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#100 Eine ungeplante Nacht auf dem Meer

Publicat: 03.04.2022

26.- 27. März 2022: Brindisi, Igoumenitsa


J. Die Überfahrt nach Griechenland hatten wir uns eigentlich anders vorgestellt. Wir hatten extra die kürzeste Fährstrecke zwischen Italien und Griechenland, von Brindisi nach Igoumenitsa gewählt, die von 13 Uhr bis 22 Uhr dauern sollte und haben die Fahrt extra am Samstag, als das Wetter gut sein sollte, gebucht. Wir hatten vor den Tag über die Sonne und die Aussicht aufs Mittelmeer zu genießen und abends in Griechenland zu sein.

Doch daraus wurde leider nichts. Schon am Abend vorher bekamen wir eine E-Mail, dass sich die Abfahrt auf 16.30 Uhr verschiebt. Wir waren schon in Brindisi und hatten nichts anderes vor, deshalb gesellten wir uns ab eins zu den vielen bulgarischen und rumänischen Autos und Transportern voller Menschen an den Fähranleger. Nach und nach kamen immer mehr Autos und ein paar vereinzelte Vans, doch eine Fähre war noch nicht in Sicht. Erst nach 16 Uhr legte sie an und begannt mit dem Ausladen. Ein paar Stunden später durften wir auf die Fähre fahren. Von der letzten Fähre zwischen Spanien und Italien waren wir viele fuchtelnde Einweiser, die uns millimetergenau einwiesen, gewohnt. Die Einweisung hier konnte nicht gegensätzlicher sein: außer, dass wir die lange Rampe bis ganz nach oben aufs offene Deck fahren sollten, wurden uns nichts gesagt. Wir reihten uns in die kreuz und quer an Deck stehenden Autos ein und standen neben einem riesigen Haufen alter Matratzen.

Die LKWs stehen schon in den Startlöchern, doch wir haben erstmal Vorfahrt.

Um 19 Uhr legten wir ab. Erst jetzt fiel uns auf, dass es nach Griechenland eine Stunde Zeitverschiebung gibt und dass ausgerechnet heute Nacht auch noch die Zeitumstellung auf Sommerzeit ist. Nach unserer neunstündigen Überfahrt würde es sich für uns zwar wie 4 Uhr morgens anfühlen, in Griechenland würde es dann aber schon 6 Uhr sein.

Da wir geplant hatten während des Tages zu fahren, hatten wir keine Kabine und ergatterten einen der letzten Tische im Speisesaal. Statt die Überfahrt an Deck in der Sonne zu verbringen, verbrachten wir den Abend in einer Raucherkneipe; hatten wir auch schon lang nicht mehr gemacht. Unser Nachbartisch füllte sich schnell mit einer großen Runde bulgarischen Truckern, die uns sofort zu Bier und selbstgeranntem Schnaps aus der Plastikflasche einluden. Der Schnaps ist das bulgarische Nationalgetränk und jede Familie brennt ihren eigenen, erzählten sie uns. Er wird außerdem nicht aus Schnapsgläsern, sondern aus Pappbechern getrunken. (Und ich hatte mich gewundert, warum die Männer ihr Wasser nicht direkt aus der Flasche, sondern aus Pappbechern tranken.) Ich war froh, dass nicht jeder uns seinen eigenen Familienschnaps zum Probieren gab, ich nippte an meinem mindestens drei Schnapsgläser vollem Becher den ganzen Abend. Der Schnaps hatte, laut unseren neuen bulgarischen Freunden „mindestens 50% Alkohol“, schmeckte aber erstaunlich gut.

Das Truckerfeierabendgedeck - heute aus Pappbechern, da es keine anderen Becher/Gläser im Bordrestaurant gab.

Als wir sagten, dass wir aus Hannover kommen, nickten alle, den Stau auf der Autobahn bei Hannover kannten sie nämlich alle. Obwohl nur einige Trucker ein wenig Englisch konnten, und die meisten nur vereinzelte Wörter in Deutsch („be- und entladen“, „Prost“, „Tschüß“), war es trotzdem immer lustig. Besonders über meine Anwesenheit wurde sich gefreut, denn von den ca. 150 Menschen im Speisesaal waren nur etwa 8 Frauen. Auch mit dem albanisch-italienischem Pärchen neben uns, die Familie in Albanien besuchten und dem italischem Opa von gegenüber, der seit 22 Jahren nach Rumänien fährt (warum und was er da macht, haben wir leider nicht verstanden), war die Unterhaltung, trotz kaum vorhandener gemeinsamer Sprachkenntnisse, sehr lustig. Interessanterweise hatte (fast) niemand auf der Fähre als Ziel Griechenland, fast alle fuhren nach Bulgarien oder Rumänien weiter.

Um kurz nach 20 Uhr gab es Essen (verschiedene Sorten Fleisch oder Fisch mit Pommes und Nudeln mit Fleisch). Die Trucker freuten sich über das kostenlose Essen, das von der Firma bezahlt wurde und nahmen einmal alles. Die Kommunikation mit dem Küchenpersonal war aber auch nicht einfach, so konnte ich nicht sagen, dass ich nur ein bisschen Fisch wollte und bekam direkt drei Portionen Fisch auf den Teller gehauen. Am Ende waren auf jedem Tisch stapelweise Brot und nur halb leer gegessene Teller. Hier gibt es auf jeden Fall echt viel Lebensmittelverschwendung. Der einzige Nachtisch den es gab, waren Äpfel, aber wie einer unserer neuen Freunde uns erklärte: „Bulgarians don’t eat aples. We eat meat.“ Daher bekamen wir direkt fünf Äpfel geschenkt, außerdem noch einige der kostenlosen Getränke. Unser Nachbar gab uns auch noch mit seiner Gabel einen Klecks besonders leckerem, typischen Essen. Eine Art Kartoffelbrei mit einem interessanten, undefinierbaren Gewürz.

Wir haben unsere Teller natürlich aufgegessen und dafür noch ein paar Äpfel dazubekommen.

Mich erinnerte das ganze irgendwie ein bisschen an eine Klassenfahrt für Erwachsene. An die Regeln hielt sich keiner. Der Schiffschef in Uniform lief zwar regelmäßig herum und wies auf das Rauchverbot hin, die Raucher hielten aber meist nur ihre Zigarette unter den Tisch und nickten, oder drückten sie aus nur um sie in der nächsten Sekunde wieder anzumachen. Auch die, die zum Rauchen nach draußen gingen, kamen dort meist nicht an und versammelten sich kurz vor der Tür zum Rauchen. Mit knapp 150 besoffenen Männern in einem Raum war es außerdem so laut, dass die Lautsprecheransagen nicht mal ansatzweise verstanden werden konnte. Einmal wurde, glaube ich, auf die Maskenpflicht hingewiesen, an die sich keiner hielt. Aber essen, trinken und rauchen geht ja auch schlecht mit Masken. Corona war unseren bulgarischen Freunden trotzdem bewusst, sie erzählten uns, dass sie sich einmal in der Woche testen lassen und diskutierten mit dem Chef an Board, ob nicht mehr Tische frei gegeben werden können, damit der Abstand besser eingehalten werden kann.

Um 22 Uhr verschwanden wie auf einen Schlag fast alle ins Bett und hinterließen einen riesigen Saustall und Ruhe. Während um uns herum aufgeräumt und geputzt wurde, legten wir uns auf die langen gepolsterten Bänke und schliefen erstaunlich gut. Nach einer kurzen Nacht erblickten wir kurz vor Ankunft zum ersten Mal Griechenland. Wir fuhren in den Sonnenaufgang und bewunderten die schwarzen Berge vor dem roten Himmel.

Hallo Griechenland!

Als wir endlich von Bord waren, war es schon 8 Uhr morgens (Ortszeit), fühlte sich aber an wie mitten in der Nacht. Wir legten uns noch für ein paar Stunden aufs Ohr und fühlten uns wie nach einer durchzechten Nacht: alles stinkt nach kaltem Rauch, der Kopf tut vom Schnaps weh und wir haben viel zu wenig geschlafen. Trotzdem würde ich es nächstes Mal wieder so machen.

unsere Fähre
Morgenlicher Sonnenaufgang in Igoumenitsa - wir gehen dann mal ins Bett.


Tag 163 – Gesamttour 12.179 km


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