Veröffentlicht: 02.06.2017
bei
meiner fahrt von santiago bis hier rauf nach arica – besonders in
der atacama-wüste, frage ich mich immer, wie das hier mit dem wasser
ist. Scheinbar wird das thema nur beiläufig in den alltag der
chilenen integriert. Wasserhähne tropfen – und zwar ausnahmslos –
laub und dreck werden nicht von der straße gefegt, sondern mit
wertvollem wasser weggespritzt, einen ablass-stop für das wasser
gibt es nicht in den waschbecken, demzufolge wird in der regel alles
unter fließendem und abfließendem wasser gereinigt....
vielleicht
ist ja die situation entspannt, vielleicht kommt genug aus den anden
und aus den tiefen der atacama-wüste?
vielleicht – so frage ich ich bei meinen vespafahrten immer wieder – sehe ich das alles zu sehr durch die preussisch-deutsche brille, vielleicht überspannen die medien das thema und es ist genug für alle da? Für alle kommenden generationen auch?
Das web macht es möglich, und ich mache mir ein bild über chiles wirtschaft, über das was produziert wird, auf handelsüberschuss oder das gegenteil, über die agrarwirtschaft und nicht zuletzt darüber, wem das wasser eigentlich gehört.
Santiago ist kein maßstab. Trotzdem habe ich von beginn meines hierseins an den eindruck, dass es dem land gut geht. Überall machen die entsprechenden ministerien für ihre taten werbung, sei es für den nicht enden wollenden straßenbau, für die bildung, für vom staat untertützte weiterbildungsmaßnahmen etc. es wirkt nicht aufdringlich, wie vielleicht noch zu ddr-zeiten, wo an jeder brücke ein großes werbeplakat hing, dass der plan schon übererfüllt sei...
ich bin nutznieser der großen investitionsbereitschaft und habe auf bisher über 3000 km gefahrenen kilometern kein grund zur kritik.
Chile verdient sein geld mit kupfer, wein, holz und fisch, ist südamerikas exportweltmeister und hat das zweithöchste prokopf-einkommen. Seit pinochet wurde in extremen maße privatisiert. In den wesentlichen bereichen hat der staat nichts mehr zu sagen. Um die hälfte weniger als in deutschland.
Auch beim wasser!
Die
militärdiktatur unter pinochet hatte den großen ehrgeiz, chile nach
dem putsch 1979 wieder in die globale weltwirtschaft zu integrieren.
Das, was allende mit der verstaatlichung gemacht hat, drehte pinochet
in die andere richtung. Concertacion ist das schlagwort, das die
multinationalen konzerne auf chile aufmerksam werden ließ.
Kurz:
das tafelsilber des landes liegt nicht mehr im eigenen safe, sondern
ist auf die multinationalen gut verteilt.
Die
heinrich böll stiftung schreibt dazu, dass nur 3% der weltweit
tätigen unternehmen 90 % der nicht konsumtiven wasserrechte für die
nationale erzeugung von strom durch wasserkraft im besitz hat.
Wie
aber ist das mit dem trinkwasser und der abwasserversorgung?
Diese
schien ein staatlich geschütztes gut – aber in der zeit von 1994
bis 2011 änderte sich auch dies.
Mit wenigen ausnahmen sind alle wasserwerke in privater, in internationaler hand. Laut der HB-stiftung ist das trinkwasser das teuerste in ganz südamerika. Eine klare folge der privatisierung! Aber dass nun die betroffenen haushalte damit sparsam umgehen? Dass die regierung wassersparprogramme empfieht und moderne sanitäreinrichtungen subventioniert? Um in den prozess der globalen weltwirtschaft integriert zu sein, hat chile den privat organisierten konzernen den vortritt und dabei die ausbeutung der natürlichen resourcen ausser acht gelassen. Allein, so schreibt die hb-stifung, verbauche der bergbau 1000 liter oberflächenwasser pro sekunde. Und damit dies so bleiben kann, liegen die wasserrechte in der region antofagasta in den händen der bergbauunternehmen, die zu 70% in ausländischer hand sind.
Das ist die kehrseite der medallie. Chile ist reich, aber chile hat seine seele verkauft. Wenn nicht die regierung bald eingreift und mittlerweile zur gewohnheit gewordene prozesse wieder in die eigene hand nimmt, wenn wasser knapp wird, wenn die wasserrechteinhaber nicht mehr großzügig über den „wasserklau“ der kleinbauern hinweg sehen, dann führt dies zu unruhen, deren ursachen dann nicht so leicht rückgängig gemacht werden können.