Michi's Ghanatrip
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Notfallaufnahme

Veröffentlicht: 15.04.2018

Ich habe etwas Zeit gebraucht diesen Beitrag zu verfassen, weil dieser Tag im Krankenhaus ziemlich viel von mir abverlangt hat.. Auf der Notfallaufnahme ging es nicht so hektisch zu wie vorab gedacht. In dem Raum lagen 8 Personen auf Liegen und 3 sassen nebendran auf Stühlen. Eigentlich hatte meine Studentengruppe (15 Studenten) heute Dienst, aber nur ich und ein Nigerianer waren anwesend. Der Sonntag ist für die meisten Ghanaer Ruhetag und ein Tag an dem man in die Kirche geht - obwohl man eigentlich Verpflichtungen hat. Am Anfang war ich ganz alleine und bin einfach auf eine Ärztin zugegangen und habe sie gefragt, ob ich mitlaufen dürfe. Sie hat mir allerdings direkt einen Patienten gegeben, bei dem ich die Aufnahme (Anamnese und Untersuchungen) machen sollte. Es war ziemlich spannend und nach kurzer Zeit kam der andere Student mir zu Hilfe. Wir durften ganz viele Infusionen legen und Blut abnehmen, aber auch normale Untersuchungen durchführen, um die Abfolge der Tests zu repetieren. Die Ärztin war sehr lieb, hat uns viele Fragen gestellt und sich richtig um uns beide gekümmert! Ich konnte viel lernen.


Da lag eine 50-jährige Patientin auf der ersten Liege, und sie sah überhaupt nicht gut aus. Sie atmete nur noch langsam, aber kaum jemand beachtete sie, also habe ich mir nichts dabei gedacht. Mitten im Gespräch mit der Ärztin kam ein anderer Arzt auf uns zu und sagte mit einem Lächeln und Zwinkern: du machst „breaking bad news“. Ich habe gar nicht realisiert was er gemeint hat, bis ich gesehen habe, dass die Frau in Bett 1 verstorben war in den letzten 5 Minuten. Es gab keine ordentliche Todesdiagnose, sie haben nur schnell gecheckt, dass sie nicht mehr atmet und dass es kein Herzgeräusch mehr gibt. Ausserdem gab es keine Reanimation oder irgendeine Hilfe. Die Patientin hatte chronisches Nierenversagen und ohne die entsprechende Hilfe (die sie wahrscheinlich in der Schweiz bekommen hätte!), war es anscheinend aussichtslos und nicht der Mühe wert. „Breaking bad news“ bedeutet, die Angehörigen des Verstorbenen anzurufen und ihnen die schlechte Nachricht zu überbringen. Mitten im Raum, wo all die anderen Patienten auch lagen, witzelten die beiden Ärzte herum und lachten, weil beide diesen Job nicht übernehmen wollten. Ich fand diese Reaktion ziemlich kindisch, respektlos und unangebracht! Das einzige was sie gemacht haben, um die Privatsphäre der Verstorbenen etwas zu gewähren, war, ein Raumtrenner hinzustellen. Es gab keinerlei Platz für echte Emotionen oder respektvolles Handeln. Natürlich hat mich der Tod dieser Frau traurig gemacht (zumal es das erste Mal war, wo ich es direkt miterlebt habe), aber das Reagieren der Ärzte hat mich richtig wütend gemacht! 😡 Ich weiss, es sterben sehr viele Menschen auf der Notfallstation in Ghana und man muss sich vom Tod etwas distanzieren, um nicht völlig den Verstand zu verlieren nach einer Zeit, aber ich finde man kann trotzdem respektvoll bleiben! Die normale Routine ging einfach weiter: oh die Frau ist verstorben; also was sind die 5 Risikofaktoren von XY. Mit diesen paar Worten war die Tote schon längst „abgeschrieben“ und der Unterricht ging weiter. Ich hoffe, dass ich, trotz vielen weiteren Todesfällen die ich erleben werde, nie mein Herz verliere und immer respektvoll mit dem Tod umgehen werde.

Was ich auch sehr schlimm fand, war ein 12-jähriger Junge, der auf der Notfallstation lag. Ich habe ihn nicht untersucht, also kenn ich seine Krankengeschichte nicht. Ich weiss nur: der arme Junge war ganz allein. Wenn mir etwas zustossen würde, wären meine Eltern innerhalb von Sekunden mit mir im Krankenhaus und würden mir nicht von der Seite weichen, bis es mir wieder besser geht. Hier ist es anders! Ich werde immer wieder „enttäuscht“ von den Emotionen der Ghanaer. Sie mögen noch so liebe und hilfsbereite Menschen sein, aber welche Mutter ist nicht am Bett des Sohnes, wenn es ihm schlecht geht!? Ich kenne die Familie und deren Geschichte nicht, also sollte ich nicht urteilen, aber dieses Kind war nicht als einziges alleine im Krankenhaus. Die meisten Kinder waren alleine!

Ihr seht, ich bin etwas aufgebracht und traurig und wütend! Eine Umarmung würde jetzt gut tun...😢

Antworten (2)

Bettina
Big Hug

Michaela
❤️