Objavljeno: 02.10.2018
‚Geschwister sind nie alleine, sie tragen immer den anderen im Herzen.‘
In der Geburtshilfe ist jeder Tag anders und mal hat man 5 Geburten parallel zu betreuen und an anderen Tagen keine einzige.
Heute fanden wir ebenfalls einen leeren Kreißsaal vor, allerdings befand sich eine Frau schon im OP, ich stoße dazu. Sie erhielt den Kaiserschnitt auf Grund eines Geburtsstillstandes. Es war ihr erstes Kind und sie war 4h bei 5cm und weitere 4h bei 6cm vom Muttermund. Die Fruchtblase war intakt.
Ich bin absolut der Meinung, dass die Fruchtblase einen Schutz für das ungeborene Kind darstellt und so lange wie möglich erhalten bleiben sollte. Allerdings kann es auch in seltenen Fällen ein kleines Hindernis darstellen und tatsächlich die Geburt verzögern.
Ich übernahm die Frau und sie war bereits in Narkose, ihre Papiere erhielt ich auch erst in diesem Moment. Es war zu spät. Es wurde aber aus meinen Augen diesmal unnötig oder voreilig ein Kaiserschnitt durchgeführt.
Ich versuchte danach mit dem Arzt darüber zu sprechen, ich hatte das Gefühl er stellte mich dar, als wüsste ich nicht, was ich will, weil ich diesmal unglücklich über den Kaiserschnitt war und an anderen Tagen zu einem drängte.
Doch es ist schade, wenn Situationen einfach ständig falsch eingeschätzt werden und das alles auf Grund von fehlendem Wissen.
Es wird nicht erkannt, was ein Notfall ist und in welchen Phasen einer Geburt es manchmal auch mehr Zeit in Anspruch nehmen darf, wenn dabei Mutter & Kind gesund bleiben.
Der Junge kam auf die Welt, schrie kräftig und der Mutter ging es wenig später auch wieder besser. Dennoch war es eine große OP, die dazu führt, dass diese Frau in Tansania ihre nächstes/(n) Kind(er) wieder per OP entbinden wird..
Wenig später folgte ein geplanter Kaiserschnitt bei Zwillingen. Beide lagen in Beckenendlage (der Po ist der vorangehende Teil dabei). Sie hatte 5 Vorsorgeuntersuchungen und erhielt sogar zwei Ultraschalluntersuchungen in der Schwangerschaft. Fragt mal Frauen in Deutschland mit einer Zwillingsschwangerschaft, wieviele Untersuchungen man bei Ihnen durchführt. Es ist Segen und Fluch zugleich, finde ich immer.
Wir können sehr froh sein, viel vorzeitig erkennen zu können und Pathologien auch teilweise zu behandeln. Dennoch wäre manchmal ein bisschen mehr Vertrauen in die Stärke des Körpers einer Frau und der Natur auch von Vorteil und Wertvoll.
Bei dieser Frau eine Sectio durchzuführen ist eine völlig vernünftige Entscheidung, welche in Deutschland ebenfalls empfohlen worden wäre.
Es war trotzdem ein seltsames Gefühl.
Laut ihrem notierten Entbindungstermin befand sich die Frau nur drei Tage vor diesem Termin. Doch in den meisten Fällen ist der dokumentierte Termin sehr ungenau. Man war also gespannt, ob die Zwillinge tatsächlich reif und fit werden würden.
Ebenfalls fand ich in den Unterlagen seit der Aufnahme von gestern keine dokumentieren Herztöne. Also hoffte man nur, dass es beiden gut geht im Bauch.
Und dann ging ich gedanklich durch, was ich jetzt in Deutschland beachten würde und meine Handlungen wären. Es ist hier einfach alles komplett anders.
Ein Mann, der seine Frau in den OP begleiten darf?
Hier strengstens verboten im kompletten Kreißsaal. Die Frauen kommen immer alleine und dürfen keine Begleitperson mitbringen.
Vorbereitung von zwei Wärmebetten und Info an die Kinderärzte?
Wir haben nur ein Wärmebett, also wurde es kuschelig, beide gleichzeitig darauf zu versorgen und Kinderärzte gibt es ja sowieso nicht.
Also standen Johanna und ich bereit, die Frau erhielt Vollnarkose, weil die Anästhesistin keine Spinalanästhesie kann, und der Arzt begann zu operieren. Ein Op- Pfleger steht dabei mit am Tisch und assistiert. Mehr Personen sind nicht anwesend.
Die Entwicklung der Kinder war nicht schön anzusehen. Es gibt spezielle Handgriffe, um Kinder aus Beckenendlage zu entbinden. Dieser Arzt schien sie eindeutig nicht zu beherrschen.
Das erste Kind kam: ein zarter Junge, nach Stimulation schrie er, kam an in der Welt. Alles gut.
Zwei Minuten später: ein Mädchen, sie hatte größere Probleme, doch nach wenigen Minuten Stimulation, Absaugen und etwas Sauerstoffgabe kam auch sie an.
Es war so ein toller Moment.
Zwillingsgeburten sind in Deutschland zunehmend steigend. Eine Ursache sind unter anderem die Möglichkeiten einer künstlichen Befruchtung.
Solche medizinischen Wunder sind hier nicht möglich und daher die Anzahl an Zwillingen auch deutlich geringer. Umso mehr genoss ich den Anblick der zwei neuen Leben.
Einen Moment hatte ich noch, der mich wieder zum nachdenken brachte.
Ich legte später die Zwillinge an die Brust der Frau zum stillen und eine Schwester beobachtete mich dabei.
Ich habe stets ein Händedesinfektionsmittel in der ‚Kitteltasche‘ und benutzte dieses kurz bevor ich Mutter und Kind berührte.
Die Schwester wollte mich daraufhin bremsen diese zu berühren und es folgte eine Diskussion zu meiner Handlung.
Sie war der Meinung, dass mich das Mittel zwar schützt, aber für das Kind giftig und gefährlich ist. Es riecht ja auch schon chemisch.
Ich war sprachlos und versuchte ihr zu erklären, dass ich dadurch ja keine Keime auf das Kind übertrage und es dadurch schütze, sie glaubte mir nicht.
Händedesinfektion ist hier tatsächlich noch nicht als Standard angekommen und das ist für mich wirklich schwer zu begreifen.
In der Klinik gibt es Mittel und Anleitungen, doch es scheitert an der Durchführung..
Es gibt immer wieder Momente, wo ich sprachlos bin und mir nicht vorstellen kann, dass es wirklich so krasse Wissenslücken gibt.
‚Es ist keine Schande nichts zu wissen. Wohl aber, nicht lernen zu wollen.‘