Publicat: 21.05.2021
Mittwoch 7.9.16
Um 9h sitze ich beim Frühstück, das eine eher überschaubare Auswahl bietet und außer mir sind nur noch zwei Leute hier. Ich vermute, dass andere Gäste eher ihr Frühstück selbst zusammenstellen. Aber ich will nicht auch noch zum Frühstück Schwarzbrot mit Teewurst essen….
Die Sonne scheint im Übrigen, so dass ich nochmal durch Lærdalsøyri laufe, bevor ich mit Auto weiter nach Osten fahre.
Ich verlasse die E16 bald für eine Nebenstraße, die vor dem Bau der Schnellstraße die einzige Strasse Richtung Borgund und weiter nach Osten war.
Was für eine Traumstrecke ! Der Lærdalsselvi ist ein wilder, teilweise smaragdgrüner reissender Bach und verläuft neben der Strasse.
Überhängende Felsen bedingen, dass höhere Autos in der Mitte der ohnehin schmalen Straße fahren, was natürlich bei Gegenverkehr nicht so ganz angenehm ist. Aber ich hab ja ein kleines, wendiges Auto und es ist hier ohnehin kaum Verkehr. Aber mit einem Wohnmobil wird’s hier schon knifflig. Es gibt schmale Tunnel, die man mit einem hohen Auto besser in der Mitte vorsichtig passiert.
Auf der anderen Bachseite gib es einen maroden Wandersteg, der gefährlich über dem Wasser hängt aber nicht mehr nutzbar sein kann, weil tw. Stücke fehlen. Dies ist ein Teil des berühmten Königswegs, dem Bergense Kongensvei, der im 18. Jahrhundert von Bergen über Oslo bis nach St. Petersburg führte.
Kürzlich erst hat man hier in der Region einen Teil des Königswegs wieder eröffnet. Aber man kann auch querfeldein den alten Wegen folgen – jedoch nicht hier an diesem Fluss.
Untersuchungen des Holzes haben ergeben, dass es im Winter 1180-81 gefällt wurde.
Die Landbevölkerung in Norwegen war in der Zeit noch überwiegend heidnischen Religionen zugewandt, als Ende des 10. Jahrhunderts die Christianisierung mit der (üblichen) Gewalt versucht wurde ins Land zu treiben. Stabkirchen entstanden in dieser Periode und man geht davon aus, dass sie primär in der Übergangszeit vom Heidentum zum Christentum entstanden, was auch einzelne Dekorationen in der Kirche erklären könnte.
Runen am Dachfirst und im Bauholz haben Inschriften gezeigt, die in etwa heißen:
„Ich ritt hier vorbei am St. Olavstag. Die Nornen taten mir viel Böses, als ich vorbeiritt“. Die Erwähnung eines Heiligen in Verbindung mit den Nornen zeigt deutlich die Kombination beider Glaubensrichtungen in dieser Zeit. Die Nornen sind Schicksalsgöttinnen aus der alten heidnischen Religion. Während auf den Giebeln jede Menge kirchliche Kreuze zu finden sind, gibt es in Richtung Ost und West Drachenköpfe. Man wollte so böse Kräfte fernhalten.
Mich beeindruckt nicht nur die Bauweise völlig ohne Nägel auch die Innendekoration ist so ganz anders, als ich es kenne. Das Holz ist fast vollständig schwarz verharzt und über den Türen und auf dem First verziert. Im Innern gibt es nur beim Altar wirklich Bildnisse, der restliche Raum zeigt keine Malereien. Es gibt jedoch ein Katzenkopf-Relief über der Kanzel, was auch eher zum heidnischen Glauben zeugt. Rund um den Andachtsraum läuft eine schmale Bank für die alten und Kranken Gottesdienstbesucher. Ansonsten stand man während des Gottesdienstes. Die Kirche hat einen niedrigen umlaufenden und überdachten Außengang. Hier stellte man seine Waffen ab, bevor man die Kirche betrat.
Der Bau von Stabkirchen fand im Mittelalter ein jähes Ende, als die Pest die Hälfte der Bevölkerung von Norwegen dahinraffte. In den Jahren und der Zeit danach hatte man einfach andere Dinge zu bewältigen, als weitere Kirchen zu bauen. Später baute man dann aus Stein.
Um 12.30h verlasse ich Borgund, da die direkt daneben gebaute neue Kirche (die auch eher 150 Jahre alt ist) geschlossen hat und ich nun also kulturell gebildet eine landschaftlich schöne Fahrt bei hoffentlich anhaltend gutem Wetter antrete.
Zunächst fahre ich zurück nach Lærdalsøyri und biege dann dort ab in Richtung Aurlandsfjellet. Lærdalsøyri war vor dem Bau Tunnels nach Aurland oft lange Zeit von der Außenwelt abgeschottet, wenn im Winter Schnee fiel. Denn man konnte nur über das Hochplateau, das Aurlandsfjellet nach Aurland gelangen und dort liegt in der Regel zwischen Ende September und Ende Mai meterhoch Schnee. Der Lærdalstunnel ist mit 24,5km der längste Straßentunnel der Welt und wurde im Jahr 2000 eröffnet und ist Teil der Europastraße E16.
Die Distanz nach Aurland kann man so ohne Wettereinflüsse innerhalb von 45 min zurück legen. Ich aber entscheide mich heute für einen Weg durch die Natur, denn wenn die Sonne scheint, will ich keinen Tunnel befahren.
Der Weg über das Aurlandsfjellet und den Stegastein-Aussichtspunkt auf den Aurlandsfjord nach Aurland. Knapp 50 km durch wilde, rauhe, atemberaubend schöne Natur.
Die Straße ist schmal und steigt stetig an, bis man auf einem Hochplateau mit einer grandiosen Fernsicht fährt. Die Baumgrenze ist hier bei 1.300 m bereits erreicht und man hat um sich Schneefelder und Steine statt bisher niedrigen Bodenbewuchs in herbstlichen Tönen.
Kleine Bäche und Seen, die vermutlich aus geschmolzenem Schnee gespeist werden, sind überall zu sehen. Eine traumhaft-rauh-schöne Natur. Es bläst ein heftiger Wind und die Temperatur hat sich zudem auf 11 Grad reduziert, was trotz Sonnenschein ziemlich kalt ist.
Die Aussicht ist aber grandios und ich winde mich irgendwann zum Stegastein Aussichtspunkt herunter, der eine ziemlich coole Architektur hat.
Es ist praktisch ein breiter Steg, der vor einer Glasplatte endet und darunter etwa 100m der Aurlandsfjord liegt. Trotz aufziehender Wolken, ist es ein schöner Blick und ich freue mich, dass ich morgen eine Fahrt mit dem Boot mache, die sowohl den Nærøyfjord als auch den Aurlandsfjord durchkreuzen wird.
Als ich schließlich in Flam bin, hab ich auch genug Kurven hinter mir. Ich habe mich in einer Jugendherberge eingemietet, die für ein Einzel mit eigenem Bad, stolze 100 EUR ohne Frühstück verlangt. Dafür habe ich ein Zimmer mit Stockbett (glücklicherweise ist das untere Bett breiter), eine steinharte dünne Matratze auf einem Brett.
Ich beziehe mein Bett und laufe die 5min zu Fuß in den Ort. Ort ist eigentlich schon übertrieben. Es ist eine Ansammlung von ein paar Häusern, in denen Souvenirshops, Snack-Buden und wieder Souvenirshops sind.
Die große Touristeninfo ist fast leer, denn es ist schon nach 17.00h. Ein riesiger MSC-Pott legt gerade ab und so dürften 3.000 Touristen weniger hier sein, als noch vor einer Stunde. Irgendwie habe ich Hunger und überlege mir nun erstmals hier etwas zum Essen zu holen. Zuhause hatte ich mal die Aktivitäten-Optionen in Flam gecheckt und es gibt hier eigentlich zwei Sachen, die man machen kann: Einerseits die Flambahn, andererseits eine Fjordfahrt. Ohne zu wissen, wie das Wetter wird, habe ich mich für die Fjordfahrt entschieden und für morgen um 11.00h die Tour schon gebucht.
Also hätte ich jetzt eigentlich Zeit für die Flambahn-Fahrt. Das Wetter ist diesig und es wird nicht besser. Ich überlege etwas, weil ich nicht weiß, ob sich das lohnt, wenn das Wetter mies ist, aber da ich auch nichts anderes vorhabe, versuche ich das online zu buchen. Immerhin für 380 Kronen, also gut 40 EUR. Die Touristeninfo kann mir das nur für 440 Kronen (also rund 50 EUR) verkaufen. Da die Flambahn aber offenbar keine für Smartphones optimierte Buchungsmaschine hat, gehe ich wieder in die Touristeninfo und bequatsche einen Mitarbeiter so lange, bis er online über seinen Computer die Fahrt um 18.40h für 380 Kronen bucht. Es ist 18.00h, als ich da raus gehe, stratze direkt zu einem Pizza-Takeaway und habe bis 18.30h schon die 20-EUR-Pizza vertilgt und sitze um 18.35h in der Flambahn, die ziemlich leer ist.
Die Sitze sind nicht ansatzweise so, wie man das für den Preis erwarten würde, aber man kann etwa jedes zweite Fenster öffnen. Die Fahrt führt eine Stunde bergauf bis nach Myrdal auf 867m ü M. Die Flambahn gilt als eine der schönsten Zugstrecken der Welt – ich kann das nicht so ganz nachvollziehen – ich fand sowohl die Route der White Pass Rail in Alaska schöner, als auch die von Durango nach Silverton in Colorado. Möglich, dass man hier ganz entzückt ist, wenn man ansonsten noch nichts von Norwegen gesehen hat, aber nach solchen Strecken wie dem Vaksvikfjellet und dem Aurlandsfjellet ist das hier jetzt keine Offenbarung. Klar, man schaut tief runter in das Flam-Tal (oft nur zwischen Tunnel-Streben hindurch) und sieht viele Wasserfälle, aber nun ja, das hab ich auch auf der gesamten Reiseroute dauernd gesehen. Bahntechnisch ist das sicher eine tolle Leistung und die Strecke ist eine der steilsten der Welt. Auf 80% der Strecke hat der Zug eine konstante Steigung von 5,5% zu bewältigen.
Zwischendrin hält man am Kjosvossen Wasserfall. Aber zwischenzeitlich ist es total dunstig und grau – es macht keinen wirklichen Spaß.
Die Strecke führt durch 20 Tunnel und man hat von daher oft nur einen sehr kurzen Blick auf die Landschaft. Wenn das Wetter besser wäre, wäre es sicher schöner.
Der Bau der Strecke hat ab 1923 rund 20 Jahre gedauert, weil die Tunnel per Hand aus den Felsen geschlagen wurden. Und letztlich ist die enorme Steigung der Strecke kein Pappenstiel. Durch die Anbindung in Myrdal an die Bergenbahn, steigen hier oben im Nieselregen die meisten Fahrgäste mit Gepäck aus, um von dort mit der Bergenbahn nach Bergen oder Oslo weiterzufahren.
Bevor die Flambahn gebaut wurde, hatte man von Myrdal keinen Anschluß bis nach Flam, bzw. Flam auch keinen Anschluß nach Bergen und Oslo.
Um 20.45h – also rund 2 Stunde nach Abfahrt aus Flam – bin ich wieder in Flam. Der Aufenthalt in Myrdal war etwa 15min. Aber dort hatte selbst der Kiosk schon geschlossen, so dass es noch nicht einmal einen Kaffee gab.
Ich trudel zu meiner Jugendherberge, lade noch meine Bilder runter und kann mit offenem Fenster schlafen.