Anna in Paris
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Woche 10: Produktiv & Lehrreich

Veröffentlicht: 03.12.2020

Novembersonne

Mit wieder einmal schönstem Sonnenschein konnte ich die letzte Novemberwoche sehr produktiv genießen. Florence hat mich gefragt, ob ich Erfahrung mit musikalischer Früherziehung habe, oder ob ich Lust habe darin welche zu sammeln und hat mir eine Mail weitergeleitet. Da fragt eine Freundin von ihr sie an, ob sie jemanden kennt, der*die in den Ferien im Februar Lust hat, ein musikalisches Projekt in einer Ecole maternelle, also Kindergarten/Grundschule zu machen. Wie toll ist es bitte, dass sie da an mich gedacht hat? Ihre Freundin, Chase, hatte noch ein Dokument dazu geschickt, was sie sich genauer vorstellen könnte, und ich habe mir Zeit genommen und darin ein bisschen zu lesen und mir kam schon sehr viel bekannt vor. Ich hatte selbst von Anfang an auch Ideen, sowohl aus dem Studium (Bewegung und Tanz vor allem) als auch von eigener Recherche von vor einem Jahr, als ich in Deutschland mit einer Kindergartengruppe ein musikalisches 1-Tages-Projekt gemacht hab. Und je mehr ich gelesen habe, desto mehr wurde mir klar: Ich will das auf jeden Fall machen!! Also hab ich mich ran gesetzt und einen musikalischen Lebenslauf geschrieben, den dann noch auf Französisch übersetzt und anschließend meine Ideen für den Ablauf des musikalischen Projekts konkretisiert. Das ganze mit Florence abgesprochen, und zack; Bewerbung abgeschickt! Einen Tag später schon eine Rückmeldung von Chase bekommen und noch einen Tag später telefoniert. In einem total kreativen Gespräch mit ganz viel Brainstorming hat sie mir mehr von der Schule erzählt (Montessori) und den dortigen Lern- und Lehrmethoden. Das Ganze hat mich total angesprochen und ja, ich habs bekommen und darf im Februar eine Woche lang mit Kindern eine musikalische Entdeckungswoche planen, ich freu mich!!

Gloria hat gebacken!

In der Schule lief alles entspannt, ich hatte diese Woche allerdings nochmal ein paar Gruppen, die mich von meinem hohen Sprachniveau mit den Abibac-Klassen zurück auf den Boden und in die Realität geholt haben. Mit Gruppen, die nach 5 Jahren Deutschunterricht nicht einmal die Fragepronomen (Wer, Was, Wann, …) verstehen, ist es natürlich umso schwieriger sie zum Sprechen zu bekommen.

Antikörper-Teststelle in Le Raincy

Mittwochs habe ich mich wieder per Zoom mit meinem Tandem-Partner Philippe getroffen, und durch ihn bin ich auf unglaublich witzige YouTubevideos gestoßen, Perles de Bac, die mich den ganzen Abend lang unterhalten haben. Auf YouTube kann man sich die Videos in 0,75-facher Geschwindigkeit angucken, dann verstehe ich auch alles und es trotzdem lustig. Richtig cool!

Auf TikTok haben einfach die User ein gesamtes Musical geschrieben :D

Außerdem hat Macron neue Lockerungen angekündigt, die ab Samstag gelten: man darf wieder 3h pro Tag raus in einem Umkreis von 20km und kleine Geschäfte öffnen wieder.

ENDLICH LOCKERUNGEN

Freitag war, wie ab jetzt jede Woche, wieder ein kleiner Apero im Lehrerzimmer, zu dem alle etwas mitgebracht haben, ob Snacks oder was zu trinken. In der total lockeren Atmosphäre sind wir einfach bis 9 Uhr in der Schule geblieben! Mit der Gruppe der letzten Hartnäckigen, so ungefähr 10 Leuten, haben wir außerdem ein kleines „Spiel“ gestartet: L’ange-guardien, also „Der Schutzengel“. Alle Namen wurden auf einen Zettel geschrieben und jeder musste einen Namen ziehen. Die Aufgabe ist jetzt, der Person auf dem Zettel bis zu den Weihnachtsferien eine Freude zu machen, ohne dass die Person weiß wer sie gezogen hat. Ich habe Alex, die Kollegin die das Spiel initiiert hat und immer für das ganze Kollegium backt, gezogen, damit hab ich jemand gutes erwischt. Jetzt kann ich mir noch überlegen was ich für sie mache. Lustig wurde der Abend irgendwann, als unsere stellvertretende Direktorin nach dem einen oder anderen Glas trotzdem immer noch streng auf die Abstandsregeln gepocht hat, und dazu auf einmal eine Trillerpfeife hatte, von der sie gerne laut und oft Gebrauch gemacht hat. Schöner Abend.

Apero im Lehrerzimmer
Kreativer Adventskalender für die 6. Klasse

Am Samstag war der erste Tag mit gelockerten Maßnahmen! Man darf ab jetzt also 3h pro Tag rausgehen und sich in einem Radius von 20km aufhalten, im Gegensatz zu 1h und 1km die letzten vier Wochen. Außerdem haben kleine Läden wieder geöffnet, also zum Beispiel Büchereien oder Second-Hand-Läden, voll schön! Eigentlich war es auch mein Plan heute nochmal in die wunderschöne Bücherei Shakespeare & Co zu fahren, und ich war gerade auf dem Weg zum Bäcker um mir vorher was zu essen zu holen, als ich am Kanal eine Gruppe von jungen Leuten ungefähr in meinem Alter gesehen habe, die verschiedene Schilder dabei hatten, auf einem stand zum Beispiel „Big Sister is watching you“. Da wusste ich, dass es um das Gesetz geht, das das Filmen von Polizeieinsätzen einschränken soll. Hab kurz überlegt, und mich dann entschlossen die Gruppe einfach mal anzusprechen und einfach mal gefragt ob und wo heute denn eine Demo ist. Wir haben ein bisschen gequatscht und es waren echt alle total nett, und dann haben sie mir angeboten, dass ich sie auch einfach begleiten kann wenn ich will! Und klar, das Angebot hab ich natürlich angenommen, gute Leute und gute Sache für die man ruhig auf die Straße gehen kann. Also bin ich mit Caroline, Magalie, Jonathan und noch ein paar anderen losgegangen Richtung Place de la République, wo die Demo gestartet ist. Es waren sooo viele Menschen auf der Straße! Vom Place de la République sind wir zum Place de la Bastille gegangen, was eigentlich gar nicht so eine weite Strecke ist, aber mit 10000 Menschen braucht man dafür schon ein paar Stunden. Funfact: Es ist total üblich in Frankreich, dass auf einer Demo überall Fressbuden stehen oder sogar am Rand mitfahren. Wie witzig ist das? Außerdem gab es echt einige Blasmusikgruppen, die viel gespielt haben, natürlich wurde viel gerufen und geklatscht, und ansonsten ist es ziemlich ruhig geblieben. Der Moment, in dem ich wusste dass ich die richtigen Leute gewählt hatte war der, in dem mir Caroline ihr Schild in die Hand gedrückt hat „Halt mal!“, einen Stift aus ihrer Jackentasche geholt hat und zu einem Plakat weiter vor uns gelaufen ist. Da stand drauf „Vous êtes filmés“, also „Ihr werdet gefilmt“. Das Problem war nur, dass in Frankreich auch das Partizip (z.B. „gefilmt“) abhängig vom Geschlecht ist, und hier „filmés“ nicht gegendert wurde. Korrekt gegendert schreibt man es „filmé.e.s“, was dann auch das Ergebnis von Carolines Stift-Aktion war. Mich interessiert natürlich die inklusive Schreibweise im Französischen total, und schriftlich kannte ich bereits einiges, aber ich habe noch niemanden gefunden mit dem ich auch über die Aussprache davon sprechen konnte. Der nächste Absatz ist für alle die mehr Bock auf gegenderte Schreibweise im Französischen haben, der Rest kann ihn einfach überspringen :D

Magalie und Caroline
Es gibt einfach Fressbuden auf den Demos in Frankreich!
Lallement ist ein Politiker, "l'allemand' heißt aber übersetzt "deutsch", also gab es hier viele Wortspiele
"Deutsch/Lallement war im Leistungskurs besser"
Place de la Bastille

Die beiden haben mir erklärt, dass das etwas schwieriger ist und selbst in ihren Freundesgruppen, in denen viel darauf geachtet wird gegendert zu schreiben, das gegenderte Sprechen nicht so üblich ist. Anstelle von „ils“ und „elles“ (das bedeutet beides „sie“, also 3. Person Plural, davon eins männlich und eins weiblich) könnte man beispielsweise ielles sagen. Der Satz „Ils sont tous enervés“ (Sie sind alle genervt) würde gegendert so aussehen „Ielles sont tout.e.s envervé.e.s“ und „tout.e.s“ würde man [tust] aussprechen. Also definitiv komplizierter als im Deutschen! Die beiden waren total überrascht (und begeistert) dass ich beispielsweise meine Hausarbeiten gegendert schreiben darf bzw. sogar muss. Außerdem haben wir über die französischen Grundsätze „Liberté, Egalité, Fraternité“ gesprochen, weil ja das Wort „Fraternité“ auf „frère“, also Bruder hinweist und übersetzt Brüderlichkeit heißt. Also „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“, was ja Frauen total ausschließt. Dazu gibt es auch eine Lösung, und zwar die Wortneuschöpfung „Adelphité“, was insgesamt „Brüderlichkeit, Schwesterlichkeit und harmonische Beziehungen zwischen Frauen und Männern“ bedeutet. Es war richtig interessant, darüber ein bisschen zu diskutieren!

Du bist nicht alleine

Der Sonntag war der erste Tag, an dem es so richtig kalt war, nur 4 Grad und ich war zu zwei Spaziergängen verabredet! Zuerst hab ich mich mit Luca getroffen um ein bisschen den 19. Geburtstag zu feiern. Dazu haben wir einen wirklich laaangen Spaziergang entlang des Kanals gemacht, um dann wie ich es letzte Woche auch mit Anne-Lou gemacht hab, im Kiez ein leckeres Getränk zu trinken. Luca war total fasziniert von dem Laden und hat auch direkt für die WG einen Christstollen gekauft. Danach war mit ich dem Kellner aus der Bar um die Ecke verabredet, Hacène, der seit heute wieder arbeitet und deshalb wieder in Paris ist. Dann abends noch ein Tandem-Treffen über Zoom, und kann ich sagen, dass ich an diesem Wochenende so viel Französisch gesprochen habe, wie noch nie in meiner Zeit hier!

Der Schulhof von Lucas Schule: PLATANEN!
Geburtstagskind Luca


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