Anna in Paris
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Woche 8 & 9: Sonne, Sushi, Schule und Sitronenbaum

Veröffentlicht: 24.11.2020

Die letzten zwei Wochen waren einander sehr ähnlich: Arbeit in der Schule, Online-Studium, schönes Wetter, viel zu tun, aber auch viel nichts zu tun.

Am Lycée wurden die Klassen geteilt, sodass weniger Schüler*innen gleichzeitig im Schulgebäude sind, und diese Klassen wechseln sich wöchentlich ab. Das macht die Planung für die Lehrkräfte und mich natürlich etwas schwieriger. Die AbiBac Klassen (also die Klassen, die ein Deutsch-Profil haben) sind so klein, dass sie zusammen bleiben können und deshalb bleiben die zwei Stunden am Mittwoch mit ihnen schon mal bestehen. Die Euroklasse, die ich ebenfalls am Mittwoch unterrichte, ist nur alle zwei Wochen anwesend. Und da ich ja auch immer nur im Wechsel die Hälfte der Klasse sehe, haben die Schüler*innen aus dieser Klasse nur alle 4 Wochen bei mir Unterricht. Dienstags habe ich die "normalen" Klassen, und am Vormittag haben wir die Vereinbarung getroffen, dass ich einfach noch kleinere Gruppen bekomme, da der Lehrer selbst ja auch nur eine halbe Klasse hat. Also arbeite ich jetzt teilweise mit drei Jugendlichen zusammen, was bisher aber ganz lustig und angenehm war. Die Kooperation am Dienstagnachmittag pausieren wir erst einmal, weil es der Lehrerin zu stressig ist, den Unterricht so zu planen dass alle daraus genug mitnehmen können, obwohl so wenig Präsenzunterricht stattfindet. Deshalb hat sie sich dagegen entschieden, einen Teil der Klasse dann auch noch an mich abzugeben, was ich vollkommen verstehen kann! Das macht die ganze Sache schon etwas komplizierter.

Am Collège, wo ich freitags arbeite, sind die Klassen nicht halbiert worden, weshalb ich da wie gehabt in Kleinstgruppen in einem kleinen Raum im CDI an einem Tisch und mit meinem Laptop mit den Schüler*innen arbeite. So viel erst mal zur grundsätzlichen Schulsituation.

Am Montag, dem 09.11, habe ich neben dem Unterrichten meiner lieben Blockflöten die Sonne auf dem Balkon genossen und war abends mit Luca, einer anderen Fremdsprachenassistenzkraft, spazieren. Offiziell ist er nicht erlaubt jemanden zu treffen, aber mit Maske und Abstand haben wir uns halt "zufällig" am Canal getroffen. Es war schön nochmal jemanden außerhalb von Wohnung oder Schule zu sehen und einfach zu quatschen! Danach hab ich wieder an der Yogastunde von Sally teilgenommen und musste mich danach spontan in der AStA-Sitzung von der Musikhochschule mit ganz vielen Fragen löchern lassen. Wir hatten bezüglich der Stellungnahme zu unserem AfD-Professor den AStA gebeten, die Unterschriftenaktion auf ihrer Facebookseite zu posten. Dass es da so deutliche Bedenken ihrerseits geben würde, war uns nicht bewusst, aber nach einiger Diskussion konnte ich dann ein positives, wenn auch nicht einstimmiges Ergebnis in der Abstimmung erhalten. Endlich: die Unterschriftenaktion startet!

Sonne tanken

Das haben wir dann am Dienstagabend auch gemütlich mit der Schreibergruppe per Zoom gefeiert, und einfach mal ein bisschen gequatscht und uns kennengelernt, weil wir Studierende aus ganz verschiedenen Disziplinen und Semestern sind. Vorher war ich aber natürlich in der Schule, aber das war sehr langweilig. Am Vormittag wollte ich zwei Unterrichtsstunden zuschauen, aber weil nur Gruppenarbeit geplant war, hat mir der Lehrer davon abgeraten, und am Nachmittag habe ich bei einer Stunde zugeschaut, aber aufregend war es nicht. Trotzdem hatte der Tag ein klares Highlight und ein klares Lowlight.

Highlight: Ich habe den Vormittag genutzt, um mit Erlaubnis des Musiklehrers Stephane im Musikraum der Schule zu üben!! Es tat richtig gut, mal ohne Rücksicht auf Verluste einfach ein bisschen am Flügel zu klimpern, schief zu spielen oder laut zu singen. Das habe ich sehr vermisst!

Musikraum!!

Lowlight: Die Schlüssel zum Musikraum (und zu den anderen Räumen) habe ich am Morgen bei Fred an der Pforte abgeholt. Der wusste zwar nichts davon, dass ich dazu autorisiert sei die Schlüssel zu bekommen, hat aber den Musiklehrer nicht erreicht um nachzufragen, und mir dann den einzigen Schlüssel gegeben "weil er mir vertraut". Außerdem hat er mich darauf hingewiesen, das Fenster des Raums 228, in dem ich unterrichten werde, zu schließen. Alles klar, ich war üben, danach war ich entgegen meines Plans nicht in 228 um zu unterrichten, und wollte die Schlüssel am Ende des Tages (16 Uhr) zurückbringen. Huuuiihuiui da hat mich ein sehr angepisster und kurz angebundener Fred erwartet, der mich ziemlich angeblafft hat, dass ich den Musikschlüssel nicht früher zurückgebracht habe (was ich nicht verstanden hatte) und die Fenster nicht geschlossen habe (ich war nicht im Raum). Aber ich bin empfindlich wenn mich jemand anmault, ich will ja schließlich alles richtig machen, und vor allem weil ich die Schlüssel nur bekommen habe "weil er mir vertraut", hat mir das ziemlich Leid getan! Ich hoffe, dass er nicht allzu nachtragend ist.

schöner Himmel
Einfach mal Sushi gönnen

Am Mittwoch war ein trauriger Tag. Es ist der 11.11, ein Feiertag. Und das ist kein Witz! In Frankreich ist der 11.11 wirklich ein Feiertag, allerdings nicht wegen des Sessionsbeginns, sondern wegen der "Armistice de Rehondes", also dem Waffenstillstand von Compiègne, der im Jahr 1918 die Kampfhandlungen im Ersten Weltkrieg beendete. Das heißt, ich hatte schulfrei und konnte mir den ganzen Tag lang alte Fotos und Instagramstorys vom 11.11 letztes Jahr angucken, was ich natürlich auch gemacht habe.

Weihnachtsbeleuchtung fast so hell wie die Sonne

Donnerstag war auch sehr aufregend, da habe ich neben der Univeranstaltung die ich belege meine Steuerunterlagen von 2019 zusammengesucht. Ich nehme einfach das Beste hier aus meinem Auslandsaufenthalt raus! Mir war so langweilig, dass ich angefangen habe zu malen, und das hat sogar ein bisschen Spaß gemacht und die Zeit ist dann auch wirklich verflogen.

ein gutes Motiv
Bleistiftskizzen

Am Freitag war mein Highlight neben dem Selbst-Unterrichten und der wie immer überragenden letzten Stunde von einer Lehrerin in der 6. Klasse das anschließende Kickerspielen im Lehrerzimmer und einem abendlichen Zoom-Meeting mit einer sehr netten Gruppe, von der ich in einem Monat vielleicht etwas mehr erzählen kann.

Highlight

Das Wochenende ist dann so dahingeplätschert, viel Spazieren, bisschen OLS-Sprachtraining, ab und zu mit Freunden telefoniert, der traditionelle Tandemabend am Sonntag und dann war diese öde Woche auch endlich rum.

Am Montagmorgen bin ich voller Motivation in die neue Woche gestartet. Ich wollte auf keinen Fall wieder eine so lustlose Woche hinter mich bringen, in der ich einfach nur die Zeit totschlage und vor lauter Langeweile abends nicht einschlafen kann. Also habe ich die Woche um 06:30 Uhr mit einer ausgiebigen Yoga-Einheit gestartet, um dann höchst motiviert mit dem Sonnenaufgang am Canal an einem der (vielen) Outdoor-Fitness-Parcours ein bisschen Sport zu machen. Das war richtig schön!

viel zu motiviert

Um 8 war ich dann wieder zu Hause und konnte nach gemütlicher Dusche und Frühstück produktiv weiterarbeiten. Auf meiner To-Do-Liste stand die Ausarbeitung des Kinderlieds "Die Ballade vom traurigen Island-Pony", zu dem mein Nachbar Ludwig den Text geschrieben hat, und das in einem Buch veröffentlicht werden soll. Zum Mittagessen hab ich mir ein vegetarisches Sandwich aus einer Bäckerei um die Ecke gegönnt. So belegte halbe Baguettes sind hier total beliebt und ich kann auch wirklich verstehen warum: richtig lecker und macht satt, aber trotzdem günstig (knapp 5€), vor allem für Pariser Verhältnisse. Danach hab ich tatsächlich in der Wohnung geübt, zwar nur eine Dreiviertelstunde um niemanden zu stören, aber das war trotzdem toll. Nach dem Flötenunterricht war ich spazieren, Philipp hat spontan angerufen und abends gabs eine spontane TVD Reunion mit Jojo, Melissa und Laura. Ich konnte allerdings nicht so lange dabeisein, weil ich noch den Unterricht für Dienstag vorbereiten musste (als ob ich letzte Woche dafür nicht genügend Zeit gehabt hätte).

Das beste vegetarische Baguette

Und zwar habe ich mit einer Klasse zum Thema Soziale Netzwerke und Datenschutz ein Werbevideo angeschaut, das einen jungen Mann vor einem Vorstellungsgespräch zeigt. Als er den Raum betritt sieht er, dass schon jemand vor ihm da war, nämlich "sein Online-Post von letzter Woche", der ausgiebig gefeiert hat. Das haben wir versucht nachzuvollziehen.

Im Nachmittag hatte ich eine Klasse der Prepa, also die schon mit dem Abi fertig sind, und da sie gerade das Thema Expressionismus behandeln, habe ich eine Einheit zu Expressionsimus in der Musik gemacht und dazu das Stück "The Unanswered Question" von Charles Ives besprochen. Die Klasse hat nur 7 Schüler und drei davon sagen wirklich NICHTS, das war etwas seltsam, aber laut der Lehrerin normal. Naja!

Fred von der Pforte war wieder gut drauf und hat mir sehr gerne den Schlüssel zum Musikraum (in dem ich mich getraut habe zu üben, obwohl Stephane im Raum war!) gegeben und hat sich gefreut, als ich ihm beim Fensterschließen des Raums 228 zugewunken habe!

Am Abend stand wieder die Unterrichtsvorbereitung für Mittwoch auf dem Plan, die mir sehr schwer gefallen ist. Die zwei vorzubereitenden Themen sollen für die eine Klasse etwas mit "Verbotener Kunst" zu tun haben und für die andere Klasse mit dem Werk "Der gute Mensch von Sezuan" von Bertolt Brecht. Für die erste Klasse habe ich dann eine Einheit zu verbotener Musik im 3. Reich geplant, in der das Lied Lili Marleen eine große Rolle gespielt hat. Für die andere habe ich wirklich seeeeehr lange überlegen müssen, da ich weder das Buch gelesen habe noch etwas über Brecht weiß, und mein Unterricht ja einen interessanten Sprechanlass geben soll. Habe dann nach einem guten Tipp von Sarah das Gedicht "Über die Bezeichnung Emigranten" als Einstieg genommen, das kaum an Aktualität verloren hat, um dann auf die Biographie von Brecht einzugehen, der vor dem Nationalsozialismus geflohen ist. Dazu haben wir ein Audiodokument gehört und dazu ein "Fragenmemory" in Gruppen lösen müssen, und am Ende gab es noch ein kleines Quiz über sonstige Fakten über Brecht. Dafür dass ich am Anfang keine Idee hatte, hat mir mein Plan und letztendlich auch die Durchführung am Mittwoch richtig gut gefallen! Den freien Mittwochabend habe ich nach Schule und Online-Uni dann einfach entspannt mit Serie (gerade schaue ich Dogs of Berlin) im Bett verbracht.

Sonne und Zitronenbaum

Der Donnerstagmorgen startete genauso motiviert wie der Montag. Das gute Wetter und die sonstigen Einschränkungen locken mich irgendwie nach draußen. Als ich von meiner kleinen Sporteinheit wieder zu Hause angekommen bin und mir meine Hände waschen wollte dann die Überraschung: aus dem Hahn kam kein Wasser mehr! Es gab schon seit einigen Tagen eine ziemlich grobe Baustelle im Eingangsbereich, und anscheinend musste dort etwas geflickt werden ohne dass uns Bescheid gesagt wurde. Dann mal schnell Wasser gekauft um wenigstens Zähne putzen zu können, irgendwas zu kochen und vielleicht auch mal das Klo zu spülen! Und wie es natürlich immer ist: als ich vom Wasserkauf wieder ankam, lief der Hahn wieder.

so sieht es aus wenn kein Wasser kommt
ich glaube hier ist ein Loch in der Decke
klassisches Aufzugfoto

Freitag, der mittlerweile 20. November war ein richtig cooler Tag. Zwar gab es von der Schule einige Planungsprobleme, weshalb nachmittags die Hälfte der Klasse nicht anwesend war, aber alle Stunden die ich mit den Schüler*innen gehalten habe haben super viel Spaß gemacht. Ich bin wirklich gerne am Collège! Das allerschönste am Tag war allerdings nach Feierabend. Ich wollte gerade das Lehrerzimmer verlassen, da hat mich die Deutschlehrerin von der ich gerade eine (wie immer perfekte) Stunde gesehen habe, gefragt ob ich noch einen "Apero" trinken möchte. Da hab ich natürlich nicht abgelehnt und im Endeffekt saßen wir mit so 10 Lehrkräften im Lehrerzimmer und haben mehr als nur einen Apero getrunken. Es waren die gleichen Kolleg*innen mit denen ich auch immer in der Mittagspause da bin, deshalb war das richtig entspannt. Das ganze Kollegium hatte wirklich eine großen und vielfältigen Alkoholvorrat: Weißwein, Bier, Rum, Anisschnaps und selbstgemachten Sangria. Schön wars! Aber vor allem weil es in den letzten Wochen der einzige Moment war, in der dem ich mit ein paar verschiedenen Leuten einfach entspannt zusammensaß und lustige, interessante Gespräche führen konnte. Innerhalb der Gruppe waren wir uns einig, dass das ruhig noch häufiger so sein darf.

Apero im Lehrerzimmer

Abends erwartete mich außerdem ein Paket von zu Hause, soo schön!

Päckchen von zu Hause!

Am Samstag hatte ich wegen meiner bisher schon so produktiven Woche wenig zu tun, und das was ich hätte tun können (Uni), darauf hatte ich keine Lust. Also wieder mal ein ausgedehnter Spaziergang, habe den Parc Buttes-Chaumont entdeckt, ein sehr schöner und naher Park. Abends saßen wir nochmal in der Küche zusammen und haben zu dritt gequatscht.

Haus im Park
gemütlicher Abend in der Küche

Und am Sonntag hatte meine Kollegin, Anne-Lou, Geburtstag und wurde 27! Wir haben uns zum Spaziergang getroffen und sind in den Kiez-Laden am Kanal gegangen um deutsche Sachen zu kaufen. Da sie weder Dickmanns noch Berliner Luft oder die Rhabarerschorle kannte, wurde das natürlich ihr Geburtstagsgeschenk und wir haben alles entspannt am Kanal verspeist. Cool ist, dass wir auf französisch sprechen, obwohl sie quasi perfekt deutsch kann. So kam ich mit den Stunden mit ihr und den sonntagsabendlichen zwei Sprechstunden mit meinem Tandempartner Philippe auf einen sehr französischen Tag. Ein schöner Abschluss einer schönen Woche!

deutsche Geschenke für die Deutsch-Kollegin

Und am Ende noch ein kurzes Shout-Out an meinen größten Fan: Danke Vio, dass du immer fragst wo der nächste Beitrag bleibt. Hiermit gebührt dir ganz viel Aufmerksamkeit! Liebe!

Der Balkon direkt an meinem Zimmer


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