Publicēts: 15.06.2023
Mit dem Semesterende begann auch unser Roadtip entlang der Ostküste von Amerika. Nachdem ich den Rest der Gruppe nach einem Wochenende in Montreal verabschiedet hatte, traf ich Raphael in Quebec wieder, um mit ihm die Tour zu starten. Nach gut fünf Stunden und der Grenzüberquerung in die USA erreichten wir unseren ersten Stopp Portland in der Provinz Maine. Da die Stadt insgesamt sehr überschaubar ist schauten wir uns das Viktoria-Mansion-Haus (1860) an, welches von einem reichen New Yorker Hotel Besitzer erbaut wurde. Interessanterweise hatte er das Haus an der einzigen Gasstation im Ort erbaut, um neben warmem Wasser auch eine Toilettenspülung nutzen zu können. Dies war der Geschäftsmann nämlich bereits aus seinen Hotels in New York gewöhnt und wollte deshalb in seiner Ferienresidenz nicht darauf verzichten. Zum ersten Mal kamen wir auch mit der Sklavenarbeit in Berührung, da das Vermögen des Hausbesitzers auf der „freien“ Arbeit der Afroamerikaner beruhte. Im Verlauf unseres Roadtrip sollte uns das Thema noch des Öfteren begegnen und zeigt bis heute die anhaltende Spaltung im Land selbst. Interessanterweise waren es vor allem die Südstaaten, die am längsten an der Sklavenarbeit festhielten, da ihr Wohlstand primär von der „freien“ Arbeit der Afroamerikaner beruhte.
Am nächsten Tag ging es dann weiter nach Boston. Hier konnten wir uns bei einem Freund aus Aachen (Daniel) einquartieren, welcher an der Hult Universität in Boston studiert. Der moderne Campus war sehr gut gelegen mit einem perfekten Blick auf die Stadt. Den ersten Tag nutzen wir daher, um das State House zu besichtigen und den Freedom Trail abzulaufen. Neben dem Old South Meeting House, ist vor allem das Old Statehouse ein Highlight. Es erzählt die Geschichte der Unabhängigkeit von Amerika von der Englischen Krone in 1776 – nach dem Motto: „No taxation without representation“.
Nachdem Frankreich im Siebenjährigen Krieg (1754-1763) seine kanadischen Territorien verlor, traf die Reorganisation des Kolonialreichs durch die britische Krone auf Widerstand. England verlangte Rückzahlungen der Siedler für ihre Kriegsschulden, gleichzeitig hatten diese jedoch auch die äußere Bedrohung durch die Franzosen verloren. Der Widerstand eskaliert in Boston (1770) als britische Soldaten auf eine aufgebrachte Menge Zivilisten schossen und dabei fünf töteten. Unter den Opfern lag auch der Afroamerikaner „Chrispus Attucks“, welcher bis heute politisch eine besondere Rolle als Verfechter der amerikanischen Freiheit und Unabhängigkeit innehat. Im Dezember 1773 kam es mit der „Boston Tea Party“ dann zum Höhepunkt des Konflikts. Der fehlende politische Einfluss der Gouverneure, trotz erhöhter Besteuerung, hatte zur Frustration unter den geschäftstüchtigen Kolonialisten geführt. Bereits 1761 hatte James Otis (einer der „Sons of Liberty“) mit seinem abgelehnten „Writs of Assistance“ auf den Stopp von Generaldurchsuchungen von Geschäftsräumen ohne Verdachtsäußerungen plädiert: „Ein Man sollte sich in seinem Haus so sicher fühlen, wie ein König in seinem Schloss“. Folglich brauchte es seitens der Kolonialisten ein deutlicheres Signal, um sich der britischen Vorherrschaft zu entziehen. Kurzerhand warfen sie deshalb die Teefracht eines Handelsschiffs über Bord, um somit der britischen Importsteuer zu trotzen. Selbst jene Kolonialisten, die versuchten die „kostenlose“ Fracht zu bergen, wurden von den Aufsässigen auf brutale Weise zur Rechenschaft gezogen.
Auf den Boykott folgte im April 1775 ein Gefecht zwischen britischen Truppen und Siedler Milizen. Erstaunlicherweise konnten die ungelehrten Kriegskräfte trotz Niederlage die britischen Truppen (größtenteils deutsche Söldner) erheblich schwächen. Infolgedessen entfachte erstmals der Gedanke and Selbständig- bzw. Unabhängigkeit. Dieser wurde dann auch am 2. Juli 1776 vom Kontinentalkongress plädiert und nach den Unabhängigkeitskriegen (unter der Führung von George Washington), 1787 in New Hampshire in der Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika verankert. Interessanterweise unterzeichneten nur zwölf der dreizehn Gründerstaaten den ersten Entwurf der neuen Verfassung, da Rhode Island (unser nächster Stopp nach Boston), bis auf eine Änderung (zu Gunsten von Freiheit der Religion) mit seiner Unterzeichnung abwartete.
Dieses Aufstreben der Stadt spiegelt sich auch in den beiden Elite Universitäten Bostons, Harvard und dem MIT, wider. Neben dem geschichtlichen Hintergrund glänzt die Stadt jedoch ebenfalls mit einer schönen Parkanlage entlang des Charles River, bei der man einen großartigen Blick auf die Skyline hat. Zudem lohnt sich der Besuch des JFK-Museums, aber dazu möchte ich nun weitere Details ersparen.
Unser nächster Stopp war folglich Providence in Rhode Island. Neben dem gigantischen Statehouse, welches nach dem Thai Mahal in Indien die größte Kuppel der Welt trägt, hat der kleinste Bundestaats Amerikas auch eine besondere Geschichte. Zum einen pflegte ihr Gründer Roger Williams eine enge Beziehung zu den Native Americans. Diese Fortschrittliche Denkweise vermag wohl auch der Grund dafür sein, dass bereits 1652 im gesamten Bundestaat die Sklaverei abgeschafft wurde. Zum anderen verziert ein besonderes Gemälde (1796) des ersten amerikanischen Präsidenten den Gemeinschaftssaal des Statehouses. Sein Maler, Gilbert Stuart, ist nämlich Rhode Islander und ein Ausschnitt des Bildes ist bis heute auf jedem amerikanischen Dollar zu sehen (lediglich spiegelverkehrt).
Die Stadt unterlag zudem Mitte des 20. Jahrhunderts dem erheblichen Einfluss der italienischen Mafia, die vorwiegend auf dem Hügel im Osten der Stadt operierte. Dies änderte sich unter anderem durch den längsten amtierenden Bürgermeister der Stadt, Vincent „Buddy“ Cianci. Mit dem Beginn seiner Karriere als Stellvertretender Generalstaatsanwalt konnte er dem Mafiaboss New Englands, Raymond L.S. Patriarca, 1969 den Mord am Mafioso Rudolph Marfeo nachweisen. Dennoch war seine spätere Amtszeit als Bürgermeister umstritten. Skandale wie ein gewaltsames Essen mit dem Liebhaber seiner Frau, sowie Korruption und Erpressung kosteten ihm zweimal die Amtszeit 1984 und 2001. Außerdem brachte es ihm selbst eine 4 ½-jährige Gefängnisstrafe ein. Dennoch bleibt er bis heute ein Idol der Stadt, obwohl er 2014 seinen letzten Wahlantritt zum Bürgermeister verlor und noch im gleichen Jahr an Krebs starb. Das italienische Viertel ist von dieser Zeit jedoch geblieben und man kann heute noch in zahlreichen Restaurants und Lebensmittelläden einige Mafiosos und ihre Geschichten aus der vergangenen Zeit antreffen. Selbst Frank Sinatra soll ein großer Fan des dort ansässigen „Camilles Restaurant“ gewesen sein. Auf dem anderen Hügel der Stadt liegt die Brown Universität, ebenfalls eine der Top Unis in den USA mit stolzen $40,000 an Semestergebühr. Zudem soll das Waterfire zwischen Mai und November ein besonderes Highlight der Stadt sein, für welches wir jedoch leider zu früh waren.
Unser letzter Stopp vor New York, war New Haven. Wie üblich in Amerika ist die Stadt in weiten Teilen ruhig, sodass wir lediglich an der Yale Universität, sowie in der Innenstadt stoppten. Lediglich der innere Kern zeigte wahren Stadtcharakter, sodass wir den Abend gemütlich in einer hippen Bar mit selbstgebrautem Bier verbrachten.
Letzter Stopp: New York, die Stadt die niemals schläft. Bevor wir nach Manhattan fuhren, machten wir einen Halt bei Raphaels Tante und ihrer Familie. Sie wohnen gute 1 ½ Stunden nördlich von New York, in der Stadt Peekskill. Die Stadt hat einen ähnlichen Charakter, wie viele Vorstädte in Deutschland. Raphaels Tante erzählte uns jedoch, dass das Wetter im Sommer sehr humid, fast tropisch, ist. Am Morgen fuhren wir dann mit der Bahn nach Manhattan hinein. Schon als wir im Grand Central ankamen wimmelte es nur von Leuten. Unser Hotel lag direkt am Bryant Park, also Top Lage und für New York zu einem erschwinglichen Preis.
In den drei Tagen New York machten wir trotz U-Bahn um die 25,000 Schritte pro Tag. Wir besichtigen das Met, das Empire State Building, den Central Park, den Time Square, Ground Zero (9/11), Brooklyn, sowie einen ehemaligen Flugzeugträger (den USS Intrepid – CV-11). Vor allem letzteres hatte viel zu bieten. Interessanterweise wurde die „Old Lady“ nach zahlreichen Einsätzen während des zweiten Welt- und Vietnamkriegs sowie vielen Kriegsschäden, bspw. durch japanische Kamikaze Flieger, immer wieder zusammengeflickt. Außerdem konnte man nebenbei ein amerikanisches U-Boot und die Concorde, das Überschall-Passagierflugzeug der Air France/British Airways (1976-2003) besichtigen. Es legte die Strecke zwischen Paris/London und New York in 3 – 3,5 Stunden hinter sich.
Alles in allem war New York deshalb auch das Highlight unseres Roadtrips. Während die anderen Städte vor allem durch ihre historische Prägung beeindruckten, weist New York eine Unmenge an (zeitgenössischen) Attraktionen auf. In dem Falle lasse ich lieber die Bilder für sich sprechen und wir können bestätigen, dass die Stadt wahrhaftig niemals schläft.