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Eröffnung, Beinschuss und eine unendliche Geschichte

Veröffentlicht: 10.12.2018

Die vergangene Woche war wieder einiges los in und um Caynaba. Der Beginn der Woche war geprägt von unserer Medikamentenlieferung. Für das Krankenhaus bestellen wir alle drei Monate Medikamente, vorher muss man eine Inventur machen und verschiedene Angebote einholen. Nachdem das erledigt war mussten insgesamt 75 Kisten Medikamente gezählt, registriert und einsortiert werden. 

Vergangenen Samstag stand dann die Eröffnung unseres ersten Health Post an. Für die Eröffnung hatten sich einige Repräsentanten und Würdenträger angekündigt. Unter anderem war der stellvertretende Gesundheitsminister von Somaliland, der Gouverneur der Region und der Gesundheitsminister der Region da. Einerseits natürlich um den Leuten und Cap Anamur Dank und Respekt für die Arbeit zu erweisen, andererseits aber auch um sich ein bisschen mit fremden Federn zu schmücken und die Chance zu nutzen sich im Fernsehen zu präsentieren. Das Fernsehen war nämlich auch da und hat einen kleinen Beitrag über die Eröffnung gemacht. Die Eröffnung verlief reibungslos und es war schön zu sehen, wie sehr sich die Leute über die Hilfe in der Region freuen. Anschließend verbrachte ich noch einige Stunden im Health Post um den Kollegen vor Ort unter die Arme zu greifen und sie besser mit unserer Art der Arbeit und Dokumentation vertraut zu machen. Auf der Heimfahrt vom Health Post wurden wir von aufgeregten Soldaten an einer der Wachposten die hier an den Straßen sind angehalten. Die Wachposten sind vergleichbar mit Mautstellen an denen bewaffnete Soldaten stehen und die Autos kontrollieren. An einem dieser Wachtposten ist einem der Soldaten sein Gewehr runter gefallen. Dabei hatte sich ein Schuss gelöst und seinen Unterschenkel durchdrungen. Zum Glück hatten wir ein erste Hilfe Set im Auto und konnten dem Soldaten so erste Hilfe leisten, die Blutung stillen und unsere Ambulanz anrufen. Der Soldat hatte wirklich ausgesprochen großes Glück, da die Kugel nur seine Wadenmuskulatur durchdrungen hatte, Gefäße und Knochen aber intakt waren. 

Am nächsten Vormittag war ich erneut in War Idaad um zu sehen wie der reguläre Betrieb im Health Post läuft, während dessen entflammte  im Krankenhaus ein Konflikt der schon vor einigen Wochen Thema war und nun drohte endgültig seinen Höhepunkt zu erreichen.  Unser Apotheker und unsere Ärzten hatten erneut einen Konflikt über die Medikamente, der dazu führte, dass sie sich vor den Patienten und dem Personal lauthals stritten und beleidigten. Ich dachte alle Beteiligten nutzen unsere Mittagspause um die Emotionen ein bisschen abkochen zu lassen. Unser Arzt nutzte diese aber um seine Kontakte und seinen Einfluss zu nutzen. So kam es, dass am späten Nachmittag plötzlich der Gouverneur und der Gesundheitsminister der Region, zusammen mit unseren Ärzten in unserem Büro saßen. Die Ärzte fordernden vehement die Entlassung unseres Apothekers, da sie mit ihm nicht mehr zusammen arbeiten könnten. Als Unterstützung dafür hatten sie sich den Gouverneur und Gesundheitsminister der Region zur Seite geholt. Ich persönlich war von dem Ausmaß der Situation überrascht und auch persönlich von dem Arzt enttäuscht. Man kann sich das in etwa so vorstellen, dass man selbst einen Konflikt an der Arbeit hat und plötzlich der Vorstandsvorsitzende und der Oberbürgermeister vor einem sitzen um den Konflikt zu lösen. Die Reaktion war also absolut Übertrieben, dies ließ ich unsere Ärzte auch spüren und musste sie erst mal in ihre Schranken verweisen. 

Natürlich haben wir unseren Apotheker nicht entlassen. Es ist nicht immer einfach mit ihm zusammen zu arbeiten, aber alles in allem sind wir mit seiner Arbeit sehr zufrieden und auch die Ärzte sind in der Pflicht die Rezepte ordentlich auszufüllen und zu unterschreiben. Auch in Deutschland bekommt man keine Medikamente, wenn das Rezept nicht unterschrieben oder das Medikament falsch angeordnet ist. Insgesamt war die Situation also ziemlich peinlich und hat auch ein schlechtes Bild auf die Arbeit von Cap Anamur geworfen. 

Das Problem, dass beide Parteien haben ist viel mehr ein persönliches. Sie sind nicht in der Lage ein Gespräch miteinander zu führen, ohne sich dabei zu streiten. Unsere vorübergehende Lösung ist also, dass unser Apotheker mit den Rezepten zu mir kommt und ich dann mit diesen zu den Ärzten gehe, falls wir es nicht gemeinsam lösen können. Ich bin also seit heute auch noch Briefträger. Natürlich ist das nicht unbedingt eine gute Lösung, trägt aber dazu bei, dass sie die Situation erst einmal wieder entspannt. Bisher haben wir unseren Ärzten viele Freiheiten eingeräumt, sie durften beispielsweise ihren Schichtplan selbst erstellen und waren auch bisher nie in der Auswahl der Medikamente eingeschränkt. Vielleicht müssen wir dies in Zukunft überdenken und auch unseren Ärzten klare Regeln und Grenzen vorgeben. Falls es in Zukunft keine Lösung geben sollte muss man sich wohl oder übel von allen Beteiligten trennen, auch wenn das vielleicht bedeuten könnte, dass das Krankenhaus zwischenzeitlich ohne Arzt wäre. Das Team ist immer mehr Wert als der Einzelne und auch in Somaliland gibt es niemanden den man nicht ersetzen könnte. 

Morgen fahren wir für ein paar Tage nach Hargeisa. Dort hat uns unter anderem das Gesundheitsministerium zu einem Treffen mit allen Hilfsorganisationen eingeladen, die im Gesundheitsbereich für Somaliland tätig sind. Bin mal gespannt auf wen ich da so treffen werde. 

Bis bald 

#AlexinSomaliland  

Antworten (5)

Angie
Mal wieder sehr interessant. Ganz liebe Grüsse und fühl dich gedrückt 😁😘

Sim
Ja , ich fand deinen Bericht auch sehr interessant. Und ich finde auch ,dass es für alle Regen geben müsste auch für die Ärzte ,dann klappt vielleicht auch das Miteinander .Liebe Grüße und alles Gute für DICH🍀

Udo
Eine praxisnahe Ausbildung zum Mediator scheint inclusiv bei diesem Aufenthalt in Afrika zu sein....

Sonja
Konflikte, andere, gäbe es bestimmt auch mit einem neuen Team. Die gibt es doch selbst bei uns im Krankenhaus. Wichtig ist nur, eine Lösung zu finden. Das ist dir doch gut gelungen.

Margreth
Ich lese deine Berichte immer sehr gerne, und sehe daraus das du dich gut mit den Geflogenheiten des Landes integriert hast, und dich gut einbringst in eurem Team GLG.