Foilsithe: 14.06.2019
Ganz am Anfang unserer Reise wurde uns ein Floh ins Ohr gesetzt. Ein kurzes Gespräch in Georgien mit einer Usbekin machte uns neugierig auf ihr Heimatland. Nachdem wir uns mehr über Usbekistan und die ganze Region informiert haben war unser Plan gesetzt: Den letzten Abschnitt unserer Reise wollen wir in Zentralasien verbringen. Auf halber Strecke zwischen dem östlichen und dem westlichen Ende der alten Seidenstraße liegt Usbekistan nämlich auch für uns ganz geschickt, um die Strecke zwischen Vietnam und Deutschland zu unterbrechen.
Seidenstraße - das klingt für uns nach quirligen Bazaren und Teetrinken in alten Karawansereien. Zunächst landen wir jedoch im modernen Taschkent, wo neben vereinzelten Eselskarren vor allem weiße Chevrolet und alte Lada sowie sowjetische, etwas trostlos wirkende Gebäude das Straßenbild prägen. Da wir über Couchsurfing eine Unterkunft gefunden haben, werden wir direkt am Flughafen von unserer Gastgeberin Adele begrüßt. So verbringen wir die ersten Nächte in Usbekistan genau genommen bei einer uigurischen Familie. Adeles Eltern sind als Kinder von Uigurien – im Westen Chinas – erst nach Kasachstan und dann nach Usbekistan ausgewandert. Adele nimmt sich viel Zeit für uns, ihre Mutter bekocht uns hervorragend und die ganze Familie nimmt uns sehr herzlich auf. Antonia – Adeles bisher jüngste Couchsurferin – haben sie zum Schluss mit auf den Weg gegeben, dass sie später unbedingt als Solo-Travelerin wiederkommen soll.
Mit dem Zug reisen wir von Taschkent aus nach Samarkand, einem der Zentren der alten Seidenstraße. Die Mausoleen, Moscheen und Koranschulen, sogenannte Medressas, mit ihren riesigen Eingangsportalen sind von weit her zu sehen. Wir sind überrascht, wie herausgeputzt die Stadt ist. Das Viertel, in dem sich die Hauptattraktionen der Stadt befinden, wurde offensichtlich aufwendig renoviert und für Besucher in Schuss gebracht. Zunächst sind wir beeindruckt von den detaillierten Mosaiken in Blau, Türkis und Gold, die die Fassaden zieren. Nachdem wir uns zwei Tage lang die islamischen Gebäude angeschaut haben, stellt sich jedoch langsam ein wenig Ernüchterung bei uns ein. So beeindruckend die Gebäude sind, sind es letztlich nur Museen und keine belebten Orte mehr. Statt authentischer Bazare oder Teestuben befinden sich im Innern nur Touristenshops, die alle das gleiche verkaufen.
Genug von Mausoleen und Medressas suchen wir uns eine Abwechslung. Wir buchen eine Tour in die Nuratau-Berge, wo wir zwei Nächte in einem Gasthaus bei einer Familie verbringen. Einen Tag wandern wir mit einem Guide durch die Berge, die restliche Zeit lassen wir uns verköstigen und genießen die Ruhe und kühle Luft in der kleinen Oase inmitten der kargen Berge. Die Herzlichkeit der Familie und die Idylle dieses Ortes machen diesen Auslug für uns zu einem Highlight unseres Usbekistan-Aufenthalts.
Nach dieser Auszeit sind wir bereit für die nächste Stadt. Bukhara ist vor allem für seine gut erhaltene bzw. renovierte Altstadt bekannt. Doch auch Bukhara überzeugt uns nicht. So schön die Altstadt ist, uns fehlt es an Atmosphäre. Nach einem Tag haben wir das Gefühl, alles gesehen zu haben. Die restlichen drei Tage benötigt Matthias ohnehin, um sich von einer Magenverstimmung zu erholen. Auch Antonia war während der letzten Wochen zum ersten Mal krank. Alles in allem haben wir einen kleinen Durchhänger und unsere Reisemotivation schwindet.
Zumindest ein Einfluss der Seidenstraße ist in Usbekistan noch allgegenwärtig: das Teetrinken, vor allem grüner Tee. Um genau zu sein, trinkt man hier Chai. Wie wir lernen, gibt es auf der Welt mit wenigen Ausnahmen nur zwei Wörter für dieses Getränk: die Varianten, die ähnlich wie „Tee“ klingen, zum Beispiel das Englische „tea“, das Französische „thé“ oder gar das Maori-Wort „tii“ und verschiedene Varianten von „chai“. Beide Wörter stammen aus dem Chinesischen, woher der Tee ursprünglich in alle Welt verbreitet wurde. Die Chai-Variante ist in vielen Dialekten des Chinesischen üblich und hat sich entlang der Seidenstraße über Zentralasien, Persien bis Subsahara-Afrika verbreitet. Die Tee-Variante stammt dagegen aus einem Dialekt, der an der Küste Chinas gesprochen wurde. Dieses Wort wurde per Schifffahrt über den Pazifik, entlang der afrikanischen Küste bis nach Europa verbreitet.
Der Tourismus befindet sich in Usbekistan gerade im Umbruch. Erst seit Anfang des Jahres benötigen Touristen aus den meisten Ländern kein aufwendig zu beantragendes Visum mehr. Während wir auf viele europäische Touristen im Rahmen von organisierten Gruppenreisen treffen, scheinen Individualreisende aus westlichen Ländern erst langsam den Weg hierher zu finden. Das Reisen in Usbekistan ist für uns nicht immer ganz einfach. So kann man nur an wenigen Geldautomaten Dollar abheben und muss dann weiter auf die Suche nach einer Wechselstube gehen. Die wenigsten Usbeken, die wir treffen, sprechen Englisch. Da sich unser Russisch auf etwa fünf Wörter beschränkt, behelfen wir uns mit Türkisch, das dem Usbekischen sehr ähnlich ist, und manchmal kommen wir sogar mit Deutsch weiter als mit Englisch. Meistens mischen wir auch alle Sprachen in einen Satz und manchmal verstehen uns die Leute damit sogar.
Oft hat uns aber die Hilfsbereitschaft der Usbeken gerettet. Kommen wir einmal nicht weiter mit unseren bescheidenen Sprachkenntnissen, taucht von irgendwoher jemand auf, der Englisch spricht und für uns übersetzt. Das kann auch mal soweit führen, dass die Person mit uns Taxi fährt, um sicherzugehen, dass wir den Ort finden, den wir suchen. Die Leute freuen sich, dass wir uns für ihr Land interessieren. Wie zum Beispiel der Bäcker, der uns mit einem strahlenden Lächeln in seinem Land willkommen heißt und uns Gebäck schenkt oder der Taxifahrer, der keine Bezahlung für seine Dienste will, weil er sich freut, mit uns ein paar Brocken Englisch reden zu können.
Was uns dagegen ein wenig erschreckt hat, war die Vorstellung, die einige Usbeken von Deutschland haben. So haben wir unabhängig voneinander mit zwei jungen Frauen gesprochen, die aus Angst vor Syrern bzw. „gefährlichen Männern“ nicht nach Deutschland reisen möchten. Wir fragen uns, wie dieses dramatische Deutschlandbild entsteht.
Für uns fühlt es sich an, als ob sich langsam derKreis schließt: Durch den deutlichen sowjetischen Einfluss erinnert uns inUsbekistan vieles an die ersten Wochen unserer Reise in Georgien. Nicht zuletzttrinken wir hier wieder das Mineralwasser aus Borjomi, dessen Quelle wirletzten August besucht haben. Da wir Usbekistan weniger spannend finden alserwartet, beschließen wir, früher als geplant nach Kirgistan weiterzureisen, wouns die Aussicht auf schneebedeckte Berge lockt.