Publicat: 17.07.2019
Don Curry ist gerne bereit, sich den Sitten und Gepflogenheiten eines Landes anzupassen. Wenn man beim Betreten eines marokkanischen Berberzeltes die Schuhe auszuziehen hat, dann zieht Don Curry die Schuhe aus. Wenn man in Südindien mit den Fingern isst statt mit Besteck, dann isst Don Curry mit Fingern - wenn auch mit innerem Widerwillen. Wenn man in Großbritannien auf der linken Seite fährt, dann fährt Don Curry auf der linken Seiten - auch wenn er es ulkig findet.
Wenn man in Russland üppig zu frühstücken hat..., so könnte man die Aufzählung fortsetzen. Doch in seinem Petersburger Hotel hat Don Curry kein Frühstück mitgebucht. Und so genießt er die morgendliche Kalorienleere ganz besonders und startet unbelastet in den Tag. Wolkenverhangen zeigte sich dieser, doch Regen war heute nicht angekündigt. Don Curry hatte sich einige Kirchen und Kathedralen aufs Programm gesetzt und er machte sich zunächst auf den Weg zum Newskij Prospekt, der Petersburger Prachtstraße.
Unterwegs kam er an der immer noch verunstalteten Auferstehungskirche vorbei und konnte die Information seiner Reiseführer verifizieren: heute ist dort Ruhetag. Ob das auch die zahlreichen chinesischen Gruppen wussten, die mit ihren Bussen dort trotzdem hingekarrt und abgeladen wurden?
Don Currys erster Weg am Newskij Prospekt führte ihn zur Armenischen Kirche, doch da sie offensichtlich ebenfalls verschlossen war, ging er weiter zur Kasaner Kathedrale, einer gewaltigen klassizistischen orthodoxen Kirche, die etwas dem römischen Petersdom nacheifert. Don Curry bedauerte, dass in den aktiven orthodoxen Kirchen stets das Fotografieren verboten ist. Aber er ist so frei sich die Freiheit zu nehmen, mit dem Smartphone Bilder festzuhalten. Ob das fotografieren ist? Als er die recht dunkel gehaltene Kathedrale wieder verließ, hatte kräftiger Regen eingesetzt, entgegen der Wettervorhersage. Don Curry beschloss spontan, sein Programm zu modifizieren, und sich erstmals der Metro anzuvertrauen.Don Curry liebt es stets, die besonderen Eigenarten des öffentlichen Nahverkehrs fremder Städte zu erforschen, denn auch wenn vieles ähnlich ist, gibt es doch deutliche Unterschiede. Das Sankt Petersburger Metro-Ticket-System zeigte sich als das fortschrittlichste, das Don Curry bisher erlebt hat. Natürlich kann man an Automaten für jede Fahrt ein Einzelticket ordern, doch Don Curry wollte ein E-Ticket haben und kaufte sich im Fahrkartenautomaten eine Plastikkarte im Kreditkartenformat für umgerechnet 0,85 €. Nun galt es im zweiten Schritt diese leere Karte im selben Automaten mit Guthaben aufzuladen. Don Curry wählte das Angebot der 10 Fahrten innerhalb von 7 Tagen für insgesamt 4,75 €. Per Kreditkarte bezahlte er die Summe, die seiner Metro-Plastikkarte gut geschrieben wurde. Beim Betreten des eigentlichen Metro-Bahnhofs musste Don Curry seine Karte auf einen bestimmten Punkt legen, der Bildschirm zeigte nur noch 9 Guthaben an, das Licht leuchtete grün, und Don Curry konnte die Sperre passieren. Nun ging es in die Tiefe. Die Petersburger U-Bahn gilt als die tiefste der Welt, da sie teilweise auch unter der Ostsee Verbindung zu verschiedenen Inseln herstellen muss.
Bei der nächsten Station musste Don Curry gleich umsteigen. Über lange Gänge und mehrere Treppen erreichte er einen völlig geschlossenen Bahnsteig, an dessen Seiten alle 5 Meter massive Metalltore angebracht waren. Bei diesen Toren lungerten jeweils einige Menschen herum. Was soll das denn?, fragte sich Don Curry - bis die nächste Metro einlief, die Metalltüren den Weg freigaben zum Besteigen des Zugs und sich danach wieder schlossen. So konnte niemand versehentlich auf die Gleise fallen oder gestoßen werden. Nicht schlecht! Die Metro brachte ihn direkt zum Alexander Newskij-Kloster, dem Endpunkt der Prachtstraße.
Das Kloster hatte noch Peter der Große gründen lassen und dafür gesorgt, dass die sterblichen Überreste des Nationalhelden und Heiligen Alexander Newskij, Bezwinger der Schweden und des Deutschen Ordens, in diesem Kloster in einem silbernen Sarkophag beigesetzt wurden. Die seitdem bis heute herbeieilenden Pilgerscharen führten nicht nur zur großen Bedeutung dieses Klosters, sondern auch zur Anlage mehrerer Friedhöfe für die russische Prominenz.
Don Curry besuchte den atmosphärisch dicht angelegten Künstlerfriedhof, auf dem er nicht nur das Grab Dostojewskijs, sondern auch die letzten Ruhestätten der berühmten Komponisten Glinka, Borodin, Mussorgsky, Ljadow, Glasunow, Rimsky-Korsakow und auch Tschaikowsky entdeckte. Welch ungeheure kreative Macht, hier nun im Tod vereint.
Die Klosterkirche selbst entstammt dem Klassizismus. Vor allem das Grab des Namensgebers lässt ununterbrochen Verehrungsschlangen entstehen.
Parallel wurde im anderen Seitenschiff gerade Gottesdienst gefeiert. Der ständig wiederholte melodische "Gospodin"-Gesang der Gemeinde kombiniert mit dem betenden Sprechgesang des Popen füllten die Kirche mit tiefer Spiritualität.
Als Don Curry die Kirche verließ, hatte sich der Regen verstärkt. Den Besuch des Friedhofs der Promis des 18. Jhdts. ließ er ausfallen, um sich einem stärkenden Mittagessen in einem trockenen Restaurant zu widmen. Doch das von "Lonely Planet" empfohlene "Café Bien" schien es nicht mehr zu geben. Tapfer stapfte Don Curry die Hälfte des Newskij Prospekts Richtung Norden entlang, ohne eine adäquate Kalorienzufuhrquelle zu finden. Kurz vor der nächsten Metro-Station entdeckte er ein Bistro, dass sich allerdings als Selbstbedienungsrestaurant mit Buffetcharakter erwies. Hier war nichts frisch!
Aufgrund des erstarkenden Regens bevorzugte Don Curry nun doch die angenehmere Fortbewegung im Untergrund und landete schließlich wieder am ursprünglichen Einstiegsort. Hier hatte er vorhin eine Nahrungsquelle namens "SB Burger" entdeckt. Dort kehrte er nun ein, bestellte einen Mexican Burger 2.0, einen grünen Salat und ein belgisches Affigem-Bier vom Fass. Er staunte nicht schlecht, als ihm zu dem Burger nicht nur Besteck sondern auch keimfrei verschweißte Einmal-Handschuhe serviert wurden, wie sie Chirurgen tragen.
Er war so verblüfft, dass er gar nicht darauf kam, auch noch "Schere, Tupfer, Skalpell" zu erbitten, um den Burger wirklich fachgerecht verarzten zu können. Don Currys ablehnende Verwunderung hielt nur kurz an, dann passte er sich den örtlichen Sitten und Gebräuchen an, streifte mühsam die Handschuhe über und zerlegte genussvoll den saftigen Burger. Ohne Handschuhe hätte er sich anschließend ordentlich die Finger danach lecken müssen.
Gesättigt und erheitert aufgrund der örtlichen Gepflogenheiten landete Don Curry wieder im Regen. Er änderte sein weiteres Besichtigungsprogramm komplett und schlug den Weg ins nahe Russische Museum ein.
Dort musste er feststellen, dass das Wetter auch in anderen Touristen eine plötzliche Museumsfaszination ausgelöst hatte, rund 40 Minuten stand er in der Schlange vor der Kasse. Doch dann konnte er sich der spirituellem Kraft alter russischer Ikonen, der teils überraschenden Brillanz russischer Kunst des 18. bis 20. Jhdts. und der überbordenden Pracht des behausenden Michailowski-Palastes hingeben. Ein aus der klimatischen Not geborenes Notprogramm der Extraklasse!
Zurück im Hotel eruierte Don Curry, dass am Mittwoch im Katharinapalast eine besonders lange Öffnungszeit besteht. Kurzentschlossen ging er das Wagnis ein, sich abermals 30 km durch die gesamte Stadt kriechend zu quälen, um bis Puschkin zu fahren. Gegen 18:15 Uhr stand er an einem Ticketschalter vor dem Palast und erfuhr: Heute sind zu viele Leute da, er hat keine Chance mehr. Er soll morgen um 16:00 Uhr wiederkommen. Gefrustet trat Don Curry den Rückweg an, fuhr aber diesmal die Strecke am Newa-Ufer zurück, die zwar kilometermäßig etwas länger, aber dafür wesentlich stauärmer und entspannter ist.
Doch die nächste Enttäuschung des heutigen Tages ließ nicht lange auf sich warten. Zuversichtlich spazierte Don Curry über die Palast- und die Johannes-Brücke zur Haseninsel mit der eindrucksvollen Peter-und-Paul-Festung.
Ganz am westlichen Ende liegt das für seine Stinte berühmte und danach benannte Restaurant "Koryushka". Allerdings war es bereits voll; Don Curry hatte keine Chance.
Missmutig wanderte er weiter zur prächtigen Moschee von Sankt Petersburg, die den Stil von Samarkand oder Buchara imitiert. Fast daneben entdeckte Don Curry das Restaurant "Eurasia", das nicht überfüllt war. Hier gab es von Sushi über Thai-Gerichte, Pasta, Russisches, Burger bis hin zu Pizza eigentlich alles, was Europa und Asien an Essenswertem hervorgebracht haben. Don Curry wählte eine thailändische Tom Yam - Suppe und ein japanisches Chicken-Teppanyaki, dazu ziemlich leckere Fassbiere aus russischer Produktion - ob selbstgebraut konnte Don Curry aufgrund der Sprachbarriere nicht herausbekommen. Zumindest bekam er hier keine Handschuhe zum Essen.
Mit der Metro ging es zurück zum Newskij Prospekt, dann den langen Weg aufwärts zur Admiralität und schließlich über den Schlossplatz zurück zum Hotel. Morgen würde er erneut, zum dritten Mal zum Palast Katharinas aufbrechen. Irgendwann muss sie ihn doch einlassen...