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23/08/2018 - "Und ihr wartet auf besser Wetter?!"

Foilsithe: 21.09.2018

In (fast) keiner anderen Stadt verbrachten wir so viel Zeit wie in „Whanganui“. Dies lag nicht an den unzähligen Sehenswürdigkeiten, sondern war hauptsächlich dem Wetter geschuldet. Unsere weitere Reiseroute wird in die Berge führen - und auf Schneefall und Minusgrade in der Nacht haben wir nur wenig Lust. Mal davon abgesehen, dass unser Auto für diese Wetterlage nicht gut genug ausgestattet ist. Also verbrachten wir acht Tage in Whanganui, nahmen eine kleine Auszeit vom Herumreisen und beobachteten das Wetter. 
Jedoch lagen wir nicht nur auf der faulen Haut. Wir widmeten uns dem Blog und schauten uns die Stadt einmal genauer an.

Beginnen wir beim Namen. Bis zum Jahr 2015 war es jedem Anwohner und Unternehmen selbst überlassen, ob er die 40.000 große Seelengemeinde mit „Wh“ oder nur mit „W“ schreibt. Trotz der Regelung findet man den Stadtnamen heute noch, beispielsweise auf Landkarten oder Schildern, ohne ein „h“. Doch nicht nur die Schreibweise verwirrte. Auf unserer Reise haben wir gelernt, dass ein „Wh“ in Neuseeland wie ein „F“ ausgesprochen wird. Nicht in Whanganui. Wegen eines lokalen Dialekts hört es sich hier wie ein „W“ an. ;)
Nachdem wir dies nun geklärt haben, steht der Stadtbesichtigung nichts mehr im Wege. :) Nicht zu übersehen ist dabei der „Whanganui River“. Er ist der einzige Fluss in ganz Neuseeland, auf dem jemals kommerzielle Schifffahrt betrieben wurde. Ab 1860 fuhren mehrere Linien mit ihren Dampfschiffen auf dem Gewässer und brachten die Touristen ins flussaufwärtsgelegene „Pipiriki“. 1951 legte das letzte Schiff ab und der Betrieb wurde eingestellt. Von damals ist nur noch wenig übriggeblieben. Lediglich die „PS Waimarie“, die 1952 sank und nach 41 Jahren von Freiwilligen geborgen, restauriert und im Jahr 2000 fahrtüchtig zu Wasser gelassen wurde, findet sich hier wieder. Seither legt der Schaufelraddampfer jedes Wochenende ab, um die Besucher mit auf eine Reise entlang des Whanganui Rivers zu nehmen.
Wer aber lieber zu Fuß unterwegs ist, findet am Ufer einen schönangelegten Weg vor. Diesen spazierten auch wir eine ganze Weile entlang und versäumten dabei nicht, den örtlichen Wochenmarkt zu besuchen. Zur Freude unsererseits werden die deftigen Wintergemüse immer mehr von leichten Sommersorten abgelöst. So kostete beispielsweise eine Paprika im Juni noch sage und schreibe $5 (2,80€) - mittlerweile ist sie für $2,80 (1,60€) zu haben. Dies nutzten wir natürlich aus, um eine Lieblingsspeise von uns zu kochen - Paprikanudeln. :) Darüber hinaus waren auch einheimische Spezialitäten auf dem kleinen Markt zu finden, die sofort auf unseren Speiseplan landeten. Ein kleiner, unscheinbarer Imbisswagen verkaufte frischgebackenes, maorisches „Fry-Bread“. Zusammen mit etwas Butter oder Golden Syrup ließen wir uns die luftigen Brötchen mit Blick aufs Flussufer genüsslich schmecken. Yummyy!
Während dem längeren Aufenthalt zeigte sich, wie krisenerprobt wir mittlerweile geworden sind. Es gab viele Regenstunden und trotzdem ließen wir uns die Laune nicht verderben (naja, vielleicht ein kleines bisschen) und fanden stattdessen Wege, um nicht völlig im Chaos zu versinken. Die Tiefgarage eines Supermarktes wurde diesbezüglich Anlaufpunkt Nr. 1! Hier fanden wir Schutz vor dem Regen und schafften Ordnung im Auto. Das tut gut!
Die wenigen Sonnenstunden hingegen nutzten wir, um uns die Sehenswürdigkeiten der Stadt anzuschauen. So führte unser Weg zu einem Aufzug der besonderen Art. Der „Durie Hill Elevator“ befördert seit seiner Eröffnung im Jahr 1919 die Bewohner und Touristen in den gleichnamigen Stadtteil, der sich am steilen Hang befindet. Bevor man jedoch den Aufzug erreicht, geht es durch einen 213m langen Tunnel. Die Akustik in diesem war total verrückt. Gleich mehrfach schallte einem das Echo entgegen. Als eine Mutter mit ihren zwei Töchtern den Tunnel betrat, begann ein Schreikonzert der schrillen Art. Ein Glück war die Eingangstür zum Aufzug nicht weit entfernt. Wir betätigten die Klingel und es dauerte fast zwei Minuten, bis uns eine ältere Dame in ihren kleinen, urigen Fahrstuhl bat. Für $2 pro Person ging es innerhalb von einer Minute auf die 65,8m höhergelegene Station.

Der Fahrstuhl ist 364 Tage im Jahr, täglich von 08:00 Uhr bis 18:00 Uhr, im Einsatz. Nur am 25. Dezember hängen seine Seile still.

Wir bedankten uns für die ruckelige Auffahrt und besichtigten einen Aussichtspunkt, der sich direkt auf dem Maschinenhaus des Aufzugs befand. Von hier aus lag uns die Stadt regelrecht zu Füßen. Wir bekamen einen guten Überblick von ihr und dem geschwungenen Fluss. Aufgrund der Jahreszeit leuchtete die Farbe des Whanganui Rivers nicht in einem wunderschönen grün-blau, wie es auf vielen Werbeschildern zu sehen war. Doch mattbraun hat doch auch etwas!?
Um unseren Stadtausflug zu vervollständigen, stiegen wir anschließend noch auf den „War Memorial Tower“. In Gedenken an verstorbene Soldaten des ersten Weltkrieges wurde auf dem Durie Hill ein unübersehbarer Turm erbaut. Die 176 spiralförmig angelegten Stufen zur Spitze waren schnell bewältigt und die Sicht von oben wie zu erwarten weitläufig.
Neben historischen Sehenswürdigkeiten bekamen wir auch ein modernes Whanganui zu sehen. Das Stadtzentrum ist voll von Kunstgalerien jeglicher Art. Der Besuch bei einer Glasbläserei blieb uns dabei besonders gut im Gedächtnis. In „NZ Glassworks“ kann man die Künstler bei ihrer Arbeit beobachten! Wir nahmen auf zwei Barhockern Platz und schauten dem Treiben eine Zeitlang zu. Die Künstlerin hielt ihr Projekt, das an einem langen Stab hing, in den ersten Ofen. In diesem befand sich flüssiges Glas. Danach formte und färbte sie es, erzeugte kleinere Blasen oder Gravuren, bevor sie es erneut in einen Ofen schob. Dabei benetzte sie ihr Werk entweder mit neuem, flüssigem Glas oder weichte es lediglich auf, um weiter daran zu arbeiten. Total spannend! Wir verweilten eine ganze Stunde vor Ort und kamen mit der Eigentümerin ins Gespräch. Sie klärte uns über die Öfen auf, die über 1.100°C warm sind und 24/7 laufen. Kalt wird es hier jedenfalls nicht. ;) Außerdem erläuterte sie uns die feinen Unterschiede der Glasbläserei und präsentierte uns in der benachbarten Galerie ein paar wenige, sehr beeindruckende Stücke, die Künstler aus dem Umkreis hier angefertigt haben. - An einem Beispielexemplar verdeutlichte sie uns, dass man für eine anschauliche Vase 20 Minuten und 25 Jahre Erfahrung benötigt!
Bevor wir die Werkstatt verließen, fragten wir die Künstlerin, woran sie arbeitet? Sie fertigte einen aufwendigen Briefbeschwerer, der aus mehreren Schichten besteht. Ob er ihr gelungen ist, wird sie erst am nächsten Tag erfahren. Es bedarf um die zwölf Stunden, bis heißes Glas vollständig abgekühlt ist. Auch dann wird sie erst erkennen, ob ihr die Farbverläufe gelungen sind.

PS: Ja, wir warteten auf besser Wetter. ;)
Freagra (2)

Wolfgang
24/7 also 31 ;-) Tja in Neuseeland funktioniert wohl noch die Marktwirtschaft. Angebot und Nachfrage bestimmt den Preis. In Deutschland kostet Lebensmittel fast immer gleich viel. Na ja.

Dominic
Von euch beiden würde ich definitiv auch einen Reiseführer kaufen :D Toll geschrieben!

An Nua-Shéalainn
Tuairiscí taistil An Nua-Shéalainn
#whanganui#neuseeland