Eldonita: 13.08.2022
Vierzig Tage mit Crayola – Erfahrungsbericht Escape Campervan
Bei wirklich guten Freundinnen und Freunden weiß man auch noch nach Jahrzehnten, wann und unter welchen Umständen man sich kennengelernt hat. Wir sahen „Crayola“, unsere Campervan zum ersten Mal an brutal heißen Tag in Denver Colorado.
Wir nehmen an, dass unser Wagen weiblich ist, schließlich endet „Crayola“ auf a. Der Name ist in USA ein Synonym für Buntstifte aller Art und so sieht sie auch aus. Eines der Merkmale von ESCAPE-Fahrzeugen ist die jeweils einmalige, sehr farbenfrohe Lackierung, sozusagen als Mottowagen. Unser Exemplar sah tatsächlich aus, als hätte jemand seinen Stiftekasten an geometrischen Figuren ausprobiert.
Wir waren eine Zeitlang bei ca. 40 Grad Celsius, in der Nähe der Bahnstation Preoria Street Station herumgeirrt und hatten nach Hinweisen gesucht, wo denn jetzt die Firma „ESCAPE“ sein könnte. Irgendwann hatten wir dann die Straße gefunden und irgendwann auch die Hausnummer. Mit letzter Kraft retteten wir uns in ein klimatisiertes Büro, in dem einige gutgelaunte Mitdreißiger uns herzlich willkommen hießen. Ja, unser Wagen sei fertig. Zuerst der Papierkram mit der obligatorischen Frage nach der Kreditkarte, von der man den Rechnungsbetrag abbuchen könne. Rechnungsbetrag? Aber hallo! Gut, dass wir die Reiseunterlagen von Canusa dabei haben und gut, dass die eindeutig waren. Auf allen Rechnungen stand in 48 Punkt fett „PAID“. Das half sofort und am Ende der Tour sollten wir feststellen, dass „ESCAPE“ insgesamt sehr korrekt arbeitet.
Dann wurden wir erst einmal an ein Regal geführt, dass mit Hinterlassenschaften von anderen Mieterinnen und Mietern gefüllt war. Wir deckten uns gratis mit nützlichen Dingen ein wie Taschenlampe, Kaffee samt Bodum Glaskanne, Mückenspray, Mückenlampe etc. im Wert von rund 50 Dollar. Bei ESCAPE wird viel Wert auf Nachhaltigkeit und Recycling gelegt.
Das trifft auch auf unser Auto zu. „Crayola“ ist ein Ford E-150 Van Baujahr 2013 und hatte bei Fahrtantritt schon satte 240.000 Meilen also über 300.000 Kilometer drauf. Nach unseren Maßstäben war das schon eine alte Kiste, mit der uns die Jungs auf die Reise schickten. Später sollten wir feststellen, dass das offensichtlich nichts Ungewöhnliches ist. Andere Exemplare hatten auch mal 300.000 Meilen auf der Uhr.
Sozusagen unter dem bunten Makeup wurden einige Falten sichtbar. Abblätternde Farbe, Dellen im Blech und Chrom, die Gummifassung der Windschutzscheibe sicherheitshalber mit Tape fixiert. Aber alles wurde genau protokolliert, von uns fotografiert und kam nicht auf die Rechnung und wenn, dann nur als Abzug. Außerdem kommt es eh auf die inneren Werte an. „Crayola“ stellte sich als verlässliche gute Freundin heraus, auch wenn sie recht durstig war. Sie fuhr uns aber klaglos und ohne Panne über 5300 Meilen, ließ sich wunderbar einfach wie ein PKW lenken und passte in jede übliche Parklücke. War als nicht nur die richtige Partnerin für die Campgrounds sondern auch für die Städte des Westens. Und überall, wo wir auftauchten sprachen uns die Leute darauf an, wie schön wir das Auto bemalt hätten, einige waren neugierig, wie der Wagen innen ausgestattet war und ob wir denn auch darin schlafen würden und wieviel Platz wir denn hätten.
In den offiziellen Angaben heißt es, wir hätten 0,55 Kubikmeter Stauraum für unser Gepäck. Da kann man sich eigentlich nichts drunter vorstellen. Sagen wir es so: Es war genug Platz für den Inhalt von zwei großen Reisetaschen. Wären es zwei Koffer gewesen, hätten wir diese nicht mehr unterbringen können. So konnten wir die Taschen knautschen und ein Plätzchen für sie finden. Allerdings sollte man genau überlegen, wohin man was packt. Dinge, die täglich gebraucht werden nicht in die Schrankfächer legen, weil man um sie zu erreichen, das halbe Auto umbauen muss.
Apropos umbauen. Aus dem Essplatz im hinteren Wagen wird nachts ein für zwei Personen ausreichender recht bequemer Schlafplatz. Die Umbauarbeiten sind aber nicht annähernd so einfach, wie es das Tutorial-Video glauben machen möchte. Außerdem sind die verwendeten Bretter eigentlich zu dünn und biegen leicht durch. Aber wir haben durchweg gut geschlafen, waren jeden Tag hinreichend ausgeruht und sind nicht durchgebrochen.
Hinter der geteilten Hecktür verbirgt sich die „Küche“ mit zweitflammigen Propankocher und Kühlschublade, sowie den Utensilien zur täglichen Nahrungszubereitung. Alles ist sehr praktisch und durchdacht. Den Kocher kann man leicht herausnehmen und auf den üblichen Campingtisch stellen, was besonders beim Frühstück sehr anenehm ist. Die Kühlschublade war für uns groß genug und brachte auch die notwendige Leistung. Sie ist mit einer zweiten Batterie und einem Sonnenpad abgesichert. Erst gegen Ende unserer Reise machte das System sozusagen eine Überlastungsanzeige und versagte zwei Mal, was wir dann mit einem Sack Eis von Dollar-Family für 2,50 Dollar ausgleichen mussten. Aber insgesamt gehören unsere Frühstücke im Freien mit Crayola zu den Dingen, die wir jetzt jeden Tag vermissen.
Weil ich peinlicherweise nachts auf ein Apnoegerät angewiesen bin, hatten wir das Elektropaket für einmalig 20 Dollar Miete gebucht. Es bestand aus zwei in USA handelsüblichen Verlängerungskabeln und einem Adapter für den „großen“ Campingstrom (30 AMP) und einem Heizlüfter. Den haben wir nie gebraucht. In ca. 70% der Nächte haben wir Campingstrom genutzt, waren aber nicht darauf angewiesen. Mein Schnarchomat lief klaglos über die Buchse des sogenannten Zigarrenanzünders im Auto und einem 12V-24V KFZ Netzteil für 41 Euro. Mit diesem Netzteil konnten wir auch unseren Computer betreiben, allerdings wird der Laptop-Akku dabei nicht geladen, dafür braucht man die externe Stromversorgung. Aber das Übernachten in den Nationalparks weitab der Zivilisation war kein Problem und elektronisches Entertainment gab’s auch.
Die Wasserversorgung und Entsorgung ist einfach aber praktisch. In den Tank für die Spülbeckenpumpe passen ca. 3,5 Gallonen, genau so viel in den Abwassertank, der über einen Hahn in der Nähe des linken Hinterrads geleert wird. Da es sich nur um „graues“ Wasser handelt, ist die Entsorgung einfach über die Spülschüssel und die Abwasserlöcher der Campingplätze, wenn man nicht gleich die oft vorhandenen Spülküchen nutzt. Wir haben einfach die großen Gallonen-Trinkwasserflaschen aus dem Supermarkt behalten und mit Wasser vom Campingplatz gefüllt, soweit vorhanden. Damit konnten wir den Tank über einen leicht erreichbaren Einfüllstutzen gefüllt halten und haben einfach jede Möglichkeit zur umweltgerechten Entsorgung genutzt. Irgendwie lehrreich, sich um solche scheinbaren Banalitäten des Lebens kümmern zu müssen.
Natürlich ist Crayola wie alle Campervans kein vollwertiges Wohnmobil. Man kann z. B. im Innenraum nicht stehen. Einige Einbauten wirken schon etwas heimwerkerhaft und wackelig. Reinigungsgerätschaften wie Besen und Kehrschaufel fehlen. Das Küchenpaket aus Töpfen, Geschirr und Besteck ist sehr knapp bemessen und sichtbar oft gebraucht. Wer da empfindlicher ist als wir, sollte auf das Campervan-Paket verzichten und sich bei einem ersten Halt bei Walmart oder bei Dollar Family versorgen. Das wird sogar preisgünstiger als der Paketpreis 40,00 Dollar bei ESCAPE. Das schlechte Gewissen im Hinblick auf den Umweltschutz könnte man beruhigen, indem man alles großzügig für die Resterampe im Firmenbüro spendet. Ihr könnt sicher sein, dass es dankbare Abnehmer/Innen gibt, und sei es, dass ESCAPE alles noch einmal vermietet.
Zum Kochen und am besten auch zum Essen muss man das Auto immer verlassen, das kann bei schlechtem Wetter und Kälte sehr lästig sein, aber wir hatten durchweg ideale Bedingungen. Im Winter sollte man sich allerdings nach etwas anderem umsehen.
Wir hatten uns aber nach zwei Reisen mit „richtigen“ Wohnmobilen bewusst für den Campervan entschieden. Die Preise für die großen Kisten erscheinen uns mittlerweile als überzogen und das Fahren mit einem sieben Meter langen und entsprechend hohen Gefährt hat viele Nachteile, vor allen Dingen, wenn man Städte erkunden will. Dann ist man darauf angewiesen, dass der Campingplatz nahe genug der jeweiligen Stadt liegt, dass sie zu Fuß erreichbar ist oder, dass es eine Bus- oder Bahnverbindung gibt. Beides kommt so gut wie nie vor. Mit Crayola konnten wir einfach unser Besetzt-Schild an den Platz heften und in die Stadt fahren. Die Mietpreise für RVs also für Wohnmobile auf den Campgrounds sind unfassbar hoch. Da werden schon mal 90 Dollar pro Nacht fällig und dazu kommt, dass man in der Regel in der allerschönsten Landschaft zwischen zwei noch größeren Gefährten eigeklemmt wird, deren Bewohner nachts noch den Großbildschirm mit dem Kompressor betreiben.
Mit Crayola konnten wir den meisten Campingplatzbetreibern klarmachen, dass wir weder Strom, noch Wasser brauchen und gerne auf einem Zeltplatz in unserem Auto schlafen würden. Dafür wurden in der Regel zwischen 25 und 45 Dollar berechnet. Allerdings gab es da Ausnahmen, wo wir ohne Gnade in die RV-Ecke verbannt wurden und 89 Dollar zahlen mussten. Manche Campingplätze schließen Zelte und Autoschläfer vollständig aus und bieten keine Waschräume und Toiletten mehr an, weil sie nur RVs mit Vollausstattung akzeptieren. Campervan und andere Anbieter legen mehr oder weniger den Eindruck nahe, man wäre mit dem Wagen so frei und könne überall schlafen. Kann man schon, wenn man nichts dagegen hat, nachts sozusagen mit einem Ohr wach zu bleiben, ob vielleicht mit einer Taschenlampe gegen das Fenster geklopft wird und jemand fragt. „Can I Help you, Sir?“ „Overnight-Parking“ ist so gut wie überall, wo es schön sein könnte, verboten. Wo das nicht ausdrücklich verboten ist, ist es in der Regel auch so hässlich, dass man da nicht aufwachen möchte. Nur an einer einzigen Stelle in Eureka/Nevada waren 18 Stunden Parken ausdrücklich erlaubt, was uns aber zu spät aufgefallen war und wir schon 25 Dollar für einen 100 Meter entfernten Platz ausgegeben hatten. Insgesamt gilt der Grundsatz: „Teurer ist nicht unbedingt besser“. Einer der besten Plätze in Scottsbluff/Nebraska hätte 10 Dollar gekostet, wenn nicht zwei Nachbarn für uns bezahlt hätten. Der teuerste Platz KOA Montpelier/Idaho war mit 89 Dollar der schlimmste Absturz mit dreckigen Waschräumen und absolut unmöglichen, randalierenden Mitbewohnern, die von niemand im Zaum gehalten wurden.
Sollte man dabei haben: eine Taschenlampe, (die weit verbreiteten Stirnlampen sind weniger praktisch, als man denkt), eine Rolle gutes Gaffer-Tape, also Isolierband von der haltbaren, fest klebenden Sorte, Kabelbinder stark, Ein Netzgerät für den Zigarrenanzünder (gibt’s auch in Becherform für den entsprechenden Halter), starkes Mückenspray (vor Ort besorgen, deutsche Präparate bringen hier nichts), Bodum-Kaffeepresse (gibt es auch in Metall), gutes Taschenmesser mit Korkenzieher und Kapselheber, Wäscheleine, Schild „Campsite occupied in Plastikhülle,.
Technische Daten „Crayola“: Länge 5,4 m, Breite 2,01 m, Höhe 2,05 m ,Hubraum 4,2 l 8-Zylinder, Tankgröße 35 Gallonen (132 l), Treibstoff Normalbenzin bleifrei, Schaltung Automatik, Heckantrieb, Servolenkung, ABS-Bremsen, Klimaanlage.