Publikováno: 10.10.2018
Eine Woche ist mein letzter Bericht schon her.
Mein Körper rebelliert seit dem letzten Freitag.
Ich denke es ist für den Körper auch nach 8 Wochen noch eine andere Welt, was Klima, Nahrung, Hygiene und psychische Belastung betrifft. Wir sind von Geburt an geprägt und erstmal bestens auf unsere landestypischen Lebensbedingungen eingestellt. Verlässt man dieses gewohnte Umfeld, bedeutet es eine Umstellung. Manchmal gelingt dies unkompliziert, manchmal tut man sich schwer.
Deshalb hüte ich seit 5 Tagen das Bett, habe am Wochenende 21/24h geschlafen und wurde von meinen Mitbewohnerinnen liebevoll umsorgt.
Es ist anstrengend, nicht auf seine gewohnten Hausmittel zurück greifen zu können und schon die Sehnsucht nach einem einfachen Kräutertee kann nicht gestillt werden. So etwas gibt es hier einfach nicht. Nur Schwarztee.
Der Versuch sich am Abend eine Wärmflasche warm zu machen gelang nur in 1/3 der Fälle, da die restliche Zeit Stromausfall war und auf der einen verfügbaren Flamme das Essen kochte.
Ja es sind definitiv die kleinen Dinge des Lebens, die man zu schätzen lernt.
Aber es geht aufwärts (trotz meines verweigerten Arztbesuches).
Wenn man hier in einer Klinik arbeitet, hält man erstmal viele Schmerzen zu Hause aus und mich müsste man vermutlich auch mit z. Bsp. einer offenen Fraktur nach Deutschland fliegen, weil ich wirklich nur gezwungen als Patient eine Klinik in Tansania aufsuchen würde.
Aber ich habe ein Gefühl für meinen Körper und kann einschätzen, wie weit ich mich noch selbst behandeln kann.
Und zum Glück hab ich sogar noch medizinisches Personal an meiner Seite, wodurch Infusionen auch zu Hause verabreicht werden können.
Aber seit heute fühle ich mich besser und möchte noch vom letzten Donnerstag in der Klinik berichten.
Donnerstag, 04.10.2018
An diesem Tag waren Johanna und ich wieder gemeinsam im Kreißsaal und wir begleiteten eine Frau, die ihr erstes Kind erwartete, während der Geburt. Und ständig hatten wir das Gefühl gegen die Schwestern zu arbeiten.
Die Frau war vor etwa 20 Minuten von zu Hause gekommen mit 4cm Muttermundseröffnung, kräftigen und regelmäßigen Wehen und die Herztöne waren normofrequent. Es tat ihr gut sich zu bewegen und Johanna und ich bestärkten sie darin.
10 Minuten später kam die Schwester, war der Meinung die Frau solle sich hinlegen, untersuchte sie grob, öffnete dabei (in diesem Moment absolut grundlos!) die Fruchtblase um anschließend zu gehen.
Ich wollte mit ihr reden, was die Absichten ihrer Handlung eben war und fragte, ob sie es nicht als wichtig erachtet
1. mit der Frau vorher zu reden
2. Herztöne nach Blasensprung zu hören
3. alles zu dokumentieren
Es folgte ein Kopfschütteln und sie verließ den Kreißsaal. Wir waren sprachlos.
Was sollte das?
Wir übernahmen natürlich die Herztonkontrolle und ‚erlaubten‘ der Frau die weitere Mobilisation.
2h schaute die Schwester nun nicht nach der Frau. Völlig verantwortungslos.
Doch die Geburt ging sehr schnell voran. Es war (mal wieder) wahnsinnig spannend zu sehen, wie sich die Frau perfekt in den Phasen der Geburt bewegte.
Ganz von allein, nur instinktiv.
‚Folge deinen Instinkten. Dort zeigt sich wahre Weisheit.‘
Wäre das nicht schön, auch in Deutschland wieder mehr zu sehen?
Wir sind im völligen Überangebot, was Bücher, Zeitschriften, Filme und Kurse zur Geburtsvorbereitung angeht.
Doch wo bleibt das Vertrauen und Gefühl für den eigenen Körper? Sind wir dabei es zu erdrücken mit dem Glaube, dass wir Menschen nur mit 5 vorher gelesenen Büchern ein Kind gebären können?
Es ist nicht richtig sich nach Plakaten und Abbildungen zu richten, die einem in einem Kurs vorher erläutert wurden. Es ist viel wichtiger auf seinen Körper zu hören und unter Geburt das zutun, was einem gut tut.
Kurz vor der sogenannten Austreibungsphase hatte die Frau nachlassende Wehen in Stärke und Häufigkeit. Die Herztöne waren gut und wir hatten Zeit zu warten, bis diese von allein wieder stärker werden. Da beginnt die Frau plötzlich ganz selbstverständlich ihre Brustwarzen zu massieren und zu stimulieren. Für manche scheint dies befremdlich zu wirken, das so zu lesen. In mir löste es Begeisterung aus, weil genau dadurch das körpereigene Hormon Oxytocin ausgeschüttet wird, was für die Wehenauslösung verantwortlich ist.
Wo wir in Deutschland ein Flexüle legen, eine Infusion mit künstlichem Oxytocin zubereiten und der Frau diesen Wehentropf anhängen, bewegt sich diese afrikanische Frau nach ihren Wünschen und regt zeitgleich einfach instinktiv ihre Wehenproduktion an.
Faszinierend!
1h später hielt sie ein bezauberndes Mädchen im Arm.
Wir waren überglücklich, dass wir nicht erneut von einer Schwester gestört wurden und es eine selbstbestimmte Geburt der Frau sein konnte.
Als wir sie erneut 1h später auf Station besuchten, war gerade die Oma des neugeborenen Mädchens zu Besuch und sie bedankte sich so herzlich. Drückte uns an sich, küsste uns und strahlte.
Es war so rührend und ein, zwei Tränen konnten wir nicht zurück halten.
Doch der Tag blieb uns leider nicht nur positiv in Erinnerung. Die Geschichte könnt ihr im nächsten Blog lesen.