Small Wonders e. V.
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Guinea

Publicat: 10.11.2023

Mittwoch, 25.10.2023

Wir verließen Tambacounda sehr früh Richtung Osten. Die Gesamtstrecke war auf 450 km, allerdings aufgrund der Straßenbeschaffenheit auch auf über 8 Stunden ausgelegt. Zudem sollte nach dem ersten Drittel auch noch der Grenzübergang vom Senegal nach Guinea auf uns warten. Das war ja nach den bisherigen Erfahrungen immer für ein oder mehrere Überraschungen gut. Die erste Teilstrecke bis zur Grenze verlief sehr ruhig und wir kamen gut voran. Die Polizeikontrollen nahmen langsam wieder zu, wurden aber nicht zum Hindernis. Am späten Vormittag erreichten wir die Grenze. Die ersten Stationen auf senegalesischer Seite waren wieder zäh, aber unkompliziert. Gegen 13:30 waren wir auch fast auf der Guinea-Seite fertig. Wir warteten gerade auf die finalen Stempel der Carnet de Passages…da passierte das Unglaubliche…es war wie in Zeitlupe: zunächst der Schrei einer Frau, zu der wir uns alle umdrehten. Sie brüllte einem hochbeladenen Van hinterher, der mit einem, oben auf dem Gepäck befestigten Stuhl, ein quer gespanntes Kabel der Grenzeinrichtung mitnahm und hinter sich herzog. Dieses Kabel wiederum blieb an einem massiven Beleuchtungsmast mit Solarpanel hängen. Da der Fahrer des Vans nichts mitbekam und fleißig weiterfuhr, bemerkte er nicht, dass er den Mast in der Verankerung zum Bersten brachte und dieser … NATÜRLICH … umknickte und auf „ROOSTER“ landete. „Glücklicherweise“ hatte man uns genau diesen Parkplatz zugewiesen. Neben den Unmengen an lamentierenden Grenzposten, Polizisten, beteiligten und unbeteiligten Menschen standen 19 Deutsche, die Ihren Augen nicht trauten. Der Fahrer des Vans nahm sich freundlicherweise kurz Zeit, seine Unschuld festzustellen und sich darüber zu beschweren, dass wir unser Fahrzeug ausgerechnet in der Landezone des Lampen-Solar-Geschosses geparkt hatten. Daraufhin wurde er glücklicherweise von den örtlichen Polizeikräften eindeutig darauf hingewiesen, dass er und nur er richtig in die Schei… gegriffen hatte. Da war er dann erstmal ruhig. Nach dem ersten Schock und dem anschließenden hysterischen Gelächter unsererseits…wir konnten das nur noch mit Humor nehmen, befreiten wir „ROOSTER“, indem man mit vereinigten Kräften den Mast kurz anheben und der Wagen drunter wegfahren konnte. Unnötig zu erwähnen, dass wir uns dabei den einzig funktionierenden Dachblinker auch noch abgerissen haben.

Völlig mit der Situation überfordert und mit sichtlichem Unbehagen im Gesicht, was die deutschen Touristen jetzt für einen Aufriss veranstalten würden, kamen die Grenzpolizisten zu uns, um uns zu fragen, was wir denn nun vorhaben. Man kann sich die Erleichterung in den Gesichtern aller Beteiligten nur schwer vorstellen, als wir mitteilten, dass wir einfach weiterfahren würden und niemanden in Regress nehmen würden. „ROOSTER“ hatte zwar zwei neue Narben, aber wir hatten ehrlicherweise überhaupt keine Ambitionen uns mit irgendwem über nicht vorhandene Versicherungen der Gegenseite auseinanderzusetzen. Das war sowieso aussichtlos. Also wurden, oh Wunder, unsere Ausreiseformalitäten extrem beschleunigt und 10 Minuten später waren wir auf dem Weg nach Labé/ Guinea.

Guinea zeigte von Anfang an eine landschaftlich wunderschöne Seite. Ein tolles Land. Allerdings wurde auch schnell klar, dass hier die Armut nochmal massiver wurde. Wir kamen an unzähligen Einzelhütten, Dörfern und zurückgelassenen Häusern vorbei. Es war ein spürbarer Unterschied zum Senegal und das obwohl bzw. gerade weil Guinea die meisten Rohstoffe der Region beheimatet. Wie wir später lernen sollten, werden diese aber natürlich auch durch viele andere Nationen abgebaut und gefördert. Allen voran China. Aus dem Nichts findet man dort inmitten des dichten Urwalds eine riesige chinesische Kiesfabrik, die auf einmal vor einem auftaucht, wie das Hauptquartier des James Bond Gegenspielers. Ohne Vorwarnung, nichts links daneben, nichts rechts daneben; still und fast bedrohlich am Fuße eines Bergs platziert. In einiger Entfernung sieht man ebenso surreal, weil einmalig auf der gesamten Reise, mehrere Trassenträger aus dem Urwald ragen, die einmal eine Bahnstrecke werden sollen, um die Abbaugebiete und mit der Küste zu verbinden. Gebaut und betrieben von der gleichen Nation.

Wir hatten an diesem Tag noch einen Berg vor uns, der aufgrund der Straßenbeschaffenheit etwas anspruchsvoller werden würde. Wir entschieden einstimmig, den Berg trotz einsetzender Dämmerung anzugehen, da wir gern das Tagesziel Labé erreichen wollten.

Nach dem ersten Anstieg und unzählige Schlaglöcher später kam, was kommen musste…die Ersatzrolle im „ICEMAN“ verabschiedete sich ebenfalls unter der Belastung, die die Antriebswelle ständig ausgesetzt war. Nach kurzer Beratschlagung war klar, dass wir alle zusammen auf dem Berg übernachten werden. Wir mussten nur noch einen geeigneten Platz finden. Es war mittlerweile dunkel und als wir uns auf Höhe des havarierten Wagens mit Taschenlampen orientierten, merkten wir, dass wir am Rande er großen Lichtung standen, die sich als perfekter Zeltplatz entpuppte. Unser Unglaube ob diesen Zufalls konnte nicht größer sein, zumal wir am nächsten auf der Reststrecke über den Berg feststellen sollten, dass es keinen weitere, aber auch wirklich keinen einzigen Platz, gegeben hätte, an dem wir auch nur ansatzweise mit allen Fahrzeugen hätten übernachten können.

Der Aufbau des Lagers war mittlerweile erprobt und das merkte man an der Disziplin und Geschwindigkeit, mit der es errichtet wurde. Wolfgang und Uta hatten ebenso schnell wieder die Station für das Abendessen errichtet und kochendes Wasser für alle vorbereitet. Und obwohl wir alle nass und erschöpft waren, machten wir das beste aus der Situation und beendeten den Abend gemütlich mit einer Tüte Trek’n’Eat und einem Bier…mitten im Nirgendwo auf einem Berg in Guinea.

Donnerstag, 26.10.2023

Es ging früh los. Wir hatten vereinbart, dass die Abschlepper inkl. Absicherung vorausfahren, damit sie so früh wie möglich in Labé ankommen und alle anderen das Lager abbauen. Zwar hatte uns die Nachhut nach kurzer Zeit eingeholt, aber dennoch kamen wir gut über den Berg und fanden sogar noch Zeit, für eine kleine Pause an einer sehr schönen Uferstelle des den Berg umkreisenden Flusses innezuhalten.

Mit dem Bewusstsein einen Tag zu verlieren, begab sich ein Teil der Fahrzeuge direkt in die Stadt, um im Hotel Tata nachzufragen, ob es noch Verfügbarkeiten gab. Das sollte sich als Glücksfall herausstellen. Denn das Hotel war zum einen traumhaft schön, wenn auch einfach und zum anderen war die Betreiberin ein Engel. Sie versorgte alle zu jeder Zeit mit frisch gekochtem, sehr leckerem Essen und lass uns jeden Wunsch von den Augen ab. Wir waren alle schockverliebt.

Bevor die Abschleppcrew jedoch dort eintraf, musste wir uns ja um „ICEMAN“ kümmern. Wir fanden mit der Hilfe unseres Guides Karl einen Schweißer, den wir mit zu einer ortsansässigen Werkstatt nahmen. Dort wurde das kaputte Teil ausgebaut und er hat uns zwei „neue“ Ersatzteile geschweißt. Diesmal mit doppelt so vielen Scheißpunkten. Ein Teil wurde direkt eingebaut, das andere packten wir für etwaige Zwischenfälle ein.

Im Hotel Tata konnten wir dann den restlichen Tag unsere Wunden lecken, duschen und die Fahrzeuge aufräumen und warten. Im Falle von „ROOSTER“ bedeutete das, mal ordentlich alle Einschläge des Mastes mit Duck Tape zu verschließen.

Auf einem abendlichen Ausflug zu einem Geldautomaten konnte ich dann noch Labé etwas kennenlernen. Was am Tag und von außen betrachtet doch eher ruhig und unauffällig aussah, entpuppte sich mit einsetzender Dämmerung als pulsierende Klein-Metropole, mit unzähligen Straßenständen, die erst abends aufgebaut wurden und mit unglaublich vielen geschäftigen Menschen. Wir hatten richtig Probleme mit dem Wagen durch die Straßen zu kommen, aber es war immer freundlich und wir wurden sehr nett behandelt.

Am Abend gab es noch ofenfrische Pizza nach Wahl und einen hervorragenden Wein für alle.

Freitag, 27.10.2023

Faranah, weiter westlich Richtung Grenze war unser Tagesziel. Und um es vorwegzunehmen…an diesem Tag gab es keine Zwischenfälle. Wir hatten tolles Wetter und fuhren die knapp 340 km auf qualitativ sehr unterschiedliche Straßen. Wir konnten an diesem Tag die tolle Landschaft sehr genießen und erreichten am Abend mit Einbruch der Dunkelheit einen in einer App von Flo empfohlenen „Zeltplatz“. Dort trafen wir auf ein überraschtes Paar, die in Gegenrichtung unterwegs waren und dort ebenfalls ihr Nachtlager aufgeschlagen hatten. Ein überaus nettes Paar aus Kanada, welches uns schon mal auf die Tour am nächsten Tag einstimmte. So waren sie auf der vor uns liegenden Tour über vom Regen aufgeweichte Pisten gekommen, in den seit mehreren Tagen ein LKW feststecken sollte. Da es keine Alternativen gab, bereitetet wir uns seelisch auf einige Herausforderungen vor … und die sollten dann auch kommen.

Samstag 28.10.2023

Wir hatten 440 km vor uns und wir wussten, dass diese nicht ganz einfach werden würden. Schon Google Maps rief für die Strecke über 8 Stunden auf. Das war aus der Erfahrung schon mal ein sicheres Indiz. Unser Tagesziel sollte Nzérékoré sein. Wir wollten uns dort entweder einen geeigneten Zeltplatz suchen oder ein Hotel. Es waren zumindest ein paar Hotels im Internet auffindbar, wenn auch nicht online buchbar. Also Wundertüte.

Der erste Teil der Strecke war in Ordnung. Dann wurde es etwas holprig und dann kamen wir zu dem Bereich, den uns schon die Kanadier „angedroht“ hatten. Und sie hatten nicht übertrieben.

Vor uns lag ein LKW umgekippt so ungünstig im Schlamm, dass er bis auf einen schmalen Streifen, der über einen kleinen Bachlauf führte, keine Passiermöglichkeit bot. Die ersten Fahrzeuge von uns waren schon vorbei und hatten dabei die Erfahrung gemacht, dass es sehr, sehr eng wurde. Nun sollte noch das größte Fahrzeug, unser „ICEMAN“, da durch. Sergej und ich hatten schon ein etwas mulmiges Gefühl, da es auf der Beifahrerseite tatsächlich sehr knapp wurde und man leicht mit der Hinterachse abrutschen und im Flussbett hätte landen können. Das war dann auch der Grund, warum wir am Ende, nachdem wir fast durch waren, mit dem Heckfenster das in der Luft hängende Rad des LKWs erwischten, da wir etwas zu schnell einlenkten, um den Bereich hinter uns zu lassen. Long story short: das Heckfenster bestand hielt dem Druck nicht stand und wurde fachmännisch durch einen Boxendeckel und viel Duck Tape ersetzt.

Nach einer kurzen Atempause setzten wir unseren Weg fort und trafen auf einen zweiten LKW. Vielmehr zwei LKWs, die wieder fast komplett die Durchfahrt verhinderten; jedenfalls für größere Fahrzeuge. Dabei hing der LKW, an dem sich hätte vorbeidrücken müssen, so schräge in der Luft und wurde nur durch ein paar Baumstämme gehalten, dass sich hier erstmal alle einig waren … no way.

Glücklicherweise bekamen wir dann einen Tipp, dass es ein paar hundert Meter vorher einen Feldweg bis zum nächsten Dorf geben sollte, der diese Stelle umgehen sollte. Auf einem Erkundungstrip stellte dann die Landcruiser-Crew zwar die Befahrbarkeit fest, aber stellte auch klar, dass es zwei Anstiege auf dem Weg in sich haben. So entschieden wir, um alle Risiken zu vermeiden, auch noch das letzte Bergematerial zum Einsatz zu bringen und die beiden Transits über die beiden Anhöhen zu ziehen. Nach perfekter Vorbereitung durch Flo und Wolfgang, gelang das dann auch problemlos (mit 2,5 Stunden Verlust) und wir konnten unsere Fahrt fortsetzen.

Ohne weiteren Schwierigkeiten erreichten wir Nzérékoré. Da es allerdings nun schon recht spät und damit dunkel war, erübrigte sich die Suche nach einer Zeltgelegenheit. Die durchforsteten die Stadt und nach einer Stunde konnte wir unser Glück kaum fassen, als wir für alle Zimmer in einer katholischen Unterkunft fanden. Die Betreiberin war von Anfang an sehr nett und hilfsbereit und stellte nur zu Beginn direkt klar, dass hier alle Einzelzimmer bekommen werden, außer die verheirateten Paare. Das war sowas von in Ordnung für uns. Und um der Gastfreundlichkeit noch ein I-Tüpfelchen aufzusetzen, wurde dann für uns um Mitternacht noch frisch gekocht: Fish and Chips. Dazu ein eiskaltes Bier. Genial. Um 1:30 fielen alle in den sehr guten Zimmern in die Betten. 

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