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Die längste Busfahrt meines Lebens und andere Dinge

Veröffentlicht: 02.03.2020

Montag, 17.02.2020

Nach dem inkludierten Frühstück gehe ich mir Valdivia ansehen. Es wirkt recht belebt, bunt und jung - eigentlich ganz angenehm und witzig. Da ich aber gerne Anschluss hätte, fahre ich noch heute weiter nach Puerto Montt, zum nächsten Couchsurfing Host. Davor verfalle ich kurz dem Konsumwahn und kaufe mir im Musikgeschäft eine Ukulele. Ich glaube, das ist eine gute Investition für meine Reise, denn ich habe total Lust darauf, ein bisschen Musik zu machen. Außerdem kaufe ich einiges an Gemüse, Obst und Nüssen ein. Ich gebe mein Geld viel lieber für leckeres, gesundes Essen aus als für die Unterbringung in einem Hostel. Da koche ich dann auch gerne für meine Hosts in ganz normalen Küchen.

Als ich abends in Puerto Montt ankomme, ist Carlos bereits da um mich abzuholen. Immer dieser Service! Er ist Journalist und Elektriker und lebte bis vorgestern in Santiago. Erst gestern hat er in Puerto Montt seine Wohnung bezogen und lädt direkt Couchsurfer zu sich ein. Que bacán! Allerdings merkt man es der Wohnung auch an, dass er gerade erst eingezogen ist. Oben sind zwei winzige Zimmer mit je einer Matratze am Boden, unten ein Tisch, zwei Stühle, ein Herd und eine Spüle. Er hat gerade noch einen Topf, eine Pfanne und ein bisschen Geschirr gekauft. Es gibt noch keinen Kühlschrank, keinen Schwamm oder Geschirrspülmittel, keine Lampe im Bad… es ist ein bisschen wie Camping. Aber wir arrangieren uns, kochen was feines und dann spielt er zum ersten Mal in seinem Leben Ukulele. Es klingt allerdings, als hätte er es schon immer gemacht, denn er ist ein Naturtalent an der Gitarre. Wir trinken noch ein Gläschen Wein aus dem Tetrapak und versuchen, den Ofen einzuschüren, da es hier ziemlich kalt ist. Leider klappt das nur mäßig - das Holz weigert sich, zu brennen. Da hilft nur ab auf die Matratze und unter die dicke Decke kuscheln.

Dienstag, 18.02.2020

Praktischerweise hat Carlos heute frei, also fahren wir in den nahen Nationalpark Alerce Andino. Das Wetter ist kühl und bewölkt, und in den Wäldern des Nationalparks ist es noch ein bisschen feuchter und kälter. Die Luft riecht aber toll und alles ist sehr grün - Wald eben. Ab und zu nieselt es auch ein wenig, aber wir sind zum Glück nicht aus Zucker. Am Tagesziel, einem kleinen See, machen wir schöne moody Fotos mit toller Nebelstimmung und auf dem Rückweg sehen wir noch eine riesige, alte patagonische Zypresse (namensgebend für den Nationalpark) und trampen uns danach Stück für Stück müde zurück nach Puerto Montt. Dort gibt's erstmal eine Siesta. Auch abends passiert nicht mehr viel, wir kochen, essen, trinken ein Glas Wein und spielen Ukulele. Er hat den ganzen Tag oft Spanisch mit mir gesprochen und manchmal hab ich das auch. Mein Perfektionismus steht mir allerdings ziemlich im Weg.

Mittwoch, 19.02.2020

Heute breche ich auf zur längsten Busfahrt meines bisherigen Lebens. Über 2.000km geht es von Puerto Montt nach Süden, bis Punta Arenas. Knapp 30 Stunden soll das ganze dauern. Der Bus ist relativ komfortabel, am Vormittag geht es los. Es passiert nicht viel, ich höre Musik, schaue aus dem Fenster oder lese ein bisschen. Zweimal halten wir für die Einreise nach Argentinien, dann ist leider mein Internet weg. Abends gibt es einen Stop in einem Restaurant, es gibt mal wieder Pommes.

Schlafen kann ich eigentlich recht gut, die Sitze lassen sich fast 45° zurücklehnen, es ist dunkel und leise im Bus. Außerdem kann ich quasi überall und immer schlafen.

Donnerstag, 20.02.2020

Am Morgen reisen wir wieder zurück nach Chile ein. Leider darf ich meine chilenische Zitrone und Zucchini nicht behalten am Zoll, aber immerhin gibt's keine Strafe für falsche Angaben. Ja, ich habe auf dem Zollzettel gelogen, weil das nun tatsächlich Quatsch ist in meinen Augen. Zum Frühstück und Mittagessen habe ich mir an der Tankstelle eine Packung mit 6 kleinen Croissants und anderen Backwaren gekauft. Super gesund.

Die Fahrt dauert natürlich länger als gedacht, und so komme ich nach 31,5 Stunden Busfahrt abends endlich in Punta Arenas an. Das Hostel ist mit 20 Minuten Fußweg in Laufweite, und es tut gut, meine Beine mal wieder zu benutzen. Es ist super schnuckelig und hat nur zwei Mehrbettzimmer, also sehr klein und ruhig. Im Wohnzimmer läuft eine auf Gas umgerüstete Küchenhexe und sorgt für Wärme und tolle Stimmung. Ich gebe einen riesen Haufen Wäsche ab und habe kaum noch was zum anziehen übrig.

Eigentlich wollte ich heute und morgen nichts mehr unternehmen, aber zu einer Pizza kann ich nicht Nein sagen, und so treffe ich mich abends noch mit dem Couchsurfer Andrés zum Essen und auf ein Glas Rotwein. Danach geht es schön müde ins Bett.

Freitag, 21.02.2020

Nach dem Frühstück setze ich mich brav eine Stunde auf den Hosenboden zum Spanisch lernen, da mein bisheriger Fortschritt mich sehr frustriert. Danach mache ich eine Runde Yoga und übe meinen Kopfstand. Mittags gehe ich mit ein paar Leuten aus dem Hostel essen, dann wird die Wäsche zusammengelegt. Ich habe fast all meine Klamotten hier nochmal gewaschen, bevor es einen Monat lang zum Camping geht. Am Nachmittag gehe ich zum Großeinkauf in den Ort und besorge schon mal alle Grundlagen für die ersten Tage im Campervan - und ein Willkommensbier für Ben natürlich. Und weil der Tag schon so gut läuft gehe ich auch noch eine längere Runde joggen und übertreffe mein selbst gesetztes Ziel. So kann das gerne öfter laufen.

Da das Gas im Hostel seit heute morgen leer ist, kann niemand abends kochen. Ich mache Hummus und einen Paprika-Avocado Salat und teile mit einer älteren Chinesin, die weder Englisch noch Spanisch spricht. Wir kommunizieren eine Weile über Übersetzungs-Apps, bevor ich mich mit einem Buch auf den tolino auf die Couch kuschel. Es ist schön, einen Tag lang mal keine Pläne zu haben und einfach, nur für mich selbst, nach Lust und Laune, in den Tag reinzuleben.

Samstag, 22.02.2020

Heute endet der Alleingang schon wieder, denn Ben landet mit dem Flugzeug abends in Punta Arenas. Davor gibt es aber noch einiges zu erledigen. Nach dem Frühstück mache ich mich auf zur Campervan-Vermietung am Ortsrand. Alle anderen Mieter vor Ort sind ebenfalls Deutsche. Die Vermietung läuft relativ zügig und professionell über die Bühne, dann steige ich zum ersten Mal seit gut drei Monaten wieder hinter's Steuer. Die ersten paar Meter sind total ungewohnt und ich fühle mich wie ein Fahranfänger, aber man kommt schnell wieder rein. Die Verkehrsregeln sind amerikanisch, viele Stopschilder und kein rechts vor links (soweit ich das beurteilen kann). Die anderen Hostelbewohner bewundern unser neues Zuhause ausgiebig und sind allesamt recht neidisch. Ich bin bisher auch ziemlich zufrieden mit dem sehr kleinen Haus auf Rädern, aber die Tauglichkeit wird sich in der Praxis noch beweisen müssen.

Zurück im Hostel gibt es die ersehnte warme Dusche, da das Gas endlich aufgefüllt wurde. Und im Anschluss hüpfen meine Hostelfreunde hinten auf den Bretterverschlag des Campervans, welcher Bett und Sitzecke sein kann, aber keine Gurte hat. Wir fahren ins riesige Gewerbegebiet und shoppen ein wenig. Ich besorge noch eine Thermoskanne und ein paar Tupperdosen für das Auto, das kann nie schaden beim Draußenleben.

Mit ein bisschen Verspätung fahre ich danach zum Flughafen und sammle den Beni endlich ein. Er ist etwas geschlaucht vom langen Flug. Wir suchen erst in Google, dann in der App iOverlander, nach einem Stell- oder Campingplatz, was sich als gar nicht so leicht herausstellt. An einem Minimart mit Parkplatz könnten wir zwar gratis stehen und Ben bekommt hier eine heiße Dusche gegen kleines Geld, aber zwischen den LKWs fühlen wir uns nicht wohl. Also fahren wir weiter, ein ganzes Stück Schotterpiste, der ausgeschriebene Campingplatz ist aber keiner. Am Ende finden wir doch noch ein schönes Fleckchen in einem kleinen Park zwischen Straße und Meer, wo wir uns in den Schutz von ein paar Bäumen stellen. Es regnet leicht und der Wind peitscht uns ziemlich aggressiv um die Ohren, außerdem sind wir beide ziemlich müde. Nach einer schnellen Nudelsuppe geht es endlich dick eingepackt ins Bett - es ist kalt. 

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