Jambo Kenya
Jambo Kenya
vakantio.de/day-x

Die Reise ruht nicht

Veröffentlicht: 23.02.2023

Tag 24


Ich wache auf. Es vibriert auf dem Dach über mir. Ist das Regen? Leichter Wind zieht an meinem Zimmer vorbei, der durch die Mosquitofenster, bestehend nur aus einer kleinen Öffnung und dünnen Drahtgittern davor, merkbar zu hören ist. Das Vibrieren und die Einschläge auf dem Blechdach werden stärker. Das ist Regen. Und was für welcher. Der Wind nimmt nun mit seinen peitschenden und donnernden Klängen monsunähnliche Zustände ein. Zumindest klingt es so. Wie der Weltuntergang. Eine Stunde geht das etwa so, dann wird der Wind wieder schwächer und es rieselt nur noch gemütlich auf die Erde hinab. Ich schlafe wieder ein.

Als ich heute morgen aufstand und die gewohnte Ruhe wieder eingekehrt war, fragte ich mich kurz, ob das mit dem Regen nur ein Traum gewesen war. Das letzte Mal richtig geregnet hatte es in Kisumu wohl an Weihnachten. Doch ich war mir schnell sicher, dass sich der in meinen Ohren und meiner Vorstellung wie Sintflut anhörende nächtlich Regen real war und so erwartete ich, als ich die Tür öffnete, riesige Pfützen und komplette Nässe. Doch es war alles trocken. Kein Anzeichen von Regen, kein einziger Tropfen Wasser. Die Mitarbeiter verhinderten später zum Glück mit ihren Bestätigungen des Regens, dass ich endgültig an meiner Wahrnehmung verzweifelte. Sie sagten mir auch, dass dieser kleine Schauer nichts sei im Vergleich zu der Regenzeit, die im März beginnen würde. Dies war also erst mal nur ein Vorgeschmack, ein kleiner Teaser. Man spürt allerdings schon die gesamten letzten Tage in der Luft, dass der Regen nicht mehr weit entfernt ist. 

Es ist Donnerstag und ich sitze an meinem gewohnten schattigen Plätzchen während ich eine zuckersüße Mango vernasche und mir von dem seichten Wind die langsam länger werdenden Haarstoppel streicheln lasse. Der Schatten ist keine so schlechte Wahl, denn ich habe mir vor ein paar Tagen einen dezenten Sonnenbrand im Nacken zugelegt. Das passiert nun mal wenn man 15 Kilometer vom Äquator entfernt in der prallen Mittagssonne stundenlang in einer kenianischen Schule mit den Kindern auf dem Bolzplatz Fußball spielt. Das war am Dienstag. In der zweiten Grundschule, die ich jetzt besucht habe, habe ich erneut einige Shots vom Schulalltag mitnehmen können. Vor allem war es aber das Ziel hier die Schlussszene des Films mit den Kindern auf einem großen Feld zu inszenieren. Das hat alles sehr gut funktioniert (auch wenn ein Dreh mit 150 aufgedrehten Grundschulkindern nicht das leichteste Unterfangen darstellt). Generell haben die filmischen Arbeiten bis zu diesem Zeitpunkt alle ziemlich reibungslos geklappt und ich habe eigentlich alles was ich benötige. Die nächsten Tage dienen also nur noch dem Feinschliff und können als Puffer für Dreh-Wiederholungen genutzt werden. Das ist eine ziemlich komfortable Ausgangssituation, die mir ermöglicht die letzten Tage hier in Kisumu einfach nochmal richtig zu genießen.

Diese Woche habe ich die berühmten kenianischen Matatus für mich entdeckt. Das sind uralte Kleinbusse, die den öffentlichen Nahverkehr in Kenia darstellen. Bisher bin ich in der Regel mit den lebensgefährlichen Picky Picky´s gefahren und diese machen natürlich ziemlich Spass und sind auch sehr praktisch, weil sie einen genau an das gewünschte Ziel bringen, aber Matatus haben einen ganz eigenen Charme und sind darüber hinaus nicht nur sicherer sondern noch deutlich (!) günstiger, als die klapprigen Motorräder. Die Matatus sind alle individuell gestaltet. Sie sind bunt bemalt und bilden oft Emblems von Fußballvereinen, berühmte Persönlichkeiten, Musiker oder einfach künstlerische Experimente ab. 

Ein Matatu hat zwei Mitarbeiter. Den Fahrer und den Kassierer, der während der Fahrt an der Seite aus der Schiebetür heraushängt und neue Kunden anwirbt. Somit ist das gute an den Matatus, dass man nie auf einen Bus warten oder zu einer Bushaltestelle laufen muss. Diese gibt es hier nämlich gar nicht erst. Man muss sich nie um einen Bus bemühen, denn insgesamt macht es den Eindruck, als wollten eher die Busse was von einem, als man selbst von ihnen. So wird man sobald man eine Straße betritt nur wenige Sekunden später aus mehreren Kleinbussen heraus von den aus den Bussen hängenden Männern angeschrien und auf diese aufmerksam gemacht. Die Fahrer sind so erpicht darauf, dass man in ihr Matatu einsteigt und in kein anderes, dass oft nur das bloße Aufblicken reicht, damit diese eine Vollbremsung hinlegen und man zu ihnen schlürfen und einsteigen kann. Das Angebot toppt hier die Nachfrage. Drinnen sitzen dann etwa 15 Kenianer wie in einem normalen Bus, nur eben viel enger. Wenn jemand aussteigen möchte, wird der Kassierer informiert und der Bus hält am Straßenrand. Einige Leute müssen aussteigen, damit der Gast, der rauswill von hinten überhaupt durch kommt. Oft läuft laute kenianische Musik, die aus fetten Boxen dröhnt, nicht selten ist ein Matatu auch mit wilden LED-Lichtern oder Fernsehmonitoren geschmückt, wo dann Musikvideos von Rappern oder R&B Künstlern laufen. Manchmal ist das wie ein Partybus und das alles gibt es für eine fünfminütige Fahrt für 20 kenianische Schilling, also umgerechnet 15 Cent. Ich liebe es.

Tja die Matatus. Eins von vielen Abenteuern des Alltags, dass die wilde und wuselige Stimmung Kenias eigentlich gut zusammenfasst.

Jetzt bin ich nicht mehr lange hier in Kisumu, im entfernten Westen Kenias. Am Lake Victoria, abseits des Tourismus. Wenige Tage sind es nur noch bis meine Arbeit hier endet. Die Dreharbeiten des Films sind so gut wie abgeschlossen, der Februar kommt dem Ende näher. Für mich heißt es dann Abschied nehmen von diesem Ort, in dem ich mich, auch wenn es nur vier Wochen waren, ungelogen mittlerweile ein wenig heimisch fühle. Ein fester Schlafplatz, nette Kollegen und Kolleginnen, der bekannte Weg zum Supermarkt oder in die Stadt. 

All das geht nun zu Ende. Der zweite Teil meiner Reise rückt ins Sichtfeld und das Abenteuer nimmt eine neue Wende. Die aufgeregten Kassierer der Matatus rufen mir zu. Ich soll einsteigen, es geht weiter. Kurz bleibe ich noch stehen, winke ab. Doch das nächste Matatu das kommt, nehme ich. Die Reise ruht nicht. Ich bin bereit. 

Antworten

Kenia
Reiseberichte Kenia