlichen Dörfer zu besuchen, statt nur in der Tourimeile herumzugammeln.
Von San Pedro aus besuchten wir mit den Publicos noch 3 weitere Dörfer am See:
San Juan ist ein kleines Nest direkt neben San Pedro. Es ist vor allem bekannt für Kunst, Ölgemälde um genau zu sein. Allerdings gibt es auch im ganzen Ort überall farbige und wunderschöne Wandbilder und Wandmalereien. Auch hier gibt es nicht sehr viele Touristen, ausser am Markttag. Neben Santiago Atitlan hat uns dieses Dorf am besten gefallen.
San Marcos gilt als Mekka für Esoteriker aus der ganzen Welt. Leute kommen vor allem her, um Meditationstechniken, Yoga, Massagen, Reiki und ähnliches zu praktizieren. Auch hier wurden wir wieder an einem Nebenpier abgeladen und irrten zuerst mal durch enge, von Pflanzen überwucherte Gässchen, bis wir zum kleinen Dorfzentrum gelangten. Erst als wir das Hauptpier für den Rückweg suchten, entdeckten wir auch hier tatsächlich noch die Tourimeile, wo es dann von veganen Restaurants, Hosen aus Hanffasern und sonstigem Hippie-Zeugs nur so wimmelte. Lustigerweise befand sich der Eingang in diese Strasse direkt neben dem Hauptplatz, wo wir etwa schon 3 mal dran vorbeigegangen waren.
Auffällig an San Marcos ist, dass es sehr grün ist. Es ist nicht eine einzige Agglomeration von Häusern zu einem Wohngebiet auf einem Fleck, sondern es ist sehr zersetzt, ist immer wieder von Pflanzen überwuchert, dann kommen wieder ein paar Häuser, dann wieder Pflanzen, etc.
Santa Cruz ist aus zweierlei Gründen sehr speziell: Erstens ist es nicht möglich, auf dem Landweg herzukommen, nur per Boot. Zweitens befindet sind das Dorf weit, wirklich sehr sehr weit den Hügel hinauf. Da sich die Dörfer allesamt an steilen Hängen befinden, gibt es überall Tuktuks (lustig, wie dieses Wort tatsächlich global verwendet wird), die auch von den Locals benutzt werden. Wir verzichteten auf die Tuktuks, da wir ja schliesslich keine Eile hatten und es uns auch nicht schadete, ein wenig Bewegung an der frischen Luft zu tun. Während des Aufstiegs nach Santa Cruz begannen wir diese Entscheidung allerdings zu bereuen. Und trotzdem wurden wir noch locker von lächelnden Grossvätern überholt, die uns zuriefen, so weit sei es nicht mehr. Offenbar ist es nicht sehr typisch, dass die wenigen Touristen, die es hier überhaupt gibt, den Aufstieg auch noch zu Fuss machen, denn wir wurden unterwegs immer wieder angesprochen (und überholt). Jedenfalls kamen auch wir irgendwann im Dorfzentrum an, wo es wieder einen Fussballplatz direkt vor der Kirche gibt. Das gefällt mir irgendwie. Fussballplätze ziehen spielende Kinder an, und spielende Kinder verbreiten Lärm und Leben. Eine schöne Atmosphäre.
Während wir noch weiter durch das Dorf spazierten, sahen wir auch immer wieder Frauen auf dem Boden vor den Häusern sitzen und weben. Und spätestens hier wird uns endgültig klar: Das mit den indigenen traditionellen Kleidern ist wirklich nicht zur ein Touri-Gag. Fast alle Frauen in den Dörfern tragen diese Kleider, weit ab von den Orten, wo die Touristen üblicherweise hinkommen. Die 1-1.5 h, die man auf der eintägigen Bootstour mit 4 Stopps pro Dorf zur Verfügung hat, reichen nämlich nicht, um so weit in das Dorf hinauf und wieder zurück zu wandern.
Die Einheimischen waren jedenfalls immer wieder etwas erstaunt, uns hier zu sehen. Auffällig ist, und das traf auch schon auf die anderen Dörfer zu: man wird überall auf der Strasse immer und von jedem gegrüsst.
An unserem letzten Tag am Lago Atitlan bestiegen wir den Volcan San Pedro. Es gibt in Guatemala viele Vulkane zu besteigen, aber wir entschieden uns bewusst für diesen. Über die anderen hatten wir vieles gelesen und es lief immer darauf hinaus, dass man in einer geführten Gruppe à 20 Nasen den Berg hinauf trabte, nur um dann oben mit 600 anderen Touristen die Aussicht zu geniessen. Es gibt sicher noch spektakulärere Vulkane als den San Pedro, beispielsweise den Acatenango in Antigua, von wo aus man in Eiseskälte auf knapp 4000 m.ü.M Ausbrüche des Fuego beobachten kann. Oder den Pacaya, einer der aktivsten Vulkane der Welt, wo man ein Stück hochläuft und dann über erkaltender Lava Marshmallows grillen kann. Allesamt reine Touri-Spektakel und Anziehungspunkte für Massen an Menschen. Aber eines hatten wir während unserem Ausflug in die Ciudad Perdida in Kolumbien gelernt: diese Massenwanderungen waren nicht unser Ding. Ich bin nicht sie sportlichste Person der Welt und wenn ich mal wandern gehe, möchte ich es gemütlich haben, möchte mein eigenes Tempo gehen und die Aussichten und die Natur geniessen, und nicht einfach einer Völkerwanderung hinterher hetzen.
Wir entschieden uns für den San Pedro, weil es dort möglich ist, ohne Guide zu gehen. Es handelt sich um einen abgesicherten Nationalpark und es gibt nur einen Weg, so dass man sich eigentlich nicht verlaufen kann. Man fährt mit dem Tuktuk bis zum Besucherzentrum, wo man eine Eintrittsgebühr zahlen muss. Inbegriffen ist ein Guide für die ersten 20 Minuten, bis zur letzten Wegkreuzung, von wo aus man sich dann nicht mehr verlaufen kann. Anschliessend kann man alleine wandern, wenn man will, und das war wirklich sehr schön, und das, was uns eher entspricht. Da kann man unterwegs keuchend und schnaufend sich selbst und die Welt verfluchen, ohne dass man Angst haben muss, in der Herde zurück zu fallen.
Viele Vulkane haben die Eigenart, dass sie fast perfekt kegelförmig sind. So auch der San Pedro. Was das für eine Rolle spielt? Eine sehr grosse! Denn das bedeutet, dass es IMMER, ÜBERALL, UND STÄNDIG nur nach oben geht. Niemals geradeaus. Niemals bergab. Immer nur nach oben. Und so wanderten, stapften, kletterten und krochen wir die 1200 Höhenmeter in ca. 4 km Wegstrecke nach oben. Unser Guide Miguel, der uns die ersten 20 Minuten begleitete, glaubte wohl nicht daran, dass wir es bis ganz nach oben schaffen würden, so wie ich bereits nach dem ersten Stück geröchelt hatte. Er sagte noch, wir können ja auch gemütlich von den beiden Aussichtspunkten, die es unterwegs gäbe, die Aussicht geniessen, und auf halber Strecke wieder umkehren. Haha…sehr motivierend. Wir trafen Miguel jedenfalls nochmals während unseres Abstiegs, und konnten stolz verkünden, dass wir es bis ganz nach oben geschafft hatten. Noch stolzer waren wir, als wir unterwegs tatsächlich Leute trafen, die unterwegs aufgaben und wieder umkehrten. HA! Wir nicht! Wir waren schliesslich die ersten Kroaten am Berg! Kroaten? Dazu muss ich ein wenig ausholen….
Es ist in vielen Ländern üblich, dass man von Verkäufern gefragt wird, woher man kommt. Schnell fällt einem auf, dass der Preis sofort steigt, wenn man sagt, man komme aus der Schweiz (oder auch aus Deutschland etc.). Schon während früherer Reisen habe ich daher immer mal wieder ein anderes Land angegeben. So hatten wir uns auf dieser Reise schnell angewöhnt, immer mit Kroatien zu antworten, wenn uns jemand nach unserer Herkunft fragte. Warum Kroatien? Wahrscheinlich, weil wir ja gerade vor kurzem ja noch dort waren. Dies hat auch schon das ein oder andere Mal zu peinlichen Situation geführt. Beispielsweise erkennen die Leute dann doch, dass man irgendwie eine Art Deutsch spricht. Also hatten wir uns dann irgendwann spasseshalber angewöhnt, wenn wir als Kroaten über Preise feilschten, bei Gesprächen untereinander an jedem dritten Wort ein «-ic» anzuhängen. Funktioniert wunderbar. Ein anderes Mal leierte der Verkäufer urplötzlich irgendwelche kroatisch klingenden Worte herunter, worauf wir sehr verdutzt waren, bis wir irgendwann schnallten, dass der Herr gerade kroatische Fussballspieler aufzählte.
Auch im Besucherzentrum des Volcan San Pedro wurden wir nach der Herkunft gefragt, worauf Jörg im Affekt sofort mit Kroatien antwortete. Und wenn mal einmal eine Geschichte erfunden hat, muss man irgendwie auch dabeibleiben. Also haben wir uns auch im Besucherregister mit Kroatien eingetragen, was natürlich nicht sehr intelligent ist. Wenn wir einen schweren Unfall gehabt hätten, hätten die es vermutlich erstmal erfolglos auf der kroatischen Botschaft versucht, nur um festzustellen, dass es uns dort nicht gibt (wir hatten aber noch unsere CH-ID dabei, irgendwann hätten sie es dann schon gemerkt). Jedenfalls wurden wir auch unterwegs von jedem Guide, den wir trafen, nach unserer Herkunft gefragt, und stets haben wir treu an unserer Story festgehalten. Und immer war die Reaktion dieselbe: Kroatien? Kroaten hatten wir noch nie! Ihr seid die ersten Kroaten hier!
Und so kam es, dass Jörg und ich die ersten Kroaten waren, die den Volcan San Pedro bestiegen haben! 😊
Auf dem Vulkan angekommen war die Anzahl der anderen Touristen wirklich sehr überschaubar. Interessant war, dass dort eine ziemlich grosse Gruppe Einheimischer versammelt war, die lautstark und mit grosser Leidenschaft eine Art Gottesdienst abhielt. Zeitweise predigte einer laut, während die anderen stumm zuhörten, zeitweise sangen sie alle laut und falsch Kirchenlieder, und zeitweise lagen sie auf den Felsen, jeder für sich, und gaben stöhnende und weinerliche Laute von sich, offenbar eine Art Gebet. Komische Sache.
Die Aussicht vom Berg auf den Lago Atitlan jedenfalls war absolut umwerfend und hat definitiv den harten Aufstieg gelohnt.
Und von oben fiel einem etwas ganz besonders auf: Die Dörfer um den See waren eine abgeschlossene Welt, ganz für sich allein.
Und dieser Anblick untermauerte einen Eindruck, den wir schon während unserer Besuche in den Dörfern am See hatten. Die Leute hier leben schon lange unter sich und schauen für sich selbst. Wir hatten schon lange den Eindruck, dass hier die Regierung Guatemalas nicht sehr viel Einfluss hat, sondern dass die Leute sich selbst helfen und untereinander selbst organisieren. Und die Leute sind sehr intelligent, sie wissen genau, worauf es ankommt. Sie wissen, dass der Tourismus für sie die Haupteinnahmequelle ist und sie haben eine perfekt funktionierende Infrastruktur für die Touristen geschaffen. Es gibt Hotels, es gibt Wäschereien, Restaurants, Kunsthandwerksmärkte, Touristenshuttles, geführte Wandertouren und Ausflüge, Bootstouren, etc. Alles was das Touristenherz begehrt. Es ist hier die indigene Bevölkerung, die die Zügel in der Hand hat, die Frau im Tourbüro trägt den typisch indigenen Dress genauso wie die Frauen in der Wäscherei. Nicht so wie in Mexiko, wo wir erlebt hatten, dass die Indigenas eher am Rande der Gesellschaft und in Armut leben, und auf der Strasse ihr Kunsthandwerk verkaufen.
Trotzdem ist es eine schräge Vorstellung, wenn man bedenkt, dass diese Leute zwei europäische Invasionen erlebt haben. Das erste Mal vor etwa 500 Jahren, als die Spanier kamen und ihnen ihre Kultur, Sprache und Religion mit Gewalt aufzwingen wollten. Die zweite Invasionen vor einigen Jahrzehnten, als irgendwelche komisch aussehenden Weltenbummler mit grossten Rucksäcken auftauchten und fragten: Hey, kannst du mal meine Dreckwäsche waschen?
Gerade bei den Booten merkt man sehr gut, wie organisiert sie sind. Obwohl die Bootsmänner alle unabhängig voneinander agieren, sind die Preise und die Angebote rund um den See ungefähr dieselben. Und man hat wirklich das Gefühl, dass das alles untereinander abgesprochen und festgelegt ist. Auch auf dem San Pedro erfahren wir, dass die Guides untereinander abwechseln. Der Guide wird einem zugeteilt, jeder ist mal dran die Touristen zu betreuen, und alle werden was davon haben.
Wir haben uns auch überall um den See sehr sicher gefühlt. Wie bereits gesagt, wird man überall höflich gegrüsst und ist überall willkommen. Trotzdem sind die Leute eher zurückhaltend, bleiben eher unter sich und man kommt nicht so leicht ins Gespräch. Dies zeigt sich auch an der bereits angesprochenen geographischen Abgrenzung. Den Touristen wurde das Seeufer überlassen und man ist tagsüber dort, um mit ihnen Geschäfte zu machen, aber abends ziehen sich die Einheimischen in ihre Dörfer am Berg zurück. Aber man ist überall ein gern gesehener Gast und wird auch so behandelt.
Unsere Zeit am Lago neigt sich dem Ende zu, und mit etwas schwerem Herzen ziehen wir weiter von diesem wunderbaren Fleck Erde….