Salam ya Amman
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Kirchentag

Veröffentlicht: 02.01.2020

Freitag, 27. Dezember

7 am. Heute Nacht hat es so laut gedonnert, dass ich davon aufgewacht bin. Und das will etwas heißen – ich weiß nicht, ob mir das überhaupt schon einmal passiert ist. Es hat sich so angehört, als wäre ein Blitz direkt neben unserem Bett eingeschlagen. Mein erstes richtiges Unwetter, seitdem ich unterwegs bin. Wir nehmen ein frühes Frühstück zu uns und machen uns dann bei Regenschauer noch einmal auf den Weg nach Nazareth. Hanni hat dort an Weihnachten unglücklicherweise ihre Bauchtasche samt Kamera und Reiseausweis liegen lassen, die wir besser nicht zurücklassen sollten. Wir nehmen diesen zweiten Nazareth-Aufenthalt außerdem zum Anlass, noch zwei besondere Kirchen dort zu besichtigen, die wir bisher noch nicht gesehen haben.

Die erste Kirche ist die Basilica of Jesus the Adodelscent, die zu den schönsten Kirchen Nazareths gehören soll. Sie ist an eine salesianische Schule angegliedert und steht auf dem Berg, auf dem Jesus seine Jugend verbracht haben soll. Wir können die Kirche von unserem Parkplatz aus lokalisieren, stellen dann aber fest, dass sie von einer weitläufigen hohen Mauer umzäunt ist, teilweise inklusive Stacheldraht. Wir laufen also an der Mauer entlang, auf der Suche nach einem Eingang und finden nach einer Weile eine Öffnung, durch die wir ins Innere gelangen. Das Areal hier ist menschenleer und sieht irgendwie verlassen aus. Das Pförtnerhäuschen hat offensichtlich schon länger niemand mehr bewohnt. Ein bisschen seltsam, wenn man bedenkt, dass wir unterwegs zu einer der bekanntesten Kirchen Nazareths sind.

Nach einem weiteren Fußmarsch (das Gelände ist wirklich beachtlich groß), finden wir uns vor einem großen Gebäude wieder, das offensichtlich die salesianische Schule ist. Die Kirche entdecken wir erst, als wir weiter an der Schule entlanglaufen. Das bringt uns jedoch auch nicht weiter – zum Einen befinden wir uns auf der Rückseite der Kirche, zum Anderen befindet sich auch hier auf dem Inneren des Geländes eine Mauer. Samt Stacheldraht. Wie ist das möglich? Wir haben jetzt schon eine komplette Runde um die Kirche herumgedreht, aber es scheint wirklich weit und breit keinen Eingang zu geben. Und hier ist auch niemand sonst, den wir fragen könnten. Das alles hier kommt uns wirklich spanisch vor. Aber wir haben alles versucht, und außerdem heute nicht ewig Zeit – wir drehen uns also um, und machen uns auf den Rückweg.

… als uns dann doch noch jemand entgegenkommt. Eine Gruppe Touristen kommt uns mit einem Reiseführer entgegen, die vor den Treppen der Schule stehenbleiben. Wir fragen dort also nach und erfahren, dass man durch das Schulgebäude in die Kirche gelangt. Auf die Idee wären wir wohl eher nicht gekommen. Also gut: wir gehen hinunter zur Tür, die uns beschrieben wurde, und tatsächlich: sie ist offen. Wir laufen also durch einen langen, dunklen Schulkorridor, der so menschenleer schon ein bisschen unheimlich wirkt, und finden uns am Ende des Gangs vor einer großen Holztür wieder, durch die wir ins Innere der Kirche gelangen.

Und es ist wirklich eine besondere Kirche. Oben hinter dem Altar thront eine riesige Marien-Figur, die durch die bunten Kirchenfenster, die über ihr angebracht sind, in blauem Licht erstrahlt. Wir schauen uns ein wenig um, als sich die große Holztür wieder öffnet, und ein Mann eintritt, eine Art Küster, wie wir dann merken. Er schaltet ein paar Lichter an und gesellt sich dann zu uns. Natürlich wollen wir wissen, warum es für uns fast unmöglich war, den Eingang zu finden. Sicherheitsmaßnahmen, seine Antwort. Das hatten wir uns schon fast gedacht. Die große Haupteingangstür ist nur geöffnet, wenn hier Messen stattfinden, sagt er uns. An allen anderen Tagen ist nur der versteckte Seiteneingang durch die Schule geöffnet. Schutz vor Vandalismus von muslimischer Seite. Ich kann mir kein Urteil darüber erlauben, wie real diese Ängste und wie notwendig die extreme Vorsicht sind. Aber verrückt ist es auf jeden Fall. Wenn Gotteshäuser einem Hochsicherheitstrakt gleichen, läuft auf jeden Fall irgendwo irgendetwas schief.

Wir gehen zurück ans Auto und fahren wieder zum City Centre, von wo aus wir zu der AirBnB-Wohnung laufen, und Hannis Bauchtasche glücklicherweise samt allem Inhalt wieder zurückerhalten. Al-Hamdulillah. Zurück geht es zum Auto, durch Nazareths Straßen, die eine Mischung aus dreckig und ausgestorben sind. Wir besorgen uns auf dem Weg noch einen überteuerten Snack (ja, hier in Nazareth herrschen absolute Touristen-Preise), und machen uns dann durch mittlerweile prasselnden Regen auf den Weg zu Mount Tabor.

Auf Mount Tabor soll laut Überlieferung die Verklärung Christi stattgefunden haben, weshalb sich dort die Verklärungsbasilika befindet. Auf dem Inselberg hat man normalerweise auch einen sehr schönen Blick auf das umliegende Flachland, aber wir fahren jetzt erst einmal durch dichten Nebel. Und das ändert sich auch nicht, bis wir am Parkplatz auf dem Gipfel ankommen. Im Gegenteil: als wir das Auto verlassen, und uns durch eine Allee den Weg bis nach vorne zur Kirche suchen, fängt es an, wie aus Eimern zu schütten. Bis wir in der Kirche am Ende des Weges ankommen, bin ich nass von Kopf bis Fuß. 

Nach dem ersten Schritt in die Kirche hinein merke ich dann allerdings, dass sich die Dusche gelohnt hat. Zurecht wird die Verklärungsbasilika auch als schönste Kirche Israels bezeichnet. Das goldene Innere der kleinen Basilika-Kuppel macht es schwer, die Blicke wieder abzuwenden. Es ist wirklich atemberaubend schön.

Wir reißen uns irgendwann davon los und machen uns wieder auf den Weg zum Auto – mit der Brotvermehrungskirche in Tabgha am See Genezareth steht heute noch eine letzte Kirche auf unserem Plan. Die für ihre Bodenmosaike berühmte Kirche steht an dem Ort, an dem Jesus bei der Speisung der Fünftausend fünf Brote und zwei Fische vermehrt haben soll. Und der alte Mosaikboden im Inneren ist wirklich besonders hübsch anzusehen.

Über einen 5-Minuten-Fußmarsch gelangen wir dann noch zum See Genezareth. Das Wetter hat sich mittlerweile wieder ein wenig erholt, die Wolkendecke über dem See bricht teilweise auf, und macht zwischendurch sogar noch Platz für einen Regenbogen. Ein wirklich schöner Ort. Wir sammeln noch ein paar Steine vom Strand, dann geht es zurück nach Hause, wo wir uns unserer noch nassen Klamotten entledigen, vor der mollig warmen Heizung sitzen, und uns dann noch ein leckeres Abendessen zubereiten. Genug für heute. 

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