Im Kojteich
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Kyoto - Shoplicious

Veröffentlicht: 09.04.2023

Shopping 🛍

Es ist wieder Shoppingtime. Ich habe immer noch eine Mission; mich für die restliche Zeit mit Gadgets auszustatten. Also ziehe ich los,  meine erste Station ist ein Elektrofachgeschäft namens "EDI ON". Auf den Ohren läuft "DMX - X Gon' give it to ya", ein Power Song, ich strotz vor Energie. Und hey, X did give it to me. Eine Powerbank mit integriertem Stromanschluss. Diesmal eine vernünftige, von Anker, die schnell lädt. Ich hätte von vornherein zu Anker greifen sollen. Auch das gehört zu den Dingen, von dem ich in den nächsten zwei Monaten sehr wahrscheinlich mit am meisten profitieren werde. Läuft doch.

Ich gehe zur Kasse und stelle fest: "Bezahlen sie irgendwie komisch." Ich halte ihm meine Karte hin, damit er sie ins Gerät einsteckt. Ich kann die Schriftzeichen auf dem Display natürlich nicht lesen, aber das Gerät piept und ich nehme irgendwann an, dass die Bezahlung durch ist. Er deutet auf das Gerät, ich weiß nichts mit seiner Deutung anzufangen. Irgendwann checke ich, dass ich die Karte rausnehmen soll. Komischerweise packt er die Karte nach dem Bezahlvorgang partout nicht an. Mission #1 - completed! 🥳

Mission #2, Karabinerhaken. Mit Hilfe von Google Live View finde ich den Outdoor-Laden im Untergrund schnell. Rein, gefunden was ich lange suche, läuft. Mission #2 - completed! 🥳

Ich komme raus aus dem Laden, auf meinen Ohren läuft gerade "Billy Idol - Mony Mony" aus, wechselt sich ab mit "Elton John - Don't Go Breaking My Heart". 🎶 "Woo hoo, nobody knows it!" 🎶. Nun ja, nicht ganz; die gute Laune ist mir ins Gesicht geschrieben. Die gerade aufziehende Sonne tut ihr übriges. Es ist Zeit Buddha's Geburtstag zu feiern. Habe ich da gerade "Tempel" gehört? 😅


Buddha's Geburtstag 🎈

Ich ziehe los, genieße das Wetter, schweife durch die Anlage. Ich komme zufällig am Haupttempel vorbei. Aber ich weiß schon längt, dass das Universum nicht würfelt, es gibt keine Zufälle. Denn ich bin wegen Buddha's Geburtstag hier. Ich wusste aber nicht, dass in genau 10 Minuten eine offene Messe stattfinden wird. Davon wusste ich aber nichts, bis ich selbst in den Haupttempel gegangen bin. Stutzig hatten mich die unzähligen Menschen in ihren Anzügen gemacht, alle in Schlange stehend. Junge Frauen und Männer, alle adrett gekleidet. Es gibt einen zweiten Eingang, der nur von wenigen, unadretten Menschen benutzt wird. Ich schauen an mir runter, erkläre mich für unadrett genug. Ich ziehe die Schuhe aus, stelle sie neben dem Eingang. Nur die wenigsten Leute hier stellen ihre Schuhe neben die Treppe, die meisten nutzen die bereitgestellten Plastiktüten um ihre Schuhe mit reinzunehmen. "Wofür?", denke ich mir. Das hier ist Japan. Es gibt Länder, da musst du deine Schuhe zurückkaufen, wenn du wieder rauskommst. Aber nicht hier. 

Ich begebe mich hinein, die Anlage ist groß, schön aber nicht übertrieben prunkvoll. Ich sehe Pinguine, hunderte. Alle sitzen sie und warten darauf, dass es losgeht. Die Herde ist eingezäunt, hat ihren eigenen Bereich. Ich setze mich in den Touristen-Bereich an die Wand, mache es mir im Schneidersitz bequem. Ich schaue mich um, überwiegend Japaner. Keine zwei Meter links von mir sitzt ein anderer Ausländer, bärtig, um die 30, an seinem Handy. Ich schüttele nicht nur innerlich den Kopf, er hat hier drinnen nichts besseres zu tun als die ganze Zeit durch Instagram zu scrollen. 🤦‍♂️

Ich lausche dem stehenden Redner, er gibt auf japanisch Anweisungen, er erklärt scheinbar den Sing-Sang-Teil. Während ich so da sitze und auf den Beginn warte, ertönt plötzlich ein rhythmisches, langsames Trommeln. Es durchfährt mich, was auch immer es ist, und dabei habe ich es gar nicht drauf angelegt, war überhaupt nicht drauf vorbereitet. Es ist beeindruckend schön und einlullend. Es ist absolut nicht pompös, es wird genau eine Trommel und eine Klangschale genutzt. Aber in diesen Räumen ist das mehr als ausreichend.

Nach einer Weile verlasse ich den Tempel wieder, der Shinto-Priester hat den Sing-Sang-Teil durch eine lange Rede abgelöst. Ich gehe in den gegenüberliegenden Shop und finde drei Postkarten die es endlich wert sind gekauft zu werden. Währenddessen sehe ich über dem Counter, dass die Veranstaltung, in welcher ich eben noch saß, auch im Fernsehen übertragen wird.

Ich gehe raus dabei fällt mir mal wieder auf die clever auch hier die automatischen Schiebetüren konstruiert sind. Bei uns ist es so, dass sie ständig öffnen und schließen, selbst wenn du nur an einem Laden vorbeigehst.
Hier musst du entweder auf einen halben Meter heran musst, damit die Schiebetür aufgeht. Du kannst auch den auf der Tür angebrachten Taster betätigen, damit sie bei Bedarf aufgeht. Super simpel, super effektiv.

Ich schlendere weiter über die Anlage. Es weht ein kalter Wind, der Regen hat sich verzogen und ich genieße die wärmenden Sonnenstrahlen, wenn sich Wolkenlücken auftun. Die unzähligen Pärchen in ihren Kimonos sind schon schön anzusehen. Das gilt aber nur für die Einheimischen. Westler und Kimonos, irgendwie... Neee. 🙈 

Weiter geht's 🚶‍♂️

Nach einem Spaziergang über den "Handcrafted Market" gönne ich mir eine Verschnaufpause im Hotel. Danach begebe ich mich weiter auf meine Missionen.

#3 lautet: Eine Geldbörse zu finden, die auch vernünftig mit den Pendlerkarten und den Tonnen Kleingeld funktioniert.

#4 lautet: Einen Duft zu finden, damit ich egal in welcher Unterkunft immer das Gefühl von einer Homebase bei mir habe. Jede erste bis dritte Nacht die Bleibe zu wechseln ist auf Dauer auch anstrengend.


The Ramen War 🍜

Ich plane am Fluss langzugehen, einenne weiteren Schrein zu besuchen und auf dem Weg zu shoppen. Ich komme keine 100 m weit, Planänderung. Auf einem Schild über mir lese ich "The Ramen War". Catchy, I like it. Ich wollte heute sowieso Ramem essen, passt also perfekt. Die Karte ist übersichtlich klein, vier Varianten. Ein gutes Zeichen. Ich entscheide mich für "Pisutoru", die japanische Aussprache von Pistol. Nach einer kurzen Google Übersetzer Einlage ist die Bestellung aufgenommen. Ich bin immer noch erstaunt, dass ein Land so weit kommen konnte, indem die wenigstens einen Satz Englisch können, trotz amerikanischer Besatzung. Es ist nun Mal kein Pflichtfach in der Schule.

Ich muss zwischendurch immer wieder lächeln. Ich weiß nicht, was der Auslöser ist, aber alle paar Minuten lang ruft einer der Mitarbeiter "Arigato gozaimasu!", und die komplette 6-köpfige Belegschaft ruft lautstark zurück. Auch andere Aussprüche habe ich zwischendurch gehört, manche könnten so etwas wie "Guten Hunger!" sein.

Als meine Suppe gebracht wird, fragt die Bedienung mich, ob ich diese riesige Serviette in ihrer Hand haben wolle. Ich habe hier am Platz Servietten, aber warum nicht. Ich entfalte sie und stelle fest: es hat zwei lange Bänder. Ein Blick nach rechts, ich sehe Knoten um die Hälse der zwei jungen Frauen. Es macht *klick*. Genial. Ein Sabberlatz! Das selbe denke ich mir ein zweites Mal, als ich nach dem vorzüglichen Essen an mir runter schaue.

Ich bezahle die umgerechnet 6,28€ in bar. Für Japan in der Innenstadt sehr annehmbar. Ich verabschiede mich mit einer leichten Verbeugung und dem hier üblichem Danke, "Arigato gozaimasu!", bekomme das gleiche zurück. Dann ein lautes "Arigato gozaimasu!" hinterher, die ganze Belegschaft verabschiedet auch mich unter ehrenvollem Dank.


Heiter weiter 🚶‍♂️

Ich mache mich auf den Weg Richtung Fluss. Ich habe Durst und ich könnte auch etwas Süßes vertragen. Ich mache mir es gar nicht die Mühe bei Google Maps nach einem Lawson, 7-Eleven oder Familimart zu suchen, ich werde spätestens nach drei Minuten so oder so automatisch über einen dieser omnipräsenten Minimarts stolpern. Es dauert gerade Mal eine Minute.

Ich gehe den Fluss entlang, es hat etwas Meditatives einfach die ganze Zeit geradeaus zu gehen und den Fluss zu lauschen so wie die Umgebung zu erkunden. Unter der Brücke sitzen zwei junge Mädchen, eine spielt ihre Gitarre, beide singen fröhlich und lauthals. Alle 100 Meter sehe ich süße junge Pärchen miteinander kuscheln. Schon irgendwie süß. Die Hälfte davon trägt Maske. Schon irgendwie creepy.

Nach einer Weite am Fluss gehe ich wieder auf die Straße, in den nächsten 7-Eleven. Ich nehme eine Dose von irgendwas leicht Alkoholischem mit. Es hat wohl 3% Alkohol und eine Frucht auf der Dose abgebildet ist, mehr muss ich nicht wissen. Im schlimmsten Fall habe ich 'nen Ort versenkt, im besten Fall das Getränk meines Lebens gefunden. Vor der Kasse zahle ich mit meiner Suica-Card, mit der ich sonst an den Ticket Gates in den Bahnhöfen bezahle. Diese Karte wird auch an vielen anderen Orten als Zahlungsmittel akzeptiert. Auf dem Kassenbon kann ich einsehen, wie viel Guthaben ich noch auf der Karte habe. Genial!

Kaum habe ich den Laden verlassen, öffne ich mit einem erfrischendem Zischen die Dose, stoße auf den Tag an. Kampai! Auf meinen Kopfhörern startet "Aaron Smith - Dancin' (KRONO Remix). 🎶 "Dancing is what to do, dancing's when I think of you." 🎶 Ich sippe, es schmeckt nach Mirabelle. 😮 Ich gehe singend und beschwingt weiter. Eine weitere gute Entscheidung auf meiner nicht enden-wollenden Liste.

Genau auf dem letzten Beat von "Dancin'" komme ich vor der kleinen Tempelanlage zum Stehen. Um diese Zeit ist sie komplett verlassen und unbeleuchtet. Ich erde mich, verbeuge mich unterm ersten Torii und betrete die Shinto-Welt. Beim Schrein angekommen spule ich im Dunkeln.

Ich komme in den Fluss. Ich hatte die vergangenen Tage immer meine üblichen Kandidaten, denne ich Gesundheit und Genesung, oder einfach nur das Beste gewünscht habe. Nun kommen mir Namen in den Kopf, an die ich seit über 10 Jahren nicht mehr geacht habe. Ich wehre mich nicht dagegen, lasse es irritiert geschehen, gehe in den Fluss des Moments. Nach einer Weile beende ich den energetischen Rasensprenger und verlasse mit einer letzten Verbeugung die Anlage.

Kein 100m gegangen komme auch schon an dem nächsten Point of Interest vorbei. Eine Studio Ghibli Figur mit drei Regenschirmen um das rechte Ohr. Das ist ja auch so ein Ding, was in Deutschland nicht funktionieren würde. Jeder kann an bestimmten Orten seinen Regenschirm abgeben, wenn er diesen nicht braucht. Wenn jemand anders ihn irgendwann braucht, kann sich dieser einen Regenschirm mitnehmen. Und gibt ihn später irgendwo anders ab. The circle of umbrella. Gegenseitiger Respekt und Vertrauen. Vor allem beeindruckend in einem System, welches nach Einwohner pro km² fünf mal anonymer sein sollte als Düsseldorf, wenn man es denn so in Zahlen fassen kann.

Ich mache mir die Welt, wie sie mir gefällt

Auf dem Rückweg schaue ich noch bei einem Minimart vorbei und hole mir eine Flasche Wasser ab. Beim Raustreten biege ich falsch ab und stelle das erst ein paar Minuten später fest. Ich könnte mich über mich selbst ärgern, mache in Gedanken halt, packe meine Korrekturschere und meine Realitätskleber aus und definiere meine Situation neu.

"Nein, ich bin nicht falsch abgebogen, sondern ich erkunde noch mehr von der Welt um mich herum."

Ich nehme eine Seitenstraße zum Hotel und sehe auch hier wieder ein halbes Dutzend neue Sachen, die Erwähnung finden könnten.

Im weiteren Verlauf des Abends müssen zwei weitere meiner neuen Freunden sterben. 🍪🍪 Ich werde sie in meinem Magen beerdigen. Ein schlechter Tag für die beiden, ein spitzen Tag für mich.

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